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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Wir übernehmen den Gazastreifen" Trump macht spektakuläre Ansage
Donald Trump verkündete seinen Plan für die Zukunft des Gazastreifens und der Palästinenser. Die anwesenden Reporter waren völlig verdutzt.
Vollkommen unerwartet kam die Ankündigung, die Donald Trump am Dienstagabend im "East Room" des Weißen Hauses aussprach. Bei einer Pressekonferenz mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu – der erste ausländische Regierungschef, den Trump seit seinem Amtsantritt am 20. Januar empfing – erläuterte der amerikanische Präsident vor Dutzenden Reportern, wie er sich die Zukunft des Gazastreifens vorstellt.
Der Plan hat es in sich: Demnach möchte Trump, dass die USA das Gebiet übernehmen. Die verbliebenen Palästinenser sollen den Gazastreifen verlassen.
"Anstatt zurückgehen und das noch einmal durchmachen zu müssen, werden die USA den Gazastreifen übernehmen", so Trump. Für die dort lebenden rund zwei Millionen Menschen schlug er eine Art dauerhafte Umsiedlung vor – und zwar an einem oder mehreren verschiedenen Orten. Finanziert werden solle das von "interessierten Ländern mit humanitärem Herzen", so Trump.
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Trump bleibt vage, was die Umsetzung angeht
Die anwesenden Journalisten waren angesichts dieser Idee von Trump vollkommen verdutzt, wie USA-Korrespondent Bastian Brauns aus dem Weißen Haus berichtete. Der US-Präsident hatte zwar vor einiger Zeit schon darüber gesprochen, im Gazastreifen müsse "aufgeräumt werden", nicht aber, wer dazu die Initiative ergreife. "Wir werden ihn besitzen", sagte Trump nun über den Gazastreifen.
Wie genau diese Okkupation des Palästinensergebiets ablaufen soll, konnte der US-Präsident zunächst nicht schlüssig erklären. Auf die wiederholte Frage, ob er die Bewohner zum Gehen zwingen würde, wenn sie nicht wollten, sagte Trump: "Ich glaube nicht, dass sie Nein sagen werden." Dann wurde er doch noch konkreter. "Wir werden tun, was notwendig ist", entgegnete er einem Journalisten auf dessen Frage nach der Entsendung von US-Truppen: "Wenn es notwendig ist, werden wir das tun".
Als die Pressevertreter wissen wollten, an viele Palästinenser er bei der Umsiedlung denken würde, sagte er: "Alle von ihnen". Er zeigte sich überzeugt, dass die "Menschen der Welt dort [im Gazastreifen] leben werden". Er denke, man könne daraus einen "internationalen, unglaublichen Ort machen". Ob dort auch Palästinenser leben dürften? Trumps Antwort: "Auch Palästinenser werden dort leben. Viele Menschen werden dort leben."
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Später führte er seine Idee weiter aus. So könne das durch die israelische Armee in weiten Teilen vollkommen zerstörte Gebiet unter Führung der USA zu einer "Riviera des Nahen Ostens" werden, sagte Trump. "Wir haben die Möglichkeit, etwas zu tun, das phänomenal sein könnte", so der US-Präsident. "Das könnte etwas sein, das so großartig sein könnte." Er ergänzte: "Das wird für die Palästinenser wunderbar sein."
Trump-Vorschlag kommt extremen Rechten entgegen
Die rund zwei Millionen Palästinenser, deren Heimat der Gazastreifen ist, sollen nach Trumps Willen künftig vorzugsweise in anderen arabischen Staaten der Region leben. Dieser Vorschlag entspricht auch den Wünschen der extremen Rechten in Israel. Rechtsextremisten sind derzeit an der Regierung unter Netanjahus Führung beteiligt und drohen dem Premierminister regelmäßig damit, aus der Koalition auszutreten.
Trumps Vorschlag, den Gazastreifen zu übernehmen, dürfte jedoch auf massiven Widerstand der internationalen Gemeinschaft stoßen. Die Palästinensergebiete werden derzeit von 146 Staaten als Palästina und damit als souveräne Nation anerkannt. Der Gazastreifen wird offiziell, wie das Westjordanland, durch die palästinensische Autonomiebehörde verwaltet, steht aber seit 2007 faktisch unter der Kontrolle der Terrororganisation Hamas und wird von den Islamisten autoritär regiert.
Deutschland und einige andere Staaten sowie die Vereinten Nationen betrachten den Gazastreifen nicht als souveränen Staat, sondern als besetztes Gebiet. Israel kontrolliert die Außengrenzen des Gazastreifen an drei Seiten, lediglich im Süden hat Ägypten die Verfügungsgewalt über die Grenze zu dem Palästinensergebiet.
Netanjahu kann sich Grinsen nicht verkneifen
Bereits zuvor bei einem Treffen mit Netanjahu im "Oval Office" hatte Trump seine Ansichten zum Thema vor Reportern deutlich gemacht. Trump empfahl den Palästinensern, sie sollten den Gazastreifen für immer verlassen und anderswo "in schöne Häuser, wo sie glücklich sein können und nicht erschossen werden" umsiedeln.
Bei der Pressekonferenz stand Benjamin Netanjahu neben Trump und konnte sich angesichts der Ausführungen des 78-Jährigen ein Grinsen nicht verkneifen. Er lobte Trump dafür, "out of the box" zu denken, also ungewöhnliche Wege zu gehen. Der israelische Regierungschef hatte mehr als 15 Monate lang Krieg im Gazastreifen geführt.
Infolge der Terrorangriffe der Hamas vom 7. Oktober 2023, bei denen mehr als 1.200 Israelis ermordet worden waren, hatten israelische Truppen den Gazastreifen bombardiert und waren dort einmarschiert. Durch die israelischen Angriffe sind in der Folge nach palästinensischen Angaben bis zu 40.000 Menschen gestorben. Erst kürzlich wurde nach Verhandlungserfolgen unter Mithilfe der USA ein Waffenstillstandsabkommen mit der Hamas beschlossen.
Hamas-Vertreter: Ein Rezept für Chaos
Trump skizzierte auch seine Vorstellungen vom "Wiederaufbau" des Gazastreifens. So werde man sich darum kümmern, "alle gefährlichen, nicht explodierten Bomben und andere Waffen auf dem Gelände zu beseitigen" und den Gazastreifen "einzuebnen", um ihn dann wieder aufzubauen. Auf diese Weise sollten "eine unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet" geschaffen werden. Den Gazastreifen bezeichnete er als "elendes Loch".
Einige Menschenrechtsorganisationen haben Trumps Vorschlag bereits mit einer ethnischen Säuberung verglichen. Eine Zwangsumsiedlung der Bevölkerung des Gazastreifens wäre wahrscheinlich ein Verstoß gegen das Völkerrecht und stößt in der Region auf heftigen Widerstand. Die Nachbarländer Ägypten und Jordanien äußerten sich bereits ablehnend zu Trumps Ankündigungen.
Die islamistische Terrororganisation Hamas warf Trump "Rassismus" vor. "Wir lehnen die Äußerungen von US-Präsident Donald Trump ab, in denen er die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen auffordert, ihre Heimat unter dem Vorwand des Wiederaufbaus zu verlassen", sagte ein Mitglied des Hamas-Politbüros, Issat al-Rischk. Trumps Äußerungen seien der unverhohlene Versuch, den Palästinensern ihre unveräußerlichen nationalen Rechte zu verweigern.
Der ranghohe Hamas-Funktionär Sami Abu Zuhri bezeichnete Trumps Vorschlag als "Vertreibung" der Palästinenser "aus ihrem Land". Dies sei ein Rezept für Chaos und weitere Spannungen in der Region. "Die Menschen in Gaza werden solche Pläne nicht zulassen".
- Eigene Beobachtungen vor Ort
- washingtonpost.com: Trump says to ‘clean out’ Gaza, urges Arab countries to take more refugees
- Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP, Reuters und dpa