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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Hart aber fair" zur Migration Bei diesem Thema unterläuft Klamroth ein Fehler
Umfallen, Neuwahlen oder AfD-Koalition: Mehr bleibt Merz laut von Storch nicht. Als sie mit Klamroth über Vergewaltigungen streitet, ist er falsch informiert.
Friedrich Merz hat mit der Asyl-Abstimmung sein Versprechen gebrochen – diese Tatsache ließ selbst der führende Christdemokrat Thorsten Frei bei "Hart aber fair" so stehen. "Die Sachlage hat sich verändert", erwiderte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion lediglich, als Louis Klamroth am Montagabend wissen wollte, warum Merz entgegen früherer Zusicherungen dann doch eine Mehrheit im Bundestag nur dank der AfD in Kauf genommen hat.
Gäste
- Matthias Miersch (SPD), Generalsekretär
- Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion
- Beatrix von Storch (AfD), stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion
- Amira Mohamed Ali (BSW), Parteivorsitzende
- Isabel Schayani, "Weltspiegel"-Moderatorin
- Albrecht von Lucke, Politologe und Publizist
Der Publizist Albrecht von Lucke, der sich zu Beginn der Sendung allein mit Frei eine Art TV-Duell liefern durfte, sprach von einem "eklatanten Wortbruch". AfD-Frau Beatrix von Storch malte bei "Hart aber fair" nur drei mögliche Szenarien für einen möglichen Wahlgewinner Merz an die Wand – bei keinem würde er als Sieger hervorgehen.
AfD bei "Hart aber fair"
Wenn Merz nicht mit der AfD koalieren oder sich von ihrer Partei als Minderheitsregierung tolerieren lassen wolle, müsse er mit SPD und Grünen zusammengehen und damit bei der Migration "umfallen", prognostizierte von Storch. Geschehe das nicht, seien Neuwahlen programmiert. "Es gibt genau diese drei Optionen. Etwas anderes liegt nicht mehr auf dem Tisch", sagte die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion.
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Während von Storch bei "Hart aber fair" mehr Redezeit einforderte und sich auch die BSW-Vorsitzende Amira Mohamed Ali diesbezüglich beschwerte, ergriff SPD-Generalsekretär Matthias Miersch selten das Wort. Warum nicht er, sondern Lucke im ersten Teil der Talkshow Frei gegenüber gesessen hatte, wurde nicht deutlich.
"Es war ein gezielter Wortbruch", warf Miersch Merz vor. Seine These: Der Oppositionsführer sei bei seinen umstrittenen Vorschlägen zu Migration und Asyl im Bundestag gar nicht an einer Zusammenarbeit mit SPD und Grünen interessiert gewesen und habe sich "wie ein kleiner Trump aufgeführt": "Man hat es durchziehen wollen".
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Miersch greift Merz an
Rein populistische Motive sah Miersch auch aus anderem Grund bei der Union gegeben. Der tödliche Messerangriff von Aschaffenburg hätte durch schärfere Gesetze gar nicht verhindert werden können, sagte der SPD-Generalsekretär. "Es ist eine Frage des Vollzugs", behauptete er. Ohnehin ließen sich Migration und Asyl nur innerhalb der EU lösen. "Die Rückkehr zum Nationalstaat wird dazu führen, dass Europa zerfällt", warnte Miersch vor einem deutschen Alleingang.
Alis Fraktion hatte im Bundestag mit Union und AfD votiert. Die AfD sei nicht durch so eine Abstimmung groß geworden, sondern weil die Migration als Thema den Rechtsextremen überlassen worden sei, sagte Ali. Viele Menschen würden glauben, Veränderungen bei diesem Thema seien nur mit der AfD möglich: "Das ist ein Versagen der anderen Parteien."
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Auffallend viel Redezeit räumte Klamroth seiner ARD-Kollegin Isabel Schayani ein – sehr zum Missfallen von von Storch. Die "Weltspiegel"-Moderatorin hat die Dokumentation "Deutschland am Limit" gedreht und war nach eigener Aussage am Vortag erst aus Syrien zurückgekehrt. "Ich habe das Gefühl, ich bin in einem Land gelandet, das Fieber hat", kommentierte die Journalistin die Stimmung nach den umstrittenen Bundestagsabstimmungen.
"Geschickt von der AfD abgeschrieben"
Schayani stellte in den Raum, ob die von Merz geforderte Verschärfungen bei Migration und Asyl "einfach nur geschickt" von der AfD abgeschrieben worden seien. Die Journalistin wollte von Frei wissen, wo Menschen denn dann noch in Deutschland Asyl beantragen sollten, wenn sie ohne Einreisegenehmigung an den Grenzen zurückgewiesen werden.
Gar nicht, lautete mehr oder minder seine Antwort – ausgenommen die wenigen Flüchtlinge, die per Flugzeug einreisen oder möglicherweise handverlesene Kontingente von besonders schutzbedürftigen Menschen. "Wenn jemand in Österreich ist, ist er nicht auf der Flucht", pochte Frei auf das Prinzip, dass der Asylantrag im ersten Land der Europäischen Union gestellt werden muss.
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Es gebe nicht das Recht, sich das Land für den Asylantrag auszusuchen, betonte auch von Storch. Ginge es nach der AfD, würde laut der Fraktionsvize der Schutzstatus aller Asylbewerber überprüft. Insbesondere Afghanen und Syrer müssten laut von Storch ausgewiesen werden.
Klamroth zu Gruppenvergewaltigungen
Die AfD-Politikerin verwies dabei auch auf den hohen Anteil von Ausländern unter den Tatverdächtigen von Gruppenvergewaltigungen. Auch Merz hatte seinen umstrittenen Entwurf zum sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz unter anderem mit dem Hinweis auf "tägliche Gruppenvergewaltigungen aus dem Asylmilieu" verteidigt.
Mit Gruppenvergewaltigungen sind in der polizeilichen Kriminalstatistik Vergewaltigungen mit mehr als einem Tatverdächtigen gemeint. 761 Fälle wurden 2023 erfasst. Viele begangen von "Zuwanderern", wie von Storch sagte. Da widersprach Klamroth.
Richtig sei, dass 50 Prozent der möglichen Täter nicht deutsch sind, sagte der Moderator. "Nur, woher die kommen – das weiß man nicht", behauptete er. Das könnten Flüchtlinge sein, aber auch australische Austauschstudenten.
Da lag der Moderator falsch: Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Sommer 2024 hat die Polizei nämlich durchaus die Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen erfasst. Bei den 761 Fällen hatten 2023 demnach 520 einen deutschen Pass. Nur 71 waren Syrer, 49 Afghanen, 43 Iraker und 33 Türken. Andere Nationalitäten oder der Aufenthaltsstatus wurden nicht aufgeführt.
- ARD: "Hart aber fair" vom 3. Februar 2025
- bundestag.de: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Brandner, Martin Hess, Steffen Janich und der Fraktion der AfD – Drucksache 20/11470 –