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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuer Verteidigungsplan Nato fordert wohl über 100.000 weitere Soldaten von Deutschland

Beim Nato-Gipfel in Den Haag soll ein neuer Verteidigungsplan beschlossen werden. Für Deutschland steht dabei eine drastische Truppenaufstockung im Raum.
Vom 24. bis zum 26. Juni beraten die Mitgliedsstaaten der Nato beim nächsten Gipfel in Den Haag über die Zukunft der militärischen Abschreckung in Europa. Dabei soll ein neuer Verteidigungsplan verabschiedet werden, mit dem das Bündnis auf die fortgesetzte Aggression Russlands reagiert.
Wie das Fachportal "CPM Defence Network" berichtet, soll Deutschland laut diesen Plänen mindestens 395.000 Soldatinnen und Soldaten melden – eine Zahl, die weit über dem heutigen Personalbestand liegt. Aktuell zählt die Bundeswehr rund 183.000 aktive Soldaten. Mit eingeplanter Reserve kommt die Truppe auf etwa 260.000 Männer und Frauen. Um die Nato-Vorgabe zu erfüllen, müssten über 100.000 zusätzliche Soldaten ausgebildet und in den Dienst gestellt werden.
Erinnerung an Kalten Krieg
Die Einmeldung von 395.000 Soldaten soll laut dem Bericht nötig sein, um die Bündnispflicht in Zukunft zu erfüllen. Für Deutschland bedeutet das eine Rückkehr zu einer Truppenstärke, die an die Zeit des Kalten Krieges erinnert.
Vor dem Fall des Warschauer Pakts war die bundesdeutsche Armee allerdings noch größer: 1988 zählte die Bundeswehr 495.952 Soldaten in Westdeutschland, dazu kamen 29.376 Angehörige des Bundesgrenzschutzes. Damals lebten rund 62 Millionen Menschen in der Bundesrepublik – heute sind es etwa 83 Millionen.
Die neue Vorgabe der Nato zu erreichen, halten Experten für schwierig. Im Gespräch mit dem "CPM Defence Network" erklärt General a.D. Eberhard Zorn, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, die Zielvorgabe der Nato sei steil: "Materiell ließe sich das stemmen, wenn die Industrie Planungssicherheit hat."
Generalinspekteur: Putin diktiert den Zeitplan
Schwieriger werde es allerdings, die personelle Vorgabe zu erreichen. Deshalb müsse die Politik intensiver über eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer nachdenken. Allerdings "wäre der organisatorische und infrastrukturelle Vorlauf enorm". Zugleich betont Zorn: "Dennoch gibt es keine Alternative zu diesem Aufwuchs, wenn die Nato das neue, aggressive Russland weiterhin von einem Angriff auf das Bündnis abhalten will."
Auch General Carsten Breuer, aktueller Generalinspekteur der Bundeswehr, erklärte bereits vor sechs Monaten: "Für unsere Zusagen gegenüber der Nato und die Umsetzung des O-Plan Deutschland benötigen wir insgesamt etwa 460.000 Soldatinnen und Soldaten." Aktuell liege die Sollstärke der Bundeswehr bei rund 200.000 aktiven militärischen Dienstposten. "Hinzu kommen 60.000 grundbeorderte Reservistinnen und Reservisten, macht 260.000. Die Differenz werden wir in den kommenden Jahren maßgeblich über den neuen Wehrdienst gewinnen."
Zum Zeitplan sagte Breuer: "Der Aufwuchs wird schrittweise erfolgen, so wie es unsere Ausbildungskapazitäten erlauben. Wir wollen mit ca. 5.000 Männern und Frauen beginnen und diese Zahl dann kontinuierlich steigern. Bis wann müssen wir so weit sein? Diesen Zeitpunkt diktiert jemand anders: Putin. Gemäß unseren Analysen kann dieser Fall in fünf bis acht Jahren eintreten."
- defence-network.com: "NATO fordert 395.000 Soldaten von Deutschland"
- defence-network.com: "'Fünf bis sieben zusätzlichen Brigaden für Deutschland' – General a.D. Zorn im Interview"
- defence-network.com: "Interview mit General Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr"