"D-Day"-Enthüllungen Lindner reagiert auf Kritik an Strategiepapier zum Ampelende
Das "D-Day"-Papier hat bei den ehemaligen Koalitionspartnern heftige Kritik ausgelöst. Doch auch in den eigenen Reihen sind die Reaktionen gemischt.
Ein detailliertes Papier der FDP zum Ausstieg aus der Ampelkoalition bringt die Parteiführung in Erklärungsnot. Besonders die ehemaligen Koalitionspartner zeigen sich empört, doch auch in der eigenen Partei gibt es teils deutliche Kritik.
Parteichef Christian Lindner verteidigte seine Mitarbeiter nach den Enthüllungen. "Hier ist ein Papier im Entwurfsstadium, das Mitarbeiter verfasst haben, in die Öffentlichkeit gebracht worden", sagte Linder der "Rheinischen Post". "Der Generalsekretär kannte es offensichtlich nicht", fügte er hinzu. "Jenseits der Details will ich aber sagen, dass es professionell ist, wenn Mitarbeiterstäbe Eventualitäten durchspielen", sagte Lindner. Er bestreitet den Vorwurf, dass seine Partei rund um den Koalitionsbruch ein falsches Spiel gespielt hat. "Nein", sagte er der Zeitung.
Doch es gibt auch Gegenwind aus der Partei. So fordert die Vorsitzende der FDP-Jugendorganisation Junge Liberale, Franziska Brandmann, personelle Konsequenzen. Sie teilte auf Instagram einen Beitrag, in dem sie schreibt: "Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, habe ich den Generalsekretär als Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten."
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FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte in einem Interview bei RTL/ntv am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die "D-Day"-Formulierung betont: "Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden." Nach der Veröffentlichung des FDP-Papiers bemühte er sich nun in der "Welt" um Schadensbegrenzung: "Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier." Einen Grund zurückzutreten, sehe er nicht.
David Jahn, ein Berliner Lokalpolitiker, geht sogar noch einen Schritt weiter. So forderte er auf Instagram: "Das Präsidium der FDP sollte zurücktreten. Politische Ämter verpflichten zur Verantwortung für das Land. Pokerspieler und Lügner sind dafür gänzlich unqualifiziert."
Jensen: "Koalition hat unserem Land nicht gutgetan"
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen hat ihre Partei für ihren Umgang mit dem Ampel-Bruch kritisiert. "Um es klar zu sagen: Wir sind aus dieser Koalition ausgetreten, weil sie unserem Land nicht gutgetan hat. Doch unser Umgang mit dieser Entscheidung hat dieses Ziel diskreditiert", sagte Jensen dem Nachrichtenportal t-online.
Jensen nimmt ihre Partei in die Pflicht. "Die aktuelle Situation der FDP haben wir allein zu verantworten – und nur wir allein können sie korrigieren", sagte sie. Eine liberale Politik sei wichtiger denn je. "Es geht nicht um einzelne Führungspersönlichkeiten, sondern um unsere Überzeugungen und Ziele."
Strack-Zimmermann: "Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich"
FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur, angesichts der Situation in der Regierung sei es zwar richtig gewesen, sich mit Ausstiegsszenarien auseinanderzusetzen.
Aber: "Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar." Sie forderte Selbstkritik und Aufarbeitung, wie sie später auch noch einmal auf X betonte.
Kubicki: Koalitionsbruch war "Heldentat"
Von anderen Parteimitgliedern kam hingegen Zustimmung zu dem Papier. So bezeichnete Wolfgang Kubicki den von der Parteiführung geplanten Koalitionsbruch auf X als "Heldentat". Später forderte er bei der AFP eine Aufarbeitung: "Fehler, die gemacht wurden, müssen selbstverständlich aufgearbeitet werden."
Auch der FDP-Abgeordnete Max Mordhorst äußerte sich positiv im Kurznachrichtendienst, er sei "positiv von meiner Partei beeindruckt". So schrieb er: "Da kann man Worte unpassend finden, in der Sache sollte man viel öfter so klug agieren."
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Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marcus Faber von der FDP, erklärte im ZDF-Morgenmagazin: "Es ist völlig normal, dass man sich in einem Szenario, in dem die Koalition schon erhebliche Probleme hat, auf alle Szenarien vorbereitet. Das ist ein Zeichen von Professionalität"
Die Partei selbst verbreitete die Lesart, sie habe das Papier publik gemacht, um Transparenz herzustellen – und schrieb auf X: "Wir haben nichts zu verbergen." In einer dazu veröffentlichten Erklärung Djir-Sarais hieß es: "Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns so genannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte." Er sprach von einer Skandalisierung der Vorbereitung auf Szenarien. "Wenn die gesamte deutsche Medienlandschaft zu diesem Zeitpunkt bereits über das Ende der Ampel spekulierte, dann ist es nur professionell, sich auf diese Option einzustellen."
"Die FDP ist ein Totalausfall."
Heftige Kritik dagegen kommt von den ehemaligen Koalitionspartnern. SPD-Chef Lars Klingbeil schrieb etwa auf der Plattform X: "Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können." Der ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Ralf Stegner schrieb auf X: "In einer Phase internationaler Krisen+Kriegen+großen Herausforderungen für das Land, ist die FDP ein Totalausfall." Lesen Sie hier, was im FDP-Papier steht.
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SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf der FDP-Führung vor, die Öffentlichkeit wiederholt getäuscht zu haben und forderte eine Entschuldigung von Lindner.
Miersch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), es sei "zynisch", dass die FDP für den Zeitpunkt des Ampel-Bruchs in ihrem Papier das Wort "D-Day" benutzt und den nachfolgenden Wahlkampf als "offene Feldschlacht" bezeichnet habe. Auch im t-online-Interview hatte er erklärt, er sei "geschockt" von den Enthüllungen. Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann äußerte bei t-online ebenfalls Kritik: "Ein Parlament ist kein Schlachtfeld, und das Ringen um die besten Ideen und Konzepte gehört zu unserer lebendigen Demokratie. Diese FDP sollte keine Verantwortung für unser Land übernehmen." Vize-Kanzler Robert Habeck kommentiert das Verhalten der FDP nur knapp: "Mein Amtseid lautete, meine Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen – und nicht dem Wohle einer Partei."
Kritik und Spott gab es in sozialen Medien auch für das vielfach geteilte Bild einer "Ablaufpyramide" aus dem Dokument. Darin werden die vier verschiedenen "D-Day"-Phasen vom ersten "Impuls" – einem Presse-Statement des Parteivorsitzenden Christian Lindner – bis hin zum "Beginn der offenen Feldschlacht" genannt. So teilte die ehemalige Grünenvorsitzende Ricarda Lang ein Bild der "Ablaufpyramide" und schrieb dazu: "Wie ich plane, meinen Mann von einem Hund zu überzeugen."
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Medien berichteten schon vorher über Papier
Die FDP hatte das achtseitige Dokument im Stil einer Powerpoint-Präsentation am Donnerstag selbst veröffentlicht, nachdem das Nachrichtenportal "Table.Briefings" bereits darüber berichtet hatte. Zuvor hatte eine Recherche der "Zeit" schon große Diskussionen über Ursachen und Urheber des Koalitionsbruchs ausgelöst. In mehreren Treffen der engsten FDP-Führung wurden demnach seit Ende September Szenarien für ein Ende der Koalition durchgespielt.
Das nun veröffentlichte FDP-Papier stieß nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen der Wortwahl auf Kritik. In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg historisch vorgeprägte Begriff "D-Day" mehrfach auf – als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der gemeinsamen Regierung mit SPD und Grünen.
"D-Day" kann aus dem Englischen mit "Tag X" übersetzt werden - oder auch "Tag der Entscheidung" meinen. Im Deutschen ist die Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus bekannt. Den Auftakt dafür markierte der "D-Day" am 6. Juni 1944. Er steht aber auch für unmenschliches Blutvergießen, Zehntausende Tote und Verwundete.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa