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Santorini-Beben droht Monstervulkan zu wecken


Erdbeben auf Santorini
Ein Monstervulkan im Mittelmeer könnte erwachen


04.02.2025 - 17:46 UhrLesedauer: 4 Min.
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Aufnahmen zeigen, wie Menschen scharenweise die Region verlassen. (Quelle: dpa)
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Das Vulkansystem von Santorini füllt sich womöglich gerade in Hochgeschwindigkeit mit gefährlicher Magma. Die Folgen könnten verheerend sein.

Erdbeben folgt auf Erdbeben – und sie werden immer stärker: Auf der griechischen Trauminsel Santorini befürchten die Menschen derzeit das Schlimmste, zu Tausenden verlassen sie das Eiland. Am Fährhafen drängen sie sich, vom Flughafen heben Sondermaschinen ab.

Mehr als ein Drittel der 16.000 Einwohner ist griechischen Medien zufolge bereits weg. "Die Kinder und die Frauen weinen", zitierte die Nachrichtenagentur dpa am Dienstag einen Mann am Hafen. "Ich habe seit Tagen nicht geschlafen."

Noch ist unklar, wohin die Erdbebenserie führen wird, die die Region mit zunehmender Kraft erschüttert. Die Experten rechnen damit, dass ein Hauptbeben unbekannten Ausmaßes noch bevorsteht. Sicher sind sie bisher allerdings nur in einem, wie die Geologie-Professorin Evi Nomikou von der Universität Athen sagte: So viele Erdbeben binnen so kurzer Zeit wie jetzt habe sie noch nie zuvor beobachtet.

Es gibt verschiedene Szenarien, was geschehen könnte. Im besten Fall hat wohl Efthymios Lekkas Recht, der Chef der griechischen Behörde für Erdbebenschutz. Der Geologe hofft, dass sich die aufgestaute seismische Energie mit einem Erdbeben der Stärke 5 bis 5,5 entladen und danach langsam Ruhe in der Region eintreten könnte. Die Schäden blieben in diesem Szenario wahrscheinlich verhältnismäßig gering.

"Der Knall war 100 Kilometer weit zu hören"

Aber es kann auch ganz anders kommen: Die Experten fürchten, dass die Erdbebenserie den großen Unterwasservulkan Kolumbos aktiviert. Was das bedeuten könnte, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: 1649 erhob sich der Vulkan, der sich nur sieben Kilometer von Santorini entfernt befindet, plötzlich über die Meeresoberfläche. Im Herbst 1650 begann dann ein zwei Monate langer Ausbruch mit verheerenden Folgen.

Zeitzeugen berichteten, die Farbe des Wassers habe sich verändert, das Meer habe gekocht. Kolumbos spuckte glühende Felsen aus, Rauch verdunkelte den Himmel. Dann zog sich auf einmal das Meer zurück – nur um kurz darauf mit zerstörerischer Kraft wiederzukehren. Bis zu 20 Meter hohe Tsunamiwellen hätten die umliegenden Küsten verwüstet, heißt es in einer 2023 von deutschen Forschern vorgenommenen Rekonstruktion der Ereignisse. "Ein gewaltiger Knall war mehr als 100 Kilometer weit zu hören, Bimsstein und Asche gingen auf die umliegenden Inseln nieder, und eine tödliche Giftgaswolke forderte etliche Menschenleben", schrieb das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel in einer Pressemitteilung.

Wie wenn man eine Sektflasche entkorkt

Zuvor waren Geomar-Forscher in die griechische Ägäis gefahren, um den Vulkankrater mit Spezialtechnik zu untersuchen. "Wir wollten verstehen, wie der Tsunami damals zustande gekommen und warum der Vulkan so heftig explodiert ist", erklärte Studienleiter Jens Karstens. Die Wissenschaftler erstellten verschiedene Computersimulationen und glichen Messdaten und historische Augenzeugenberichte miteinander ab. Ihr Ergebnis: Noch während Kolumbos Feuer spuckte, rutschte eine Flanke des aus Bimsstein bestehenden und daher nicht sehr stabilen Vulkans ab.

Dies hatte einen Effekt, als würde man eine Sektflasche entkorken. Karstens: "Das Gas aus dem Magmasystem konnte sich durch die plötzliche Entlastung ausdehnen, und es kam zu der gewaltigen Explosion." Erst durch die Kombination all dieser Ereignisse sei die 20 Meter hohe Tsunamiwelle erklärbar.

Schon fast wieder so voll wie 1650: Eine Magmakammer füllt sich

In diesem Zusammenhang erscheinen Untersuchungen weiterer Forscher besorgniserregend, die ihre Ergebnisse ebenfalls im Jahr 2023 vorstellten: Vulkanologen um Kajetan Chrapkiewicz vom Imperial College London entdeckten mit einem neuen Verfahren, dass sich unter Kolumbos schon wieder reichlich Magma angesammelt hat – und der Zufluss weiterhin stetig erfolgt. 1,4 Kubikkilometer Schmelze seien bereits in der Kammer, hieß es damals. Bei gleichbleibender Wachstumsrate schätzten die Forscher, dass das Volumen innerhalb von 150 Jahren auf zwei Kubikkilometer anschwelle – was Schätzungen zufolge der Menge entspräche, die Kolumbos 1650 zum Platzen brachte.

Nur: Ob es nicht auch weitaus schneller gehen könnte, bis der Vulkan erneut reif ist, lässt sich kaum sagen. Und aktuell sieht es so aus, als gebe es erhebliche Bewegungen im Vulkansystem von Santorini. Mehrere Forscher nehmen an, dass die jetzige Erdbebenserie ein Ergebnis genau dieser Magmabewegungen ist. Torsten Dahm, Professor für Geophysik und Seismologie an der Universität Potsdam, sagte t-online bereits am Montag, die vielen immer intensiver werdenden Beben würden darauf hindeuten.

Geomar-Wissenschaftler sind vor Ort auf Santorini

Am Dienstag unterstützten weitere Experten seine These. Geomar-Forscher Karstens schrieb in seinem Statement für das "Science Media Center Germany", das Santorini-System sei aktuell so aktiv wie lange nicht mehr: In dieses System hinein fließe wahrscheinlich momentan derart viel Magma, dass dies zu Spannungen in der Erdkruste führe, die dann die Beben auslösen würden.

Aktuell würden Geomar-Wissenschaftler vor Ort auf Santorini aktuelle Messungen durchführen, erklärte Karstens weiter: "In ein paar Tagen werden wir die Situation daher schon besser einordnen können."

Warnung vor Tsunamis "absolut gerechtfertigt"

Eleonora Rivalta, Arbeitsgruppenleiterin der Forschungsgruppe Magmaausbreitung am Potsdamer GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung, teilte unterdessen mit, dass magmatische Prozesse "potenziell mit weiterem Magmaaufstieg und einem erhöhten Ausbruchsrisiko verbunden sein" könnten. Demnach scheint es also gut möglich, dass sich die Prozesse gegenseitig verstärken – und an Geschwindigkeit zunehmen, bis es zum Knall kommt.

Es sei jedenfalls "absolut gerechtfertigt", dass die Behörden Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, befindet Rivalta: "Besonders die Warnung vor möglichen Tsunamis und Erdrutschen entlang steiler Hänge ist wichtig, da Erdbeben solche sekundären Gefahren auslösen können."

Verwendete Quellen
  • vulkane.net: "Vulkan Kolumbos mit neuer Entdeckung am 13.01.23"
  • Telefonat mit Torsten Dahm, Professor für Geophysik und Seismologie an der Universität Potsdam und Leiter des Geophysik Departments des GFZ Potsdam
  • Mitteilung des "Science Media Centers" vom 4. Februar 2025
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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