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Ampelkoalitionsausschuss: Nur Christian Lindner freut sich über Ergebnisse


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Ampelkoalition
Eine Partei musste besonders leiden


Aktualisiert am 30.03.2023Lesedauer: 5 Min.
Grünen-Chefin Ricarda Lang kommt nach dem Ende der Sitzung vom Koalitionsausschuss aus dem Bundeskanzleramt.Vergrößern des Bildes
Grünen-Chefin Ricarda Lang kommt nach dem Ende der Sitzung vom Koalitionsausschuss aus dem Bundeskanzleramt. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die Koalition hat sich geeinigt – nach fast 29 Stunden Verhandlungen. Die Ergebnisse sind durchaus umfangreich. Doch eine Partei musste viele Zugeständnisse machen.

Lars Klingbeil versucht es mal mit Optimismus. Da sei ja eine "doch etwas längere Sitzung des Koalitionsausschusses" gewesen, sagt der SPD-Chef am Dienstagabend, da ist es gerade kurz vor 20 Uhr. Aber nun, sagt Klingbeil, sei man "hochzufrieden" und habe "ein ganzes Bündel an wichtigen Maßnahmen" dabei.

Christian Lindner kann dem Verhandlungsmarathon sogar noch etwas mehr abgewinnen. Es habe "Freude gemacht, sich einmal vertieft auszutauschen", behauptet der FDP-Chef. Und versucht sich sogleich als Dichter: "Man schweigt sich auseinander, und man diskutiert sich zusammen." Nun ja.

So viel Euphorie hat Ricarda Lang, die Chefin der Grünen, offenbar nicht mehr übrig: "Das waren auf gar keinen Fall einfache Verhandlungen", sagt sie.

Fast 29 Stunden saßen die Ampelspitzen diesmal im Kanzleramt. Am Sonntagabend um 18.30 Uhr ging es los, am Montagmittag musste unterbrochen werden, weil das halbe Kabinett einen Termin bei der niederländischen Regierung hatte. Dienstagfrüh um 10.15 Uhr ging es dann weiter, rund neun Stunden später stand die Einigung.

Das ist für die Koalition ein Rekord. Aber sind die Ergebnisse auch rekordverdächtig? "Es wird sich gelohnt haben", hatte Scholz noch am späten Dienstagnachmittag in schönstem Futur II versprochen, als er zwischendurch mal eben Kenias Präsidenten William Ruto im Kanzleramt empfangen hatte. Und dann auch noch beim Bund der Vertriebenen vorbeischaute, so als sei gar nichts Besonderes los.

Doch hat sich all die Arbeit wirklich gelohnt? Und für wen der drei Ampelpartner am meisten?

Es gibt ein paar Überraschungen

16 Seiten lang ist das Papier, das SPD, FDP und Grüne in den langen Stunden im Kanzleramt erarbeitet haben. "Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung" steht drüber. Längst nicht alles ist neu und folgenreich, vieles aber eben doch.

Schon abgezeichnet hatte sich während der Verhandlungen, dass die Ampel nun viele Autobahnprojekte ebenfalls schneller planen und genehmigen will, weil auch sie im "überragenden öffentlichen Interesse" liegen sollen. Es werden zwar keine neuen Autobahnen rascher als bislang gebaut, aber 144 Engpässe sollen zügig beseitigt werden – also Strecken etwa von zwei auf drei Spuren erweitert werden. So hatte das die FDP schon vor Monaten vorgeschlagen.

Zugleich soll "kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden, ohne die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen", heißt es im Papier. So sollen vor allem mehr Solaranlagen entstehen. Und: Den CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut wolle man ab nächstem Jahr "sehr überwiegend dafür verwenden, in die Schiene zu investieren", sagt Lindner.

Das Klimaschutzgesetz wird ebenfalls erheblich verändert. Jeder Sektor, also etwa Verkehr, Wohnen und Industrie, soll zwar auch künftig seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Aber die Sektoren sollen sich fortan gegenseitig "helfen können", wie Lindner es formuliert. Es wird – grob gesagt – weniger streng für die einzelnen Sektoren. Künftig zählt vor allem, was insgesamt hinten rauskommt.

Im Heizungsstreit einigten sich die Koalitionäre nach eigenen Aussagen vor allem auf den Kompromiss, der sich schon länger abgezeichnet hatte. Das 16-Seiten-Papier bleibt an der Stelle unkonkret, so wie an einigen anderen Stellen auch. Nichts Greifbares erreicht haben die Koalitionäre bei der Kindergrundsicherung. Die Grüne wollen zwölf Milliarden Euro dafür, die FDP um Finanzminister Christian Lindner nur zwei oder drei Milliarden.

Der Bundeshaushalt wird nicht nur deshalb auch künftig noch zu viel Streit führen. Von rund 70 Milliarden Euro hatte Lindner zuletzt gesprochen, die die Ampelminister zu viel veranschlagt hätten. Viele werden sich also voraussichtlich noch von lieb gewonnenen Projekten trennen müssen. Wohl selten freiwillig und ohne lauten Widerspruch. Auch da hat der Koalitionsausschuss keine Lösungen produziert.

Grüne Zugeständnisse

Für die Grünen enthalten die Beschlüsse vom Dienstag einige bittere Kompromisse. Mit der beschleunigten Planung und Genehmigung von Autobahnprojekten akzeptieren sie nun das, was sie noch vor einigen Wochen im Koalitionsausschuss vehement abgelehnt hatten. "Das war für uns kein einfacher Punkt", gestand Grünen-Chefin Lang am Dienstagabend ein.

"Wer alles priorisiert, der priorisiert am Ende gar nichts", hatte die grüne Umweltministerin Steffi Lemke vor Kurzem noch im Gespräch mit t-online gesagt. Es gehe nicht, "in Zeiten von Klima- und Artenkrise die Standards beim Umwelt- und Naturschutz abzubauen, um schneller Autobahnen errichten zu können". Die Grünen gaben sich hartleibig.

Doch ihr Widerstand bröckelte schon am Sonntagabend. "Jeder wird mal über seinen Schatten springen müssen", hatte Grünen-Chefin Ricarda Lang vor dem Beginn des Koalitionsausschusses mehrfach gesagt. Da wollten sie nun offenbar selbst mit einem großen Satz vorlegen. Wenn einige Hundert Kilometer Autobahn schneller gebaut würden, scheitere daran noch nicht der Klimaschutz im Verkehr, lautet nun das Argument.

Nur wird das die eigenen Klima- und Umweltpolitiker, die Umweltverbände und Klimaaktivisten kaum beruhigen. Sie müssen einmal mehr die sprichwörtlichen Kröten schlucken und ihre Enttäuschung am besten gleich mitverdauen.

Christian Lindner freut sich

Die ist auch bei den Änderungen des Klimaschutzgesetzes schon jetzt groß. Der Kanzler habe auf Wunsch der FDP "eine Schwächung des von ihm noch mitbeschlossenen Klimaschutzgesetzes zugelassen", sagt Sascha Müller-Kraenner, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, t-online. Scholz verabschiede sich damit als Klimakanzler.

Ob es für die Grünen und ihre Anhänger da als Ausgleich reicht, dass der CO2-Aufschlag der Lkw-Maut nun als Investition in die Schiene fließen soll und mehr Solaranlagen an Autobahnen entstehen, bleibt abzuwarten.

Von einem "sehr erfolgreichen Koalitionsausschuss" sprach die Grünen-Chefin Ricarda Lang jedenfalls nicht – sondern FDP-Chef Christian Lindner. Er freute sich neben der Planungsbeschleunigung für die Autobahnen und dem zusätzlichen "Raum für marktwirtschaftlichere Ergebnisse" im Klimaschutzgesetz auch noch über eine "nationale Strategie für E-Fuels" inklusive Steuervergünstigungen für entsprechende Autos.

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Wo ist der "Klimakanzler"?

Für die Zukunft der Koalition lässt das nichts Gutes erwarten. Die Grünen werden weiterhin auf mehr Klimaschutz dringen. Weil sie überzeugt sind, dass das notwendig ist, aber desgleichen aus Gründen des reinen Selbsterhalts. Denn dafür wollen sie gewählt werden.

Dabei geraten sie nicht mehr nur mit der FDP in Konflikt, die den Markt und den CO2-Emissionshandel am liebsten einfach machen lassen würde. Sondern auch mit der SPD. Grüne beklagten sich während des Koalitionsausschusses, dass aus dem Kanzleramt zum Teil noch ambitionslosere Vorschläge kämen als von Verkehrsminister Volker Wissing.

Dass sich Scholz im Wahlkampf zum "Klimakanzler" kürte, empfinden die Grünen schon länger nur noch als schlechten Scherz. Und ihre Verhandler zeigten sich auch jetzt wieder desillusioniert darüber, dass sie mit FDP und SPD in der Nacht noch einmal die Grundlagen der Klimakrise hätten durchsprechen müssen.

Hinzu kommt, dass Grüne und FDP zunehmend genervt sind, dass sie zwar Führung bestellen beim Kanzler, der aber nicht liefere. Anders als er es mal versprochen hatte. Grünen-Politiker Anton Hofreiter wurde vor einigen Tagen im ZDF überdeutlich, als es um den mittlerweile weitgehend beigelegten Streit um das Verbrenner-Aus ging. Das Kanzleramt sei "das Hauptproblem", sagte Hofreiter. "Am Ende kann der Kanzler nicht unbeteiligt danebenstehen."

Enttäuschte Erwartungen

Das zeigt, wie gereizt die Stimmung bereits war, bevor der Koalitionsausschuss begann. Und klar, es gibt jetzt ein Ergebnis. Immerhin. Aber kann ein so mühsamer Weg wirklich für Aufbruch in der Ampel sorgen? Zweifel sind angebracht. Und die bemüht schönen Worte der Parteichefs geben eher Anlass für zusätzliche Skepsis.

Das Problem der Koalition ist nicht, dass ihr trotz schier endloser Verhandlungen nicht der ganz, ganz große Wurf gelungen ist. Das ist in der Politik eher die Regel als die Aufnahme. Das Problem der Ampel ist vielmehr, dass sie zu Beginn der Koalition ganz, ganz große "Wir machen es besser"-Erwartungen geweckt hat. Und nun zeigt sich eben, dass die aktuell regierenden Politiker doch nicht so anders als ihre Vorgänger und Vorvorgängerinnen sind.

Und was die interne Dynamik der Koalition angeht: Da entpuppen sich die jeweiligen Partner zusehends als deutlich weniger attraktiv als zu Beginn gedacht. Oder anders formuliert: Man hat sie sich schlicht schöngeredet.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
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