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Sicherheitspaket: SPD-Kritik an Scholz und Reformen reißt nicht ab


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SPD in Aufruhr
"Das halte ich für inakzeptabel"


Aktualisiert am 17.10.2024Lesedauer: 4 Min.
Bundeskanzler Olaf Scholz: Türmer wirft ihm Einschüchterung vor.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Der Kanzler hat in der SPD eher robust für das "Sicherheitspaket" geworben – doch die Kritik reißt nicht ab. (Quelle: Bernd Elmenthaler/imago)
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Wie viele SPD-Politiker verweigern dem Kanzler beim "Sicherheitspaket" die Gefolgschaft? Die interne Kritik an den Reformen reißt nicht ab, obwohl der Druck auf die Abgeordneten wächst.

Das sogenannte Sicherheitspaket der Bundesregierung löst in den Reihen der eigenen Ampelkoalition weiter erheblichen Widerstand aus. In der SPD-Fraktionssitzung am Dienstag schaltete sich Kanzler Olaf Scholz persönlich in die Debatte ein. "Das Gesetz braucht eine eigene Mehrheit, sonst muss ich von meinen Möglichkeiten Gebrauch machen", sagte er Teilnehmern zufolge, wie der "Spiegel" und t-online zuerst berichteten.

Mancher SPD-Abgeordnete wertete das als indirekte Drohung des Kanzlers, im Zweifel die Vertrauensfrage zu stellen. SPD-Funktionäre widersprechen diesem Eindruck nun zwar. Mehr als eine sanfte Bitte ist das Kanzlerwort aber eben schon.

Das liegt wohl auch daran, dass die Kritik bei manchem in der SPD grundsätzlich ist – und seit Wochen nicht verstummt. Auch jetzt nicht, obwohl der Druck auf die Abgeordneten vor der Abstimmung am Freitag groß ist.

Sorge um "zunehmende Verwahrlosung auf der Straße"

Annika Klose, 32 Jahre, ist eine der wenigen in der SPD-Bundestagsfraktion, die ihre Kritik im Moment offen formuliert. Die Berliner Politikerin, die früher Landesvorsitzende der Jusos war und nun im Landesvorstand der SPD sitzt, ist eine der 35 sozialdemokratischen Abgeordneten, die schon vor zwei Wochen in einem offenen Brief ihre Kritik am "Sicherheitspaket" geäußert hatten.

"Sicherheitspolitische Fragen dürfen nicht unzulässig mit Migrationspolitik vermischt werden", heißt es in dem Schreiben unter anderem. Und: Man wolle sich im Bundestag auch weiterhin gegen einige der geplanten Verschärfungen einsetzen.

Doch auch nachdem die Ampelfraktionen sich Ende vergangener Woche auf einige Änderungen und Entschärfungen am Paket geeinigt haben, ist Klose nicht zufrieden. Am Mittwoch sagt sie t-online, sie verstehe die Angst und Verunsicherung vieler Menschen und das Leid der Angehörigen. Der Schutz der Menschen vor Gewalt, Verbrechen und Terror sei die Grundaufgabe des Staates. "Trotzdem sehe ich das neue Sicherheitspaket mit Sorge."

"Das halte ich für inakzeptabel"

Wie die meisten koalitionsinternen Kritiker des "Sicherheitspakets" stört sich Klose vor allem an den Verschärfungen in der Asylpolitik und den Ausweitungen der Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Dass Flüchtlinge, die in einem anderen EU-Staat registriert sind und den Dublin-Regeln zufolge dort versorgt werden müssten, pauschal die Sozialleistungen gestrichen werden sollen? "Als Sozialdemokratin halte ich das für inakzeptabel."

Diese Art, "die Ausreise in einen anderen EU-Staat zu erzwingen, widerspricht einem würdigen Umgang mit den betroffenen Menschen", sagt Klose. "Ich befürchte, dass die Folge eine zunehmende Verwahrlosung auf der Straße und eine Überlastung der kommunalen Strukturen sein wird."

Kritisch sieht Klose auch die neuen Befugnisse für Sicherheitsbehörden bei der digitalen Erkennung von Stimmen und Gesichtern, den biometrischen Datenabgleich. Generell soll das dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei nur für die Verfolgung und Verhinderung schwerster Straftaten erlaubt sein.

Sie finde es deshalb "schwer nachvollziehbar, warum das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge diese Möglichkeit jederzeit einsetzen können soll, um Geflüchtete zu identifizieren", kritisiert Klose. "Ein solcher Eingriff in die Privatsphäre ist sehr intensiv und sollte nur bei besonders schweren Straftaten erlaubt sein." Den Einsatz zur Identifizierung von Geflüchteten "halte ich für unverhältnismäßig".

Jusos-Chef kritisiert den Kanzler

Schon am Dienstagabend hatte der Chef der Jusos, Philipp Türmer, das "Sicherheitspaket" kritisiert – und den Kanzler gleich mit. Zur Drohung des Kanzlers in der Fraktionssitzung sagte Türmer dem "Stern", er hoffe, "dass sich niemand, der gegen das Paket stimmen will, davon einschüchtern lässt".

Und: "Dem letzten sozialdemokratischen Bundeskanzler, der mit solchen Mitteln Diskussionen unterdrücken wollte, ist das sehr hart auf die Füße gefallen." Eine Anspielung auf Gerhard Schröder, der 2005 die Vertrauensfrage stellte, Neuwahlen auslöste – und von CDU-Kanzlerin Angela Merkel abgelöst wurde.

Türmer sitzt zwar nicht im Bundestag, kann also selbst nicht gegen das Paket stimmen, aber von seinen Jusos sind immerhin 49 auch Abgeordnete – von 207 SPDlern insgesamt.

Und Türmer hat wohl eine Idee, wie sie abstimmen könnten. "Ich erwarte, dass möglichst viele SPD-Abgeordnete dem Sicherheitspaket in dieser Form nicht zustimmen", sagte er. "Das Paket geht in die völlig falsche Richtung." Es sorge für eine massive Diskursverschiebung nach rechts, "weil der Kampf gegen Islamismus zu einem Kampf gegen Geflüchtete gemacht wird".

Der Druck auf die Abgeordneten wächst

Ob das bei der SPD tatsächlich in großer Zahl passieren wird, ist aber ungewiss. In der Fraktionssitzung selbst sollen in einer internen Abstimmung über das Paket nach Teilnehmerangaben zwar ungefähr 30 Abgeordnete nicht die Hand gehoben haben. Ob am Ende alle tatsächlich auch im Plenum dagegen stimmen, bezweifeln aber selbst kritische Abgeordnete.

Und der Druck auf die Abgeordneten wächst. Fraktionschef Rolf Mützenich soll sich "Table.Media" zufolge am Ende der Sitzung darüber aufgeregt haben, dass das Zitat von Kanzler Scholz an Medien durchgestochen wurde. "Das ist fraktions- und parteischädigend", soll Mützenich gesagt haben. "Was soll das? Was bringt euch das im Wahlkreis?"

Dem "Spiegel" zufolge muss sich nun jeder Abgeordnete, der am Freitag gegen das "Sicherheitspaket" stimmen will, bei der Parlamentarischen Geschäftsführerin Katja Mast melden. Das ist bei wichtigen Abstimmungen zwar nicht ungewöhnlich. Dass anschließend jeder Abweichler von Fraktionschef Rolf Mützenich persönlich zum Einzelgespräch geladen werden soll, ist aber auch nicht ganz alltäglich.

Friedrich Merz und seine Unionsfraktion haben jedenfalls das Spaltpotenzial des "Sicherheitspakets" erkannt. Nach Informationen von t-online soll es am Freitagmorgen eine Sondersitzung der Fraktion geben. Das Ziel: ein möglichst vollständiger Auftritt bei der Abstimmung, um es der Ampel schwer zu machen – und das Paket im Zweifel sogar zu stoppen. Dann nämlich, wenn die Fraktionsführungen doch nicht genügend ihrer Abweichler überzeugen können.

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