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Anti-AfD-Demos: Können Massenproteste die Anhänger zurückgewinnen?


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Kampf gegen Rechtsextremismus
"Die Forschung zeigt: Das ist nicht klug"


Aktualisiert am 23.01.2024Lesedauer: 4 Min.
Protestierende am Sonntag in München: In der bayerischen Landeshauptstadt erklärte die Organisatorin der Demo CSU-Politiker für unerwünscht.Vergrößern des Bildes
Protestierende am Sonntag in München: In der bayerischen Landeshauptstadt erklärte die Organisatorin der Demo CSU-Politiker für unerwünscht. (Quelle: Sachelle Babbar/imago-images-bilder)
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Hunderttausende Menschen gehen in Deutschland gegen die AfD auf die Straße. Viele Demonstranten hoffen, damit der Partei den Nährboden zu entziehen. Aber lassen sich potenzielle AfD-Wähler durch Proteste überzeugen?

Das Bekanntwerden der rechtsextremen Pläne zur massenhaften Abschiebung von Migranten treibt die Menschen auf die Straße. Seit den Enthüllungen durch das Recherchenetzwerk "Correctiv" demonstrieren Hunderttausende in ganz Deutschland gegen die AfD. Mitglieder der Partei hatten an dem Treffen, auf dem die Pläne besprochen wurden, teilgenommen.

Viele Demonstranten treibt die Angst vor einer Machtübernahme der AfD um. Was für viele Bürger lange wie ein Schreckgespenst wirkte, könnte bald Realität werden: In Thüringen und Sachsen sehen Umfragen die Partei auf dem ersten Platz. Die etablierten Parteien rätseln derweil, wie sie die potenziellen AfD-Wähler zurückgewinnen sollen.

Können die Massenproteste helfen? Darüber spricht der Politikwissenschaftler und AfD-Experte Kai Arzheimer von der Universität Mainz im Interview mit t-online.

t-online: Herr Arzheimer, am Wochenende haben Hunderttausende gegen die AfD demonstriert. Lassen sich die Anhänger dieser Partei davon beeindrucken?

Kai Arzheimer: Das ist eine schwierige Frage. Diejenigen, die der Partei schon länger verbunden sind, wird man nun mit Demonstrationen nicht unbedingt zurückgewinnen können. Aber auf einen anderen Teil der AfD-Anhänger können die Hunderttausenden Menschen, die jetzt gegen die AfD auf die Straße gehen, schon einen Effekt haben.

Welche Anhänger meinen Sie?

Bei der Bundestagswahl 2021 hat die AfD rund zehn Prozent der Stimmen bekommen. Ich denke, dass sie der harte Kern der Wählerschaft sind. Diese Menschen wählen die AfD, weil sie Zuwanderung und eine multikulturelle Gesellschaft ablehnen. Gerade in Ostdeutschland sind darunter viele ehemalige NPD-Wähler. Wenn jetzt rechtsextreme Ansichten der Partei bekannt werden, stört sie das nicht. Derzeit steht die AfD aber in bundesweiten Umfragen bei 22 Prozent. Da sind also einige Leute dazugekommen, die ideologisch nicht völlig gefestigt sind und in der Vergangenheit eine andere Partei gewählt haben. Die könnten durch die Proteste und öffentliche Empörung noch mal zum Nachdenken gebracht werden.

Sind die Demonstrationen für Demokratinnen und Demokraten ein Weckruf, dass die Stunde geschlagen hat?

Auf jeden Fall. Die Proteste mobilisieren auch Menschen, die unzufrieden sind mit der aktuellen Politik. Leute, die sonst bei der Wahl zu Hause geblieben wären, aber jetzt verstehen: Es geht um mehr als nur die Frage, wer die bessere Politik für die Bauern macht oder welche Heizung eingebaut wird.

Ausgelöst hat die Demonstrationen ein Treffen in Potsdam, an dem unter anderem AfD-Funktionäre Pläne zur Massenabschiebung von Migranten geschmiedet haben sollen.

Das Treffen in Potsdam fasst zusammen, was man die letzten Jahre sehen konnte: Die AfD hat sich kontinuierlich radikalisiert. Sie ist als bürgerliche Mitte-Rechts-Partei gegen die Eurorettung unter Bernd Lucke gestartet. Auf Lucke folgten Frauke Petry, dann Jörg Meuthen als Vorsitzende, alle immer etwas rechter als ihr Vorgänger. Und alle haben die Partei verlassen, weil sie ihnen zu weit nach rechts rückte. Die öffentliche Debatte über das Treffen in Potsdam hat vielen Deutschen bewusst gemacht, wie sehr sich die AfD verändert hat.

An der NPD klebte das Stigma, in der Tradition der NSDAP zu stehen. Das hat viele Menschen davon abgehalten, sie zu wählen. Bei der AfD war das bislang anders. Ändert sich das nun?

Die AfD hat es lange geschafft, verschiedene Strömungen im rechten Spektrum zu vereinen. Björn Höcke war von Anfang an in der Partei. Vieles, was in Potsdam diskutiert wurde, stand schon in seinem Buch, das 2019 erschienen ist. Gleichzeitig hatte die Partei bis vor Kurzem Funktionäre wie Jörg Meuthen, der als Wirtschaftsprofessor ganz anders aufgetreten ist. Die AfD hat lange davon profitiert, beides zusammenzubringen. Das wird jetzt durch die Proteste schwieriger. Einem Teil der Leute wird nun klar: "Manche AfD-Politiker könnten trotz Anzug und Krawatte auch in der NPD sein und verfolgen ganz ähnliche Ziele."

Die AfD inszeniert sich als Kämpferin gegen eine vermeintliche links-grüne Elite. Spielt ihr da ein so breiter gesellschaftlicher Protest in die Karten, um sich als Opfer zu stilisieren?

Die AfD versucht, die Proteste als linksradikale Mobilisierung gegen sie umzudeuten. Ich glaube nicht, dass ihr das gelingen wird. Die Breite der Proteste zeigt, dass die AfD nicht für die schweigende Mehrheit spricht – anders als von ihr behauptet. Die AfD ist nicht das Volk, das Volk ist zu Hunderttausenden auf der Straße. Die AfD kann diese Menschen nur schwer in die links-grüne Ecke stellen.

Es gab am Wochenende Berichte von linken Gruppen, die die Proteste vereinnahmt haben sollen. In München etwa erklärte die Organisatorin CSU-Politiker für unerwünscht. Schadet das den Protesten?

Ja. Das könnte dazu führen, dass manche Leute nicht mehr zu den Protesten gehen. Das wäre schlecht. Bisher nehme ich das allerdings nicht als großflächiges Problem wahr.

 
 
 
 
 
 
 

Kritiker werfen CDU und CSU vor, durch einwanderungsfeindliche Rhetorik die AfD überhaupt erst salonfähig zu machen. Ist diese Kritik bei den Protesten fehl am Platz?

Diese Kritik kann man äußern. Die Union versucht, über das Migrationsthema Wähler im großen Umfang von der radikalen Rechten zurückzugewinnen. Die Forschung zeigt: Das ist nicht klug. Es führt nur dazu, dass Migrationspolitik noch wichtiger für die Wahlentscheidung wird. Das wiederum kommt rechtsradikalen Parteien zugute. Die Union sollte lieber ihre Wirtschaftskompetenz in den Vordergrund stellen. Generell gesagt. Wenn man aber mit den Demonstrationen etwas erreichen möchte, sollten die Organisatoren über diese Dinge hinwegsehen.

Für den Erfolg der Proteste ist es also unerlässlich, konservative Parteien und ihre Wähler mit einzubinden?

Das empfehle ich dringend. Man muss sich klarmachen: Es ist auch für die Union eine schwierige Situation. Mit der AfD gibt es eine Partei, mit der man Regierungen rechts der Mitte bilden könnte. Aber aus Gründen der Staatsräson arbeitet die Union nicht mit der AfD zusammen. Stattdessen muss sie Koalitionen eingehen, die manchmal unbequem sind. Da sollte man also Brücken zur Union bauen. Die Proteste sind eine Chance, dass sich die Parteien und ihre Anhänger an das Gemeinsame erinnern: das Grundgesetz.

Herr Arzheimer, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Kai Arzheimer
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