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Hamburg – Tschentscher: "Hoffe, dass wir bald den ersten Impfstoff erhalten"


Hamburger Regierungschef
"Wenn es hier losgeht, dann ist der Wendepunkt erreicht"

InterviewVon Marc von Lüpke

17.12.2020Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Peter Tschentscher: Hamburgs Erster Bürgermeister sieht seine Stadt gut vorbereitet für die kommenden Impfungen gegen das Coronavirus.Vergrößern des Bildes
Peter Tschentscher: Hamburgs Erster Bürgermeister sieht seine Stadt gut vorbereitet für die kommenden Impfungen gegen das Coronavirus. (Quelle: Chris Emil Janßen)

Impfungen werden die Corona-Krise eindämmen. Wie sich die Millionenstadt Hamburg gerüstet hat und welch große Herausforderung Massenimpfungen sind, erklärt Erster Bürgermeister Peter Tschentscher.

t-online: Herr Tschentscher, Sie regieren Hamburg in schwierigen Zeiten. Gab es während der Corona-Pandemie bislang einen Zeitpunkt, an dem Sie Ihren Optimismus eingebüßt haben?

Peter Tschentscher: Ich hatte bislang gar keine Zeit darüber nachzudenken, ob ich eher optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft blicken sollte. Ich konzentriere mich darauf, den Kurs zu halten und die jeweils anstehenden Entscheidungen richtig zu treffen.

Tatsächlich zeichnet sich in Form von Impfstoffen gegen das Coronavirus nun trotz der sich anspannenden Lage Hoffnung ab.

Das sind wirklich gute Nachrichten. Ich erinnere mich noch an die frühere Einschätzung mancher Skeptiker, dass eine Impfung gegen das Coronavirus vielleicht gar nicht möglich ist oder die Impfstoffentwicklung sehr lange dauert. Ein halbes Jahr später stehen nun gleich mehrere Impfstoffe vor der Zulassung.

Waren Sie – vor Ihrem Hintergrund als Mediziner – ebenfalls skeptisch, was einen Corona-Impfstoff angeht?

Nein. Ich bin davon ausgegangen, dass die Impfstoffentwicklung gelingt, und freue mich, dass es offenbar sogar schneller geht, als man im Frühjahr erwarten konnte.

Eine große Messehalle ist in Hamburg als Zentrales Impfzentrum hergerichtet worden, Sie haben die Baustelle vor Kurzem besucht. Verspürten Sie Erleichterung, dass Ihre Stadt nun gut vorbereitet ist?

Ich wusste natürlich, dass wir im Zeitrahmen sind. Vor Ort habe ich mich dann gefreut, die Fortschritte selbst zu sehen. Wenn es hier wirklich losgeht, dann ist der Wendepunkt erreicht.

Peter Tschentscher, Jahrgang 1966, ist seit 2018 Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Sozialdemokrat war zwischen 1994 und 2011 als Mediziner am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig, darunter als Oberarzt und Privatdozent im Diagnostikzentrum.

Hamburg ist gewissermaßen startbereit für die Impfungen, fehlen nur noch die entsprechenden Zulassungen. Vom Impfstoff an sich ganz zu schweigen.

Deutschland hat seit Jahrzehnten erprobte und zuverlässige Verfahren für die Prüfung und Zulassung von Impfstoffen. Ich gehe davon aus, dass die nationalen und europäischen Behörden zügig arbeiten. Aber die Prüfung muss eben auch sorgfältig erfolgen.

Tatsächlich ist der Impfstoff aber noch gar nicht in Hamburg angekommen.

Nein, die Auslieferung erfolgt erst, wenn der Impfstoff zugelassen ist.

Wann wird denn dieser begehrte Stoff in der Hansestadt ankommen?

Der Bund hat zugesichert, die Beschaffung des Impfstoffs zu übernehmen. Die Länder haben es übernommen, die Impfzentren zu organisieren. Wir haben jetzt alle Vorkehrungen getroffen und ich hoffe, dass wir bald den ersten Impfstoff erhalten.

Ein Impfstoff gegen Corona ist ein sehr begehrtes Gut. Wie wird er geschützt werden?

Er wird unter den erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen transportiert und gelagert. Dabei müssen natürlich auch die vorgeschriebenen Transport- und Lagerungsbedingungen eingehalten werden.

Lassen wir potenzielle Begehrlichkeiten Krimineller nach dem Impfstoff einmal außer Acht: Wäre es möglich, dass die Bundesregierung entscheidet, den Impfstoff zunächst vorrangig in besonders stark vom Coronavirus betroffene Gebiete, etwa in den Süden Deutschlands, zu liefern?

Bund und Länder haben sich darauf verständigt, dass der Impfstoff nach dem Anteil der Bevölkerung auf die Länder verteilt wird, denn er wird überall gleichermaßen gebraucht.

Sie sind gerade darauf zu sprechen gekommen: 16 Bundesländer müssen in Deutschland mehr oder weniger an einem Strang ziehen in dieser Krise. Von der Bundesregierung ganz zu schweigen. Ist das eher ein Nachteil?

Generell ist es immer aufwendig, wenn man sich mit anderen koordinieren muss. Aber das ist in unserem Land aus gutem Grund so: Unser Föderalismus hat Vorteile, weil die regionalen Besonderheiten besser beachtet werden. In der Pandemie erfordert das aber einen erhöhten Abstimmungsaufwand. Damit sind wir letztlich besser durch die Krise gekommen als viele andere europäische Staaten, die eher zentral regiert werden.


In Großbritannien werden Impfungen bereits durchgeführt.

Das sollte man nicht als Wettbewerb sehen. Ich setze darauf, dass die EMA als zuständige europäische Behörde sorgfältig prüft, ob die Impfstoffe wirksam und sicher sind.

Kommen wir noch einmal auf die konkrete Impfprozedur zu sprechen. Die Menge des noch zu liefernden Impfstoffs ist weiterhin ungewiss, der Personenkreis, der zuerst zu Impfenden noch exakt zu definieren.

Ja. Das erfolgt nach den Empfehlungen der Experten der Ständigen Impfkommission. Als erstes werden voraussichtlich Personen geimpft, die einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt sind oder für die eine Covid-19-Erkrankung besonders gefährlich ist. In Hamburg sind wir vorbereitet, den zur Verfügung gestellten Impfstoff auch sofort einzusetzen.

Bitte erklären Sie das näher.

Die Zentrale Impfstelle ist modular aufgebaut, das heißt, wir können die Kapazität der vorhandenen Menge des Impfstoffes und der Zahl der zu impfenden Personen anpassen.

Bis zu 7.000 Menschen können sich bei voller Auslastung dort impfen lassen?

Ja, rund 7.000 Impfungen pro Tag, sieben Tage die Woche.

Die Impfstoffe, beispielsweise von Biontech, sind neuartig. Erwarten Sie Probleme bei der praktischen Anwendung?

Nein. Auch die praktische Anwendung wurde ja in den Studien getestet. Wir müssen uns im praktischen Vorgehen aber genau an die Vorgaben halten. Dazu gehört zum Beispiel, dass der Impfstoff unmittelbar verwendet wird, wenn er aufgetaut und gebrauchsfertig zubereitet ist. Dabei darf nichts verfallen, denn der Impfstoff ist wertvoll und muss effizient eingesetzt werden.

Der Impfstoff von Biontech braucht zudem eine Lagertemperatur von minus 70 Grad Celsius.

Ja, deshalb eignet er sich auch nicht für die Verwendung in einer normalen Arztpraxis. Für spezielle Gesundheitseinrichtungen und in der Forschung ist die Arbeit mit diesen Anforderungen aber nichts Besonderes. Ich habe selbst jahrelang in entsprechenden Labors gearbeitet. Aber natürlich wäre es eine Erleichterung, wenn bald ein Impfstoff zur Verfügung steht, der nur eine Lagertemperatur von minus 20 Grad Celsius oder eine übliche Kühlschranktemperatur erfordert.

Und würde Impfungen etwa bei Hausärzten möglich machen.

Ja. Das wäre dann möglich.

Wie viele Hamburger werden sich denn impfen lassen Ihrer Meinung nach?

Bereits jetzt ist laut Umfragen mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg bereit, sich impfen zu lassen. Ich erwarte, dass sich der Anteil noch erhöht, wenn deutlich wird, dass die Impfung wirksam ist und keine ernsten Komplikationen macht.

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Es soll allerdings noch lange dauern, bis eine ausreichende Zahl an Menschen in Deutschland geimpft sein wird. Nun steht Deutschland zunächst vor erneuten harten Einschränkungen.

Eine deutliche Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unterstützt die Maßnahmen, die wir im Senat beschließen. Ich bekomme dafür viel Zuspruch. Aber die Politik ist in der Corona-Pandemie nicht einfach. Es gibt immer Kritiker, denen die Maßnahmen nicht ausreichen, und zugleich solche, denen sie zu weit gehen. Aber wie gesagt, die große Mehrheit erkennt die Notwendigkeit der Maßnahmen an und akzeptiert die Einschränkungen.

Im Hof des Hamburger Rathauses erinnert ein berühmter Brunnen an die Cholera-Epidemie, die die Stadt 1892 heimgesucht hat. Denken Sie in der Corona-Krise manchmal an dieses Kapitel Hamburgs?

Ja, auf jeden Fall. Die Cholera-Epidemie im 19. Jahrhundert ist tief im historischen Bewusstsein unserer Stadt verankert. Der Hygieia-Brunnen im Innenhof des Rathauses erinnert uns an die vielen Opfer dieser Zeit. Zur Bekämpfung der Cholera wurde seinerzeit der berühmte Mediziner Robert Koch nach Hamburg beordert.

Der sehr viele sinnvolle Maßnahmen angeordnet hat, die auch heute wieder Anwendung finden: Schulunterricht und öffentliche Veranstaltungen wurden untersagt, die Hygienevorschriften verschärft und durchgesetzt.

Genau. Robert Koch verordnete der Stadt Isolation und Hygienemaßnahmen. Dadurch konnte seinerzeit die Verbreitung der Cholera gestoppt werden, und das gilt auch heute für das Coronavirus.

Herr Tschentscher, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit Peter Tschentscher
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