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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Elon Musks Zerstörungswut schafft Chaos Er übernimmt schleichend die Kontrolle
Elon Musk überrollt Washington – und mit ihm kommt das Chaos. In einer beispiellosen Machtdemonstration hebelt der Tech-Milliardär als offizieller Trump-Berater die US-Behörden aus. Ist das der Beginn einer Verfassungskrise?
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Die einfache Botschaft von Elon Musk an die Amerikaner lautet: Über Jahrzehnte hätten faule und korrupte Linksradikale in den Behörden Washingtons viele Billionen von Steuergeldern verschwendet. Sogar die Covid-19-Pandemie, die weltweit Millionen Menschen getötet hat, sei letztlich auf steuerfinanzierte US-Forschungsprogramme zurückzuführen. Solche und ähnliche Erzählungen verbreitet der reichste Mann der Welt täglich und stündlich über seine Kommunikationsplattform X.
Doch Elon Musk ist nicht mehr nur der reichste Mann der Welt. In dieser Woche ist er auch offiziell von Trump zum "Special Government Employee" ernannt worden, also zu einer Art Sonderbeamter des Staates. In dieser Funktion darf Musk bis zu 130 Tage im Jahr für Trumps Regierung arbeiten. Und längst haben sich Elon Musk und seine inoffizielle Behörde mit dem Namen "DOGE" im Stile eines Konzernbosses an die Arbeit gemacht, um das über Jahrzehnte demokratisch gewachsene Staatswesen radikal zu schleifen. Trump stellte diese Woche noch einmal klar: Musk würde nichts tun ohne seine Zustimmung als Präsident. "Er berichtet an mich", so Trump.
Die aggressive Demontage der US-Behörden
Was als Vorstoß und unter dem Deckmantel zur bürokratischen Effizienz begann, hat sich in Washington innerhalb weniger Tage zu einer aggressiven Demontage von Bundesinstitutionen entwickelt. Das weckt nicht nur Befürchtungen, die USA könnten vor einer Verfassungskrise stehen. Die Folgen von Elon Musks Handeln, das von Donald Trump erklärtermaßen autorisiert ist, senden Schockwellen in die ganze Welt.
Wichtige Behörden, darunter die U.S. Agency for International Development (USAID), sind bereits lahmgelegt. So wurde der Hauptsitz der Entwicklungshilfebehörde kurzerhand geschlossen, seine Führungskräfte wurden teils verdrängt, teils haben sie die Flucht ergriffen und mehr als 1.000 Mitarbeiter wurden entweder beurlaubt oder entlassen. Stattdessen haben Vertreter von Musks DOGE-Beratern, von denen einige nicht mal über erforderliche Sicherheitsfreigaben verfügen, die Kontrolle übernommen.
Kontrolle über Regierungsfinanzen und Daten
Auch einzelne Systeme des Finanzministeriums, welche unter anderem die finanziellen Transaktionen der Regierung abwickeln, wurden auf diese Weise geradezu infiltriert. Elon Musk und sein Team erhalten dadurch direkten Zugang zu den Staatsausgaben und können auf diese Weise sogar Zahlungen stoppen. Der Besitzer von Tesla, SpaceX und X könnte sogar Einblick bekommen in Zahlungen, die an mögliche Konkurrenten seiner eigenen Unternehmen gehen.
Musk führt sich im Staatsapparat auf wie der CEO einer Firma, die er gerade aufgekauft hat. Über das sogenannte "Office of Personnel Management (OPM)" hat er sich Einfluss auf den Abbau der Behördenbelegschaft gesichert. Ähnlich wie bei Musks Entlassungswelle, als er den Nachrichtendienst Twitter (heute X) übernahm, haben auf sein Geheiß Tausende Regierungsangestellte Abfindungen angeboten bekommen, damit sie ihre Posten verlassen. Dabei ist rechtlich vollkommen unklar, ob sie das Geld überhaupt bekommen, sollten sie diesem Vorschlag zustimmen.
Demokraten schlagen Alarm: Eine Schattenregierung?
Während die meisten Republikaner die Zerschlagung der Bundesbehörden schweigend begleiten, sind die Demokraten alarmiert. Der demokratische Fraktionsführer im Senat, Chuck Schumer, sprach etwa von einer "Schattenregierung", die Elon Musk in Washington installieren würde. Das klingt wie ein altbekannter Vorwurf der Republikaner, die seit Jahren von einem "Deep State" sprechen, der von den Demokraten gelenkt würde.
Die Demokraten planen nun zumindest, ein Gesetz einzubringen, das Musk daran hindern soll, sich in das Zahlungssystem des US-Finanzministeriums mit Geldern im Wert von 6 Billionen Dollar einzumischen. Welchen Erfolg dieses Vorhaben angesichts der fehlenden Mehrheiten im Kongress haben kann, ist zweifelhaft.
Globale Auswirkungen der neuen Machtverhältnisse
Die Folgen von Musks Handeln gehen derweil weit über die USA hinaus. Insbesondere könnte die Demontage von USAID die globale Stabilität gefährden. Denn die amerikanische Entwicklungshilfe war, seit John F. Kennedy sie in den Sechzigerjahren gegründet hat, über Jahrzehnte ein entscheidender Akteur in humanitären Hilfsprogrammen – von internationaler Katastrophenhilfe bis zu globalen Gesundheitsinitiativen. Die bislang unabhängige Behörde soll nun in möglichst abgespeckter Form dem US-Außenministerium unterstellt werden.
Die Finanzierung zahlreicher Auslandshilfen für Entwicklungsländer ist derzeit aber vollkommen unklar. Gefährdete Bevölkerungen könnten jetzt kurzfristig ohne lebenswichtige Nahrungsmittel, medizinische Versorgung und Infrastrukturunterstützung dastehen. Hinzu kommt das Löschen kritischer öffentlicher Gesundheitsdaten von Regierungswebsites, einschließlich wichtiger Informationen zu HIV oder LGBTQ-Themen. Am Montag hieß es in einer Meldung oben auf der Webseite der "Centers for Disease Control and Prevention": "Die Webseite der CDC wird derzeit geändert, um den Executive Orders von Präsident Trump zu entsprechen."
Wissenschaftler in Washington warnen davor, dass diese vollkommen intransparenten Maßnahmen Menschenleben kosten könnten, weil essenzielle epidemiologische Daten über Nacht schlicht verschwunden sind. So sagte der Vorsitzende der American Public Health Association, Georges Benjamin, dazu: "Wenn sie diese Daten entfernen, sind wir absolut blind." Die schwerwiegende Auswirkung davon sei, "dass mehr Menschen krank werden und mehr Menschen sterben."
Juristische Konsequenzen: Ist Musks Vorgehen legal?
Das Vorgehen von Musk und seinen angeheuerten Helfern, die keine Kenntnisse über die Folgen ihres Handelns zu haben scheinen, geht über Gesundheits- und humanitäre Fragen hinaus. Die DOGE-Vertreter – viele von ihnen junge Ingenieure, die Musk aus seinen Privatunternehmen rekrutiert hat – haben nun Zugang zu hochsensiblen Informationen. Das Potenzial für Interessenkonflikte und Datenlecks ist enorm.
Über DOGE haben Musk und sein Team jetzt Zugang zu gewaltigen Mengen an persönlichen und staatlichen Daten. Die Datenbanken des "Office of Personnel Management (OPM)" enthalten detaillierte Informationen nicht nur über Millionen von Bundesangestellten, einschließlich ihrer Sozialversicherungsnummern, medizinischer Vorgeschichten und Sicherheitsfreigaben. Indem Musk seine Verbündeten innerhalb des OPM platziert hat, bekommt Musk direkten Einblick in die inneren Abläufe von Regierungsbehörden und deren Personal.
Musk könnte solche Daten nutzen, um etwa Konkurrenten in der Privatwirtschaft zu schwächen. Seine Unternehmen, wie SpaceX, Tesla oder xAI könnten von Insiderwissen über Regierungsverträge profitieren. Geschwindigkeit, Rücksichtslosigkeit und eine fehlende Aufsicht über das intransparente Handeln verstärken die Befürchtung, dass Musks Regierungsrolle in Wahrheit persönlichen und unternehmerischen Vorteilen sowie einer totalen Kontrolle dienen soll.
Rechtsexperten argumentieren bereits, dass Musks Maßnahmen von DOGE gleich gegen mehrere Gesetze verstoßen. So verbietet der sogenannte "Impoundment Control Act" von 1974 dem Präsidenten, einmal vom Kongress bewilligte Mittel einfach zurückzuhalten. Das steht offensichtlich in direktem Widerspruch zu Musks Anordnung, solche Zahlungen einfach einzufrieren. Auch der sogenannte "Administrative Leave Act" von 2016 scheint verletzt worden zu sein. Darin wird geregelt, unter welchen Bedingungen Bundesangestellte normalerweise beurlaubt werden können.
Mehrere Klagen von Gewerkschaften laufen bereits gegen das Finanzministerium, weil der Zugang von DOGE zu den Finanzdaten gegen den Datenschutz verstoße. Weitere Klagen, die sich gegen die Intransparenz, fehlende Aufsichten und Interessenkonflikte bei DOGE richten, sind in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten zu erwarten.
Verfassungskrise in Sicht?
Die Debatte darüber, ob die USA mit diesen Übergriffen von Trump und Musk vor einer Verfassungskrise stehen, nimmt an Intensität zu. Insbesondere der Kongress, der traditionell für den Staatshaushalt verantwortlich ist, muss derzeit mit ansehen, wie die Exekutive einseitig ganze Behörden schleift und teils sogar abschafft. Als Nächstes soll das Bildungsministerium dran sein. Wie groß der Widerstand bei den Republikanern im Kongress ausfallen wird, wird darüber entscheiden, wie weit Trump und Musk wirklich gehen können.
Schon während seiner ersten Amtszeit hatte Trump seine exekutiven Befugnisse überschritten. Etwa, als er 2019 den Notstand ausrief, um Militärgelder für seine Grenzmauer umzuleiten und damit die Budgethoheit des Kongresses zu umgehen. Auch damals schon verhängte er umstrittene Zölle unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit. Selbst die Geldpolitik der Federal Reserve versuchte er zu beeinflussen, indem er deren Entscheidungen öffentlich kritisierte und Druck auf ihren Vorsitzenden ausübte.
Es ist ein altes Muster, und die aktuellen Vorhaben sind seit Jahren bekannt. Doch die Geschwindigkeit und Gleichzeitigkeit der Zerstörungsaktionen schaffen ein schwer zu überblickendes Chaos in Washington. Erfasst werden davon alle – auch die Regierung selbst. Als infolge von Trumps Anordnungen plötzlich die Gesundheitsversorgung für rund 70 Millionen Amerikaner nicht mehr erreichbar war, musste auch das Weiße Haus schließlich zurückziehen und kassierte die unklaren Ansagen bezüglich der Kürzungen.
- bloomberg.com: "US Health Expert Flying 'Absolutely Blind' as Federal Health Data Vanishes" (englisch)
- wsj.com: "The Many Legal Questions Surrounding Musk’s DOGE Efforts" (englisch, kostenpflichtig)
- wird.com: "The Young, Inexperienced Engineers Aiding Elon Musk’s Government Takeover" (englisch)