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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Talk bei "Markus Lanz" Röttgen kontert Laschets Kritik an Corona-Grenzwerten
Landrat Bernhard drückt mit Corona-Schnelltests die Inzidenz im Landkreis Böblingen unter 35. Wie, das erklärt er bei Lanz. Keine Erklärung hat dagegen Röttgen für Laschets Kritik an den Grenzwerten.
Die Gäste
- Norbert Röttgen (CDU), Chef des Auswärtigen Ausschusses
- Roland Bernhard, Landrat aus dem Kreis Böblingen
- Elmar Theveßen, ZDF-Amerikakorrespondent
- Helene Bubrowski, Juristin und Journalistin "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
- Corinna Milborn, in Wien lebende Journalistin
Warum gibt es in Deutschland nicht schon längst kostenlose Massen-Schnelltests für alle Bürger? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sie am Dienstag endlich angekündigt. Spahn begründete den Zeitpunkt in dem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland so: "Es sind mittlerweile deutlich mehr Schnelltests am Markt verfügbar." Aber warum ist Deutschland hier so weit hinter anderen europäischen Ländern hinterher?, fragte Markus Lanz am Dienstagabend in seiner Sendung. Dass es längst auch anders ginge, beweist der Landkreis Böblingen. Landrat Roland Bernhard bietet seit einer Woche kostenlose Corona-Schnelltests an. Die Folge: Die Inzidenz ist unter den kritischen Wert von 35 gefallen.
Die bundesweiten kostenlosen Tests sollen laut Spahn ab 1. März kommen. Das ist fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Corona-Reisewarnung der Bundesregierung. In Böblingen ging das alles fixer. Für die rund 400.000 Einwohner stehen mittlerweile schon fünf Schnelltest-Zentren zur Verfügung, wie Landrat Bernhard bei Lanz berichtete. Zum Teststart vor Weihnachten hätten die Leute noch 30 Euro zahlen müssen. Das habe aber viele Menschen abgeschreckt. Also entschloss sich der Kreistag zu einem Pilotversuch und übernimmt testweise einen Monat lang die Kosten – schätzungsweise eine Viertelmillion Euro, so Benrhard.
Kostenlose Corona-Tests in Böblingen
Das Angebot wurde in der ersten Woche gut angenommen, überfordert die Testzentren aber nicht, wie der baden-württembergische Landrat berichtete: "Die Zahlen steigen, aber es gibt keinen Run." Die Testzentren waren ihm zufolge bereits seit dem Start gut nachgefragt. Das liegt vermutlich auch an den bequemen Abläufen. Einwohner können per App ihren Termin buchen, werden ohne Warteschlange getestet und erhalten 30 Minuten später zu Hause digital ihr Ergebnis. Alles unter Einhaltung des Datenschutzes, versicherte Bernhard: "Ich glaube, das ist schon etwas Besonderes."
Die Strategie scheint aufzugehen. Laut Lanz lag die Inzidenz in dem Landkreis am Freitag noch bei 46. Am Wochenende fiel sie lokalen Medienberichten zufolge deutlich unter den entscheidenden Wert von 35, ab dem wieder Lockerungen möglich sein sollen. Am Montag wurde eine Inzidenz von 36,1 gemeldet. In den Schnelltest-Zentren wurden laut dem Landrat bislang 125 Infektionen bei Menschen ohne jede Symptome diagnostiziert. 125 unterbrochene Infektionsketten, lobte Lanz. "Eine kleine Zahl, aber in der Wirkung riesengroß. Das ist auch eine Erklärung, warum wir die Drei im Inzidenzwert vorne stehen haben", sagte der Lokalpolitiker.
Ob das "Böblinger Modell" auch bundesweit anwendbar wäre, müsse "die hohe Politik entscheiden". "Ich kann nur sagen: Solange wir im Schneckentempo impfen, müssen wir die Testungen hochfahren", mahnte Bernhard. "Wir müssen lernen, dass neben den AHA-Regeln die Schnelltestungen einen ganz wichtigen Schlüssel darstellen. Das hat die Politik noch nicht erkannt." Kostenlose Schnelltests für alle Bürger sind nach Ansicht des Lokalpolitikers aber erst der Anfang. Er forderte eine stabile Infrastruktur, die nicht bloß auf Apotheken und Hausärzte setzt: "Uns fehlen die Schnelltest-Zentren, da vermisse ich die große Linie."
Röttgen contra Laschet
Thema in der ZDF-Talkshow war selbstverständlich auch der Corona-Eklat um CDU-Parteichef Armin Laschet. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hatte auf einer Veranstaltung gesagt: "Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet."
- Kommentar: Laschets Äußerungen sind brandgefährlich
Zwar war Laschets Aussage weniger auf den konkreten Inzidenzwert von 35 gemünzt, sondern eher als Absage an eine No-Covid-Strategie gemeint. Trotzdem hat sie für viel Empörung gesorgt – schließlich hat Laschet die neue Strategie mit abgesegnet. Darauf wies auch sein Parteifreund Norbert Röttgen hin.
"Man muss sich an den Infektionszahlen orientieren. Die sind übrigens von allen beschlossen worden, von allen Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin", sagte Laschets Konkurrent um den Parteivorsitz. "Ich glaube auch nicht, dass irgendeiner sagt: Ich will dich bevormunden", konterte Präsidiums-Mitglied Röttgen eine andere Aussage Laschets. "Unser Ziel kann nur sein, dieses Virus unter Kontrolle zu bringen und wir wissen, was dafür notwendig ist."
- "Markus Lanz" vom 16. Februar 2021
- Interview von Jens Spahn mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland