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Deutsche Nachrichtendienste: Wie BND, BfV und MAD sich verändern müssen


Zukunft der deutschen Nachrichtendienste
"Besser als ihr Schlapphut-Image"


18.03.2025 - 18:28 UhrLesedauer: 5 Min.
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BND-Präsident Bruno Kahl (Archivfoto): Der BND muss sich verändern. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa-bilder)
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Die deutschen Nachrichtendienste konnten sich lange auf die USA verlassen. Das steht nun infrage, dafür erhalten sie mehr Geld. Wie steht es also um die Zukunft der deutschen Spionageabwehr?

Wenn in Deutschland in den vergangenen Jahren ein Anschlag erfolgreich vereitelt wurde, hieß es nicht selten, dass man Informationen von ausländischen Nachrichtendiensten erhalten habe, die die deutschen Kollegen gewarnt hätten. Oftmals kamen diese Erkenntnisse aus den USA, deren Geheimdienste weltweit operieren und für die westliche Welt stets eine Art Grundsicherung waren.

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Doch diese Verlässlichkeit bröckelt durch den aktuellen Kurs der neuen Regierung von Donald Trump. Alte Bündnisse scheinen plötzlich weniger verlässlich zu sein, es gibt Sorge um die Zukunft der Nato, und auch die Zusammenarbeit der Geheimdienste scheint plötzlich nicht mehr für die Zukunft nicht mehr gesichert zu sein.

In diesen Zeiten haben die Grünen in Verhandlungen mit der Union und der SPD nun erreicht, dass auch Ausgaben für die deutschen Nachrichtendienste größtenteils von der Schuldenbremse ausgenommen werden – ebenso wie Investitionen in die Bundeswehr, die Cybersicherheit, den Zivilschutz und Militärhilfe für die Ukraine. Das Geld können die Nachrichtendienste gut gebrauchen, denn in den kommenden Jahren stehen zahlreiche Herausforderungen an – von deutlich mehr zusätzlichem Personal bis hin zu Satelliten.

"Haben Nachrichtendienste, keine Geheimdienste"

Allerdings wird es in Deutschland auch mit neuen Investitionen keinesfalls Geheimdienste nach US-amerikanischem Vorbild geben. Der Jurist und Nachrichtendienstexperte Markus Ogorek verdeutlicht: "Die deutschen Nachrichtendienste haben nicht ansatzweise die finanziellen Mittel und technischen Kapazitäten, um mitzuhalten." Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen den Diensten in den USA und Deutschland, erklärt Ogorek: "Wir haben Nachrichtendienste und keine Geheimdienste." Das bedeutet, der Bundesnachrichtendienst (BND) kann zwar feststellen, wenn beispielsweise ein Schiff mit militärischen Gütern in Richtung Iran unterwegs ist, aber nicht aktiv eingreifen und Maßnahmen gegen das Schiff einleiten.

Markus Ogorek: Der Rechtswissenschaftler findet, dass die Formulierung noch akzeptabel ist.
(Quelle: Universität Köln)

Zur Person

Prof. Dr. Markus Ogorek ist Rechtswissenschaftler an der Universität zu Köln. Er ist dort Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, wo die Forschungsstelle Nachrichtendienste angesiedelt ist. Sein Schwerpunkt ist das Nachrichtendienstrecht.

Ähnliche Einschränkungen wie für den Auslandsnachrichtendienst BND gelten auch für die anderen deutschen Nachrichtendienste, den Bundesverfassungsschutz, den Inlandsnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst (MAD), der für die Bundeswehr zuständig ist.

Die Regelungen schränken die Nachrichtendienste ein. BND-Präsident Bruno Kahl forderte deshalb zuletzt immer wieder die Berechtigung für Hackbacks bei der Cyberabwehr, also schädliche Software auf feindlichen Systemen zu installieren. Bisher darf Deutschland lediglich Cyberangriffe abwehren. Auch die internationale Zusammenarbeit und die Kommunikation mit der Bundeswehr sei erschwert, erklärt Ogorek. Die gesetzliche Grundlage für die MAD-Arbeit stammt zudem aus dem Jahr 2004 und ist nicht heutigen Herausforderungen angepasst.

Von Notz fordert neue Rechtgrundlagen

Problematisch ist laut Ogorek zudem die hohe Kontrolldichte für die deutschen Nachrichtendienste. Zwar sei die Kontrolle wichtig und vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben, in ihrer jetzigen Form binde sie aber zu viele personelle Ressourcen und schränke die Reaktionsfähigkeit ein. "Wir brauchen eine Neujustierung der Kontrolle." So heißt es innerhalb der Dienste oftmals spöttisch: "Wir sind die am besten kontrollierten Nachrichtendienste der Welt." Neben dem Bundesverfassungsschutz gibt es 16 Landesverfassungsämter, die jeweils einer eigenen Kontrolle unterstehen und teils ähnliche Sachverhalte untersuchen, wie das übergeordnete Bundesamt.

Im juristischen Bereich sieht auch Konstantin von Notz Nachholbedarf. Der Grünen-Abgeordnete und Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste sagt t-online, die Geheimdienste bräuchten "Rechtsgrundlagen, die ihnen die notwendige Sicherheit für ihre tägliche Arbeit bieten". Dazu zähle eine stärkere Einbeziehung von Wissenschaft, Forschung und Know-how der Zivilgesellschaft.

Auch Experte Ogorek befürwortet die Ausweitung des Schuldenpakets auf die Geheimdienste. "Das ist ein begrüßenswerter und konsequenter Schritt. Es wäre insbesondere kaum nachvollziehbar gewesen, wenn der BND von den Sonderausgaben für die Verteidigung ausgenommen worden wäre, obwohl er als Deutschlands militärischer Nachrichtendienst wertvolle Informationen für die Bundeswehr liefert."

Wichtig ist für den Grünen-Politiker von Notz nach dem Verhandlungserfolg zudem: "Um ihre wichtige Arbeit im Dienste von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leisten zu können, brauchen die Dienste eine gute personelle wie technische Ausstattung."

"Wir brauchen eine Personaloffensive"

Gerhard Conrad, Vorstandsmitglied des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland und ehemaliger BND-Mitarbeiter, fordert, insbesondere in das Personal müsse nun verstärkt investiert werden. "Wir brauchen eine Einstellungsoffensive von technischen Spezialisten bis zu Naturwissenschaftlern." Es benötige eine Einsatzfähigkeit von 24 Stunden an sieben Tagen die Woche. Er spricht von einer Verdoppelung bis Verdreifachung in einigen Bereichen – insbesondere dort, wo Daten ausgewertet werden.

Gerhard Conrad: Der frühere BND-Mitarbeiter hofft, dass die "Zeitenwende" Erfolg haben wird.
Gerhard Conrad: Der frühere BND-Mitarbeiter hofft, dass die "Zeitenwende" Erfolg haben wird. (Quelle: privat)

Zur Person

Dr. Gerhard Conrad war Direktor beim Bundesnachrichtendienst. Er leitete zudem das Intcen (EU Intelligence Analysis Centre) des Europäischen Auswärtigen Dienstes in Brüssel. Darüber hinaus ist er Visiting Professor am King’s College London und seit 2020 Mitglied im Vorstand des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland.

Dazu brauche es starke finanzielle Anreize, um hochqualifizierte Menschen in die Nachrichtendienste zu bringen. Alternativ müsse man junge Menschen vermehrt ausbilden. Jurist Ogorek macht sich deswegen allerdings wenig Sorgen."Die Nachrichtendienste erhalten viele Bewerbungen, auch weil sie mittlerweile auf modernes Recruiting setzen." Der BND erregte beispielsweise mit seiner Kampagne "Wir suchen Terroristen (m/w/d)" viel Aufmerksamkeit.

Er schränkt aber ein: "Da die Sicherheitsüberprüfung allerdings ein Jahr und länger dauern kann, gehen viele Kandidaten wieder von Bord. Und natürlich betrifft der allgemeine Mangel an Naturwissenschaftlern auch die Dienste."

Deutschland ist Angriffen dennoch nicht hilflos ausgeliefert. "Trotz aller Einschränkungen sind die deutschen Nachrichtendienste besser als ihr öffentliches Schlapphut-Image", sagt Ogorek. Auch wenn Deutschland oftmals entscheidende Informationen von verbündeten Geheimdienste erhalte, sei dies keine einseitige Leistung. Deutschland gebe entsprechende Hinweise ebenfalls weiter. Zudem habe insbesondere der Bundesverfassungsschutz zuletzt deutlich an Personal hinzugewonnen.

Künstliche Intelligenz wird zum Schlüssel

Allerdings müssen die Nachrichtendienste insbesondere auch technisch nachrüsten. Den größten Nachholbedarf gibt es wohl bei Satelliten. Dort ist Deutschland auf US-amerikanische Aufklärungsdaten angewiesen. Alleine könne Deutschland das laut dem Ex-BND-Direktor Conrad nicht stemmen, dazu brauche es eine europäische Anstrengung. Und auch die benötige mindestens zwei bis vier Jahre.

Dennoch sei es wichtig, sich so wenig wie möglich auf die USA als Partner zu verlassen. Dazu rät auch der Rechtswissenschaftler Ogorek, schränkt allerdings ein, dass sich die USA wohl kaum unmittelbar aus der internationalen Geheimdienstkooperation zurückziehen. Gemeinsam bilden sie mit Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland das Bündnis "Five Eyes", der wichtigste Zusammenschluss des Westens in diesem Bereich. Auf die Erkenntnisse der dortigen Partner könnten auch die Vereinigten Staaten nicht verzichten.

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Doch nicht nur die Partner ändern sich, auch Anforderungen an Geheimdienste sind im Wandel. Hybride Kriegsführung bringt neue Herausforderungen mit sich: Drohnen, Schiffe, die Tiefseekabel durchtrennen, neue Arten von Spionage. So sind sich die Experten einig, dass die Abwehr von Spionage weiter eine der Hauptaufgaben sein muss.

Eine große Rolle dabei dürfte auch die Künstliche Intelligenz spielen, insbesondere bei der Auswertung der immer größer werdenden Datenmengen. "Unsere Nachrichtendienste sind vor allem Datenverarbeitungsbetriebe", verdeutlicht Ogorek. Für möglicherweise in der Zukunft erlaubte Gegen-Hackerangriffe sei die Technik aber ebenfalls wichtig.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Markus Ogorek
  • Gespräch mit Gerhard Conrad
  • Exklusives Statement von Konstantin von Notz
  • Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e. V.: "Wenn nicht jetzt, wann dann?? Konsequenzen für die Nachrichtendienste aus der 'zweiten Zeitenwende'"

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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