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Corona: Nach Lockdown in Sachsen: Was Deutschland jetzt drohen könnte


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Hohe Infektionszahlen
Droht nun ganz Deutschland der harte Lockdown?


Aktualisiert am 08.12.2020Lesedauer: 6 Min.
Traurige Frau am Fenster: Droht Deutschland ein harter Lockdown?Vergrößern des Bildes
Traurige Frau am Fenster: Droht Deutschland ein harter Lockdown? (Quelle: MiS/imago-images-bilder)
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Sachsen schließt Schulen und Geschäfte, auch andere Länder könnten bald härtere Maßnahmen beschließen. Aber welche? Und wie lange gelten sie dann? Die wichtigsten Szenarien.

Sachsen hat es bereits vorgemacht, im Kampf gegen die Corona-Pandemie könnten Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder womöglich noch in dieser Woche über zusätzliche Einschränkungen auch für den Rest der Republik beschließen. Das Kanzleramt wollte auf Anfrage von t-online noch keine Auskunft über einen spontanen Corona-Krisengipfel geben. "Derzeit sind die Länder noch im Abstimmungsprozess, ob eine Ministerpräsidenten-Konferenz stattfinden soll. Diesem Prozess möchten wir derzeit nicht vorgreifen", sagte eine Sprecherin. Zur Debatte steht:

Szenario 1: Harter Lockdown deutschlandweit

Die "Bild"-Zeitung berichtete, es solle nach den Feiertagen bis zum Jahresbeginn deutlich härtere Lockdown-Maßnahmen geben. Im Gespräch sei, zwischen 27. Dezember und 3. oder 10. Januar nur Supermärkte geöffnet zu lassen. Nach dpa-Informationen gibt es aber noch keine konkreten Maßnahmen, die ausdiskutiert sind.

Das derzeit besonders stark vom Coronavirus getroffene Sachsen geht ab dem kommenden Montag in einen harten Lockdown. Schulen, Kindergärten, Horte und der Einzelhandel mit Ausnahme der lebensnotwendigen Versorgung sollen geschlossen werden, wie Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in Dresden ankündigte. Der Lockdown soll demnach bis zum 10. Januar gelten.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte ebenfalls härtere Einschränkungen nicht ausgeschlossen. "Wir haben gesagt, dass wir ein bestimmtes Angebot bis Weihnachten aufrechterhalten wollen", sagte er am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". "Ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass es danach Einschränkungen gibt", fuhr Müller mit Blick auf die Geschäfte fort. "Es gibt auch keinen Grund, sich dann wirklich noch am 28. Dezember einen Pullover zu kaufen, das kann man auch vorher machen." Solche Regelungen müssten aber bundesweit umgesetzt werden. "Einschränkungen im Einzelhandel, Einschränkungen im Schulbetrieb, da bin ich gespannt, ob wirklich dazu alle so bereit sind, wie durchaus wir in Berlin es dann auch sind."

Szenario 2: Harter Lockdown in den Hotspots

Eine Möglichkeit ist auch, die Einschränkungen nur in den besonders von der Pandemie betroffenen Regionen zu verschärfen. Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz deutlich über 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner, könnte nur für diese Gebiete ein Lockdown veranlasst werden.

Kanzleramtschef Helge Braun sieht darin eine Chance: "Weil ein Lockdown dieser Art auf Dauer nicht funktioniert, müssen wir mindestens in den Hotspots noch einmal richtig deutliche Verschärfungen machen." Er sagte zudem am Sonntag in der "Bild"-Zeitung, dass ein "ewiger Lockdown light" epidemiologisch und auch ökonomisch nicht sinnvoll sei.

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Szenario 3: Schulpflicht ab 14. Dezember aufheben

Trotz der in Aussicht stehenden Corona-Impfungen plädiert die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina dafür, die "zu hohe Anzahl von Neuinfektionen durch einen harten Lockdown schnell und drastisch zu verringern". Das schreiben die Wissenschaftler in einer Stellungnahme zur Corona-Pandemie.

Die Gelehrten schlagen ein zweistufiges Verfahren vor. Es sieht zunächst vor, die Schulpflicht ab dem 14. Dezember aufzuheben und "nachdrücklich" zur Arbeit im Homeoffice aufzufordern. Auch sollten "alle Gruppenaktivitäten im Bereich von Sport und Kultur eingestellt" werden.

In der zweiten Stufe ab Weihnachten sollte "bis mindestens 10. Januar 2021 in Deutschland das öffentliche Leben weitgehend ruhen", also ein "verschärfter Lockdown" eingeführt werden. Dazu zählt die Leopoldina, dass alle Geschäfte bis auf diejenigen des täglichen Bedarfs schließen. Die Weihnachtsferien der Schulen sollten bis zum 10. Januar verlängert werden. Urlaubsreisen und größere Zusammenkünfte während der gesamten Zeit müssten vollständig unterbleiben.

Szenario 4: Mehrere kleine Lockdowns

Virologe Christian Drosten empfiehlt in seinem NDR-Podcast eine andere Strategie: mehrere kleine Lockdowns. Diese "Circuitbreaker" (deutsch etwa: Infektions-Brecher) seien kurze, zeitlich befristete Shutdowns, die die Ausbreitung des Coronavirus bremsen und die wirtschaftlichen Folgen minimieren sollen. Britischen Forschern zufolge sollte eine solche Unterbrechung mindestens zwei Wochen dauern. Drosten plädiert sogar für drei Wochen. "Alle wissen von vornherein: Er ist zeitlich befristet. Dann können sich alle darauf einstellen."

Die Politik solle die Mini-Lockdowns allerdings rechtzeitig ankündigen, dann könnte man sich überlegen, ob die Schulen offen bleiben – oder ob man die Maßnahmen in die Ferienzeit legt, so Drosten. Das könne zu einer Entlastung der Gesundheitsämter führen, wenn dadurch die Zahl der täglichen Neuinfektionen sinke. Momentan sei die Inzidenz in Deutschland noch vergleichsweise niedrig. "Wenn wir jetzt einmal auf die Bremse treten würden, dann hätte das einen ganz nachhaltigen Effekt."

Welche Schlüsse lassen sich aus dem Frühjahrs-Lockdown ziehen?

Der Lockdown im Frühjahr hat sowohl die Fallzahlen als auch die Zahlen der belegten Intensiv- und Krankenhausbetten nachweislich gesenkt. Allerdings kam zu dieser Zeit auch der saisonale Aspekt hinzu: Im Sommer verbreiten sich Viren generell langsamer, daher kann die Situation vom Frühjahr nicht eins zu eins auf den jetzigen Zeitpunkt übertragen werden. Der Virologe Alexander Kekulé bemängelte im t-online-Interview unter anderem, es sei deutlich geworden, dass man sich auf den Herbst nicht ausreichend vorbereitet habe.

"Alle Virologen waren sich einig darüber, dass wir im Sommer eine Entlastung bei den Infektionszahlen erleben und es im Herbst wieder schlimmer wird", sagte Kekulé. Denn letztlich verhalte sich das Coronavirus wie ein Erkältungsvirus. Die Politik habe aber offenbar trotzdem gehofft, dass die vorhergesagte Verschlimmerung nicht eintreten würde. Anfang November habe es dann keine Alternative mehr zu einem Lockdown gegeben.

Uwe Janssens, der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) warnte bereits Anfang November, die Lage in den Kliniken sei schlimmer als im Frühjahr. Anders als bei der Spitze am 18. April werde diesmal kein Abflauen folgen. Es gebe wesentlich mehr infizierte Patienten auf den anderen Stationen, von denen ein Teil noch auf den Intensivstationen landen werde. Der Grund: Die jeweilige Zahl an Neuinfektionen zeige sich erst verzögert in schweren Verläufen und schließlich in der Belegung der Intensivstationen. "In vier Wochen werden wir die Folgen der Spitzenwerte jetzt sehen“, sagt Janssens.

Warum ist ein Lockdown die einzige Möglichkeit, die Zahlen zu verringern?

Nur durch einen Lockdown wird das öffentliche Leben soweit zurückgefahren, dass es sowohl weniger Kontakte als auch weniger Mobilität gibt. Das verringert das Infektionsgeschehen in der Gesellschaft. Wenn sich weniger Menschen mit dem Coronavirus infizieren, müssen zudem automatisch weniger Menschen in Krankenhäusern und auf Intensivstationen versorgt werden und es gibt weniger Todesfälle. So wird verhindert, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Momentan sind rund 22.000 von etwa 28.000 Intensivbetten in Deutschland belegt, fast 4.200 davon von Corona-Patienten. Besonders dramatisch ist die Lage beispielsweise in Berlin, wo rund 25 Prozent der Betten von Corona-Patienten belegt sind. Das zeigt das Zentralregister der DIVI.

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Als Ende November die Maßnahmen verlängert und über die Weihnachtstage Lockerungen beschlossen wurden, kritisierte Janssens allerdings die fehlende Kontinuität bei politischen Maßnahmen zur Corona-Krise. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er: "Wünschenswert wäre die Etablierung einer langfristigen Strategie und nicht die dauernde Diskussion alle zwei Wochen." Jedem vernünftigen Mensch müsse klar sein, dass "wir Weihnachten definitiv noch nicht in einer Situation sind, die nachhaltige Lockerungen erlaubt."

Welche Folgen kann ein harter Lockdown auf die Wirtschaft haben?

Fest steht: Ein harter Lockdown könnte der deutschen Wirtschaft einen schweren Schlag versetzen. Doch so schlimm wie im Frühjahr wird es diesmal nicht. Im zweiten Quartal, also zwischen April und Juni, brach die Wirtschaftsleistung um mehr als 10 Prozent ein – so stark wie noch nie seit Beginn der vierteljährlichen Berechnungen im Jahr 1970.

Für November und Dezember wird es nicht ganz so schlimm. Das hat mehrere Gründe: Die Industrie läuft noch, auch Exporte sind noch möglich. Denn China als wichtiger EU-Partner hat seine Grenzen wieder geöffnet – und floriert.

Allerdings: Ein harter Lockdown, bei dem auch alle Geschäfte außer Supermärkte schließen müssten, wäre für viele Händler eine Hiobsbotschaft. Schon jetzt sieht der Handelsverband (HDE), dass die Konsumneigung vor Weihnachten zurückgeht – und mit ihr die Umsätze.

"Viele Einzelhändler wissen nicht mehr, wie sie diese Krise angesichts der schrumpfenden Umsätze überstehen sollen", erklärt HDE-Chef Stefan Genth. "Das in normalen Jahren so umsatzstarke Weihnachtsgeschäft könnte 2020 für bis zu 50.000 Händler in die Insolvenz führen." Der Handelsverband rechnet damit, dass erneute Ladenschließungen den Non-Food-Handel bis zu eine Milliarde Euro Umsatz pro Tag kosten könnten.

Handelsverband fordert bei hartem Lockdown Hilfen für Geschäfte

Der Zeitpunkt eines harten Lockdowns könnte demnach entscheidend sein. Können Händler das restliche Weihnachtsgeschäft mitnehmen – oder nicht? Fällt 'nur' die Winterschlussverkaufs-Saison aus?

Für den HDE steht fest: Ladenschließungen sollte es frühestens nach Heiligabend, oder besser erst ab Januar "für einen vorab klar definierten, überschaubaren Zeitraum" geben, heißt es. "Dann sind aber auch entsprechende staatliche Hilfen für die betroffenen Händler gefordert", so Genth. "Ansonsten kommt es zu einem Flächenbrand in unseren Innenstädten."

Der bisherige Plan für die Feiertage

Bund und Länder hatten eigentlich vereinbart, bei Familientreffen vom 23. Dezember bis längstens 1. Januar zehn Personen plus Kinder zuzulassen. Ansonsten dürfen maximal fünf Leute aus zwei Hausständen zusammen sein. Bayern und Baden-Württemberg haben die Lockerung bereits auf 23. bis 26. beziehungsweise 27. Dezember beschränkt. In Berlin sind über die gesamten Feiertage maximal fünf Menschen erlaubt.

Nordrhein-Westfalen schließt auch eine bundesweite Verschärfung der Corona-Maßnahmen nicht aus. "Sollte sich die Gesamtlage nicht zeitnah verbessern, erscheint auch bundesweit ein noch restriktiveres Vorgehen notwendig, um die Zahl der Neuinfektionen überall deutlicher zu reduzieren", sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).

Die Krankenhäuser forderten, die angekündigten Lockerungen zurückzunehmen. Die Situation sei in vielen Kliniken schon belastend, sagte der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, dem "Handelsblatt". "Wir haben heute 40 Prozent mehr Intensivpatienten als im Frühjahr, und anders als im Frühjahr ist dies keine kurzzeitige Situation, sondern schon seit Wochen so, ohne dass wir ein Ende erkennen können." Der Appell der Bundesregierung, private Kontakte zu minimieren, fruchte offenbar nicht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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