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Das Geheimnis des beliebtesten Ministerpräsidenten Daniel Günther


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Das Geheimnis des beliebtesten Ministerpräsidenten

Von Lisa Becke

Aktualisiert am 07.05.2022Lesedauer: 6 Min.
Ministerpräsidenten bei der Sondersitzung des Bundestags: Brandenburgs Dietmar Woidke, Berlins Franziska Giffey und Schleswig-Holsteins Daniel Günther (von links).Vergrößern des Bildes
Dietmar Woidke, Franziska Giffey und Daniel Günther in der Sondersitzung des Deutschen Bundestages anlässlich des Krieg (Quelle: F. Kern/Future Image/imago-images-bilder)
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Die Wahl in Schleswig-Holstein gilt schon im Vorfeld als entschieden – so beliebt ist der amtierende Ministerpräsident Daniel Günther selbst bei Anhängern anderer Parteien. Wie macht er das?

Mit dem Slogan "Unser Ministerpräsident" wirbt Daniel Günther auf einem Plakat um seine Wiederwahl in Schleswig-Holstein – und diese Aussage scheint zu reichen: Kurz bevor das Land am Sonntag wählt, liegt seine Partei in den Umfragen mit 38 Prozent weit vorn. Gemeint ist die CDU, obwohl die Bezeichnung "Günther-Partei" fast treffender wäre. Klingt übertrieben?

Der 48-Jährige ist laut einer aktuellen Befragung derzeit der beliebteste Ministerpräsident Deutschlands, drei Viertel der Menschen in Schleswig-Holstein sind mit ihm zufrieden. Könnte man den Ministerpräsidenten direkt wählen, würden das über 60 Prozent der Schleswig-Holsteiner tun. Selbst SPD-Anhänger bevorzugen offenbar mehrheitlich den Amtsinhaber und nicht ihren eigenen Kandidaten.

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Angesichts dieser Werte dürften viele andere in der Politik vor Neid erblassen. Wie hat Günther das geschafft? Immerhin galt er doch 2017 nach dem überraschenden Rückzug des eigentlichen Spitzenkandidaten Ingbert Liebing auch vielen in der eigenen Partei nur als "Notnagel". Eine Suche nach dem Günther-Geheimnis.

► Sein Image: Der Schwiegersohn

Es ist Wahlkampf, und auf dem Marktplatz von Elmshorn will eine Frau mit grauem Bob und roter Brille genauer wissen, was das denn nun bringen soll, Waffenlieferungen an die Ukraine, so ist es in einem Video der Veranstaltung zu sehen: "Hat das denn überhaupt eine Chance, gegen so ein großes Russland?", fragt sie den Ministerpräsidenten.

Günther erklärt: "Der versteht halt leider nur die Sprache der Stärke", und meint den russischen Präsidenten Putin. "Der reagiert nur darauf, wenn er merkt, dass er Widerstand bekommt."

Auch bei solchen Gesprächen wirkt er interessiert, zugewandt, nicht überheblich. "Moin zusammen", sagt Günther oft zur Begrüßung. Er zeigt sich nahbar, was viele in der Politik versuchen, aber nur wenige schaffen. Ihm gelingt es.

"Sich das zu bewahren, ist, glaube ich, sehr schwierig als Ministerpräsident. Aber er scheint ein Talent dafür zu haben", sagt der Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen von der Uni Kiel.

So kommt eigentlich kein Günther-Text ohne das Wort "Schwiegersohn" aus. Während Ministerpräsidenten oft scherzhaft als "Landesväter" bezeichnet werden, sehen viele in ihm eher den Typ "Schwiegersohn", den man selbst gern hätte. Vielleicht sei er so etwas wie ein "Landesschwiegersohn", soll der frühere SPD-Fraktionschef im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Ralf Stegner, über ihn gesagt haben.

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► Sein Stil: Der Präsident

Dazu kommt: Er wirkt nicht verbissen, sondern pragmatisch. "Das ist, was in Schleswig-Holstein geschätzt wird", sagt Wissenschaftler Knelangen. Am überwiegend geräuschlosen Funktionieren des herausfordernden Bündnisses aus CDU, Grünen und FDP hat der Regierungschef seinen Anteil. Er könne zuhören und vermitteln, bei Sitzungen werde er nie laut, so dringt es nach draußen. Es helfe in der Politik nichts, "laut herumzuschreien", hat Günther einmal gesagt. Es gehe immer darum, "Menschen zu überzeugen" und "Meinungen zusammenzuführen".

Weil er ein Bündnis führt, das verschiedene politische Lager vereint, stehen Kompromisse auf der Tagesordnung. Die Kieler Karibik-Koalition 2017 überhaupt zu bilden, war nicht einfach – und so einigten sich die Koalitionäre zu Beginn darauf, Konflikte nicht an die Öffentlichkeit zu tragen. "Das ist eigentlich über die gesamte Legislatur ganz gut geglückt", sagt Experte Knelangen, der zur Jamaika-Koalition im Norden geforscht hat.

Weil es Günther gewohnt sei, dass Kompromisse auch mit ehemaligen politischen Gegnern geschlossen werden, wirke er fast überparteilich, präsidentiell. Und wie jemand, der sich nicht im parteipolitischen Klein-Klein bewegt – obwohl er ein CDU-Parteigewächs ist, mit 21 Jahren der Jungen Union Eckernförde beitrat, Landesgeschäftsführer und Fraktionschef wurde.

► Seine Inhalte: Der Farblose

Geräuschlos, so funktioniert nicht nur seine Koalition, sondern auch Günther als Ministerpräsident: Man verbindet ihn nicht mit Kontroversen oder scharfen inhaltlichen Auseinandersetzungen. "Ich glaube, dass seine Beliebtheit vor allem auch darauf zurückzuführen ist", sagt Knelangen.

Es gilt: Günther zeigt als Ministerpräsident eher selten klare politische Kante. Das war anders, als er noch Oppositionspolitiker war: Da legte er etwa vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise einen Antrag für Schweinefleischgerichte in Kantinen vor, was ihm den Vorwurf des Rechtspopulismus einbrachte.

Heute steht Günther für eine liberal-progressive CDU. Und zeigt sich sehr anpassungsfähig. "Seine große Beliebtheit ist auch das Ergebnis einer gewissen Form von Farblosigkeit", sagt der Wissenschaftler. Denn abgesehen von der Pandemie, während der er sich als erfolgreicher Krisenmanager profilierte, gebe es wenige Themen, die sich mit Günther verbinden lassen – und noch weniger, von denen man sagen könnte: Dafür setzt er sich in herausragender Weise ein. So dürfte es auch den Wählern gehen.

► Warum funktioniert das?

Doch warum funktioniert diese Strategie für Günther so gut, warum ist "farblos" so beliebt? Man könnte aus Wählersicht schließlich genau andersherum argumentieren: Inhaltlich hat er gar nicht viel zu bieten, könnten die Schleswig-Holsteiner sagen – und gegen ihn stimmen.

Hier kommen Umstände ins Spiel, auf die Günther keinen Einfluss hat, die aber zu seinem Erfolg beitragen dürften. Erstens ist da eine allgemeine Krisenstimmung, die sich oft zum Vorteil für denjenigen auswirkt, der regiert. "Auch die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein ahnen sehr deutlich, dass sich die Dinge in vielen Bereichen nicht zum Vorteil gestalten werden – die Preise steigen, die Wirtschaft ist stark unter Druck, die Energiesicherheit ist nicht mehr gegeben", sagt Knelangen.

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In einer solchen Situation gibt es häufig keine Stimmung für einen Wechsel im Land. Denn da rückt vor allem die Frage in den Mittelpunkt: Wem traue ich als Wähler die Führung des Landes in den nächsten Jahren zu? "Da hat natürlich immer derjenige den Vorteil, der sagen kann: Ich mache das schon eine ganze Weile, und ich habe es ja gar nicht so schlecht gemacht", sagt der Experte – Amtsinhaber-Bonus wird das oft genannt. Ministerpräsident Günther sagt: "Bei mir wissen, glaube ich, viele Menschen, was sie an mir haben." Das Motto, mit dem er im Wahlkampf wirbt: "Kurs halten".

Das funktioniert doppelt gut, weil sich die SPD mit ihrer Wahlkampf-Strategie eher schwertut, erklärt Knelangen: Diese rückte das Thema ökologische Transformation in den Mittelpunkt und warf der Regierungskoalition Tatenlosigkeit vor – noch mehr Anstrengungen, noch mehr Umbrüche? Lieber nicht, dürften da viele in Schleswig-Holstein denken. "Die Strategie ist nicht aufgegangen", urteilt der Politikwissenschaftler.

Zudem regierte Günther die letzten Jahre gemeinsam mit den Grünen, die stark mit dem Thema Klimaschutz verbunden werden – und deren Spitzenkandidatin Monika Heinold, die momentan Finanzministerin ist, den amtierenden Ministerpräsidenten deshalb nur zögerlich angriff. Mit scharfer Kritik hätte sie sich zu sehr selbst geschadet.

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Zudem gibt es, auch durch den Krieg in der Ukraine, parteiübergreifende Einigkeit in vielen Klima- und Energiefragen. So sehen beispielsweise auch CDU und FDP in der Energiewende eine fast einmalige Chance für das Bundesland, als Windkraftproduzent zu Wohlstand zu kommen.

► Seine Strategie: Der Demobilisierer

Prinzipielle Trennlinien sind generell schwer auszumachen – dazu trägt auch eine Strategie Günthers im Wahlkampf bei: Er betreibe eine Form von Demobilisierung, sagt Knelangen. "Wenn der SPD-Herausforderer Thomas Losse-Müller ihn bei bestimmten Themen angreifen will, etwa bei den Kita-Gebühren, sagt Günther: 'Ihr wollt eigentlich das Gleiche wie wir, da gibt es gar keinen so großen Konflikt'", so der Politikwissenschaftler.

Günther sorgt damit dafür, dass Themen nicht polarisieren. Wenn der Herausforderer der SPD also nicht hinreichend deutlich machen kann, warum es einen so großen Unterschied machen würde, wäre er der Ministerpräsident – dann denken wohl viele Wähler: Da kann ich auch mein Kreuz gleich bei Günther und der CDU machen.

Wohin trägt ihn das Erfolgsrezept?

Das alles könnte den Ministerpräsidenten noch weit bringen: Gewinnt er diese Wahl so deutlich wie es aussieht, wird er wohl zum politischen Schwergewicht – und könnte damit auch in der Bundespolitik wichtiger werden. Es ist etwa gut möglich, dass er dann für die CDU auch bei der nächsten Bundestagswahl zumindest zur Debatte stehen wird, da sind sich viele Beobachter einig.

Und auch im Hier und Jetzt ist Günther für die CDU von Bedeutung: Die Partei lechzt nach der Niederlage bei der Bundestagswahl und dem Amtswechsel im Saarland nach einem Erfolg – auch als Zeichen für die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen in der Woche darauf. Günther wird der Partei den Erfolg wohl bescheren, danach sieht alles aus – mit seiner Formel, die zumindest in Schleswig-Holstein, zumindest im Moment, aufgeht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Wilhelm Knelangen am 2.5.2022
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