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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Scholz und Merz Die Zweck-Ehe
Am Freitag treffen sich der Bundeskanzler Olaf Scholz und der CDU-Chef Friedrich Merz erneut, um über Migration zu sprechen. Was hat es mit dieser Allianz auf sich?
Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) haben keine Bindung zueinander. Sie haben nie wirklich gemeinsam Politik gemacht. Haben nie miteinander verhandelt, sich nie schätzen gelernt. Sie duzen sich nicht. Und in ihrer Freizeit würden sie vermutlich eher kein Bier zusammen trinken gehen.
Das müssen sie auch nicht.
Wenn der Bundeskanzler und der Oppositionsführer sich nicht leiden können, ist das erst mal nicht schlimm. Immerhin ist es Merz' Job, Scholz zu kritisieren. Fehler bei ihm zu suchen. Scholz' Aufgabe besteht wiederum darin, Merz so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Dass die beiden Distanz zueinander wahren, ist erst mal zu erwarten.
Verwunderlich wird es jedoch, wenn sich Scholz und Merz nicht nur mehrfach innerhalb weniger Wochen treffen, sondern auch noch versuchen, gemeinsam die Migrationskrise zu lösen. Plötzlich fragt man sich: Will Scholz seine beiden Ampelpartner, FDP und Grüne, triezen? Oder will er sogar die Koalition wechseln und künftig mit der Union regieren?
Wie wahrscheinlich ist ein Regierungswechsel?
An diesem Freitag treffen sich Scholz und Merz zum dritten Mal in acht Wochen im Kanzleramt. Wieder, um über den Deutschlandpakt zu sprechen. Wieder wird es vor allem um die Frage der Migration gehen. Und wieder ist niemand von FDP oder Grünen anwesend. Kein Christian Lindner, kein Robert Habeck, keine Annalena Baerbock. SPD und Union reden allein.
Beim ersten Mal kam nur Merz. Beim zweiten Mal mit den Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU, Hessen) und Stephan Weil (SPD, Niedersachsen). Und dieses Mal ist der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, dabei.
Klingt sehr nach Großer Koalition.
In Wahrheit ist es zu diesem Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich, dass Scholz die Ampel wirklich platzen lässt. Der SPD-Politiker ist weder impulsiv, noch fehlt es ihm an Standfestigkeit. Vorher steigt einer der beiden Juniorpartner aus. Aber auch da müssten erst viele "Wenns" passieren. In der FDP läuft an der Basis zwar schon eine Unterschriftenliste gegen die Ampel. Am Ende entscheidet jedoch die Parteispitze. Und da sieht man es so: Unzufrieden regieren ist aktuell doch besser als nicht regieren.
Zumal Friedrich Merz auf der anderen Seite gar nicht darauf drängt, als Juniorpartner in eine Große Koalition einzusteigen. Der CSU-Parteivorsitzende Markus Söder mag vor Kurzem einen entsprechenden Vorschlag gemacht haben. Merz jedoch ist nicht der Typ, der sich andient. Vor allem dann nicht, wenn die Union in den Umfragen stärker ist als alle drei Ampelparteien zusammen.
Was haben Scholz und Merz hier zu gewinnen?
Am Ende könnte sich die Zusammenarbeit für beide Seiten lohnen, auch ohne miteinander zu koalieren.
Die Union prescht mit der Erklärung vor, Scholz brauche sie in Sachen Migration, um wirklich voranzukommen. Als der Kanzler im September die Zusammenarbeit für einen Deutschlandpakt vorschlug, spottete Dobrindt anschließend in der Generaldebatte: Scholz' Vorstoß zeige, dass der Kanzler für zentrale Fragen keine Mehrheit mehr sehe. Wenn die Koalition in weiten Teilen ausfalle, stehe die Union selbstverständlich für eine Zusammenarbeit zur Verfügung.
CDU und CSU können sich im Bund staatsmännisch geben, sich erstmals seit der verlorenen Bundestagswahl wieder in Verantwortung beweisen.
Besonders für Friedrich Merz ist das eine Chance. Der Mann aus dem Sauerland hat noch nie regiert. Immer wieder wird dem CDU-Chef vorgehalten, er könne nur Opposition. Jetzt kann er das Gegenteil beweisen. Hat er Erfolg, könnte das ausschlaggebend in der Kanzlerkandidatenfrage sein.
Scholz' Sicht der Dinge ist wiederum eine etwas andere.
Dass er die Union für Mehrheiten braucht? Dürfte aus seiner Sicht Quatsch sein. Dem Kanzler geht es um etwas anderes. Er gibt den Staatsmann, indem er zeigt, dass er die Migrationskrise parteiübergreifend lösen will. Auch jenseits der eigenen Regierung. Gelingt ihm das, geht er als erfolgreicher Krisenmanager aus dieser Legislatur. Die Union hätte er mit verhaftet. Ein doppelter Gewinn also.
Bislang keine konkreten Ergebnisse
Beide Seiten haben also gute Gründe, sich zu treffen, um über Lösungen in der Migrationspolitik zu sprechen. Zumal es nach wie vor eines der Themen ist, die den Bürgerinnen und Bürgern am meisten Sorgen bereiten.
Also: Wie weit sind sie bislang gekommen?
Die Wahrheit ist: noch nicht sehr weit.
Beim ersten Treffen ist bis heute unklar, warum Scholz Merz überhaupt eingeladen hatte. Da war noch nicht einmal klar, wie intensiv über Migration verhandelt werden sollte. Es war ein kurzer Besuch, aus dem der CDU-Chef irritiert zurückgekommen sein soll, so heißt es aus seinem Umfeld.
Beim zweiten Termin hat man sich schon etwas mehr Zeit genommen und konkreter miteinander gesprochen. Es gab Schnitzel und Bratkartoffeln. Man war sich einig über das Problem, bei der Lösung wollte man noch mal sehen. Merz hatte ein 26-Punkte-Papier mit Vorschlägen dabei, das er dem Kanzler jedoch erst unmittelbar vor seiner Abreise überreicht haben soll, so heißt es. Seitdem wartet die Union auf eine Reaktion.
Ob sich an diesem Freitag auf etwas Konkretes geeinigt wird? Am Montag trifft der Bund, also Scholz, wieder auf die Ministerpräsidenten der Länder. Da wird es um ähnliche Inhalte gehen. Aktuell sieht es nicht danach aus, dass vorher etwas Konkretes aus den Gesprächen entsteht. Wenn Scholz und Merz wollen, dass die Zusammenarbeit nicht als großer PR-Gag verstanden wird, sondern als gewinnbringend für die Demokratie, aber auch für die eigene Partei und einen selbst, dann muss zeitnah etwas aus den Treffen im Kanzleramt folgen.
Oder wie man in Hamburg sagt: "Jetzt mal Butter bei die Fische".
- Eigene Recherche