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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eva Högl Für sie wird es eng

Der schwarz-rote Koalitionsvertrag steht, doch das Personaltableau der neuen Regierung ist weiter unklar. Auch um das Amt des Wehrbeauftragten wird im Hintergrund gerangelt. Muss die Amtsinhaberin Eva Högl gehen?
Es war der Tag vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, als die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags einen Eklat um fehlende Unterhosen auslöste. Nach einem Besuch des deutschen Einsatzkontingents in Litauen prangerte Högl öffentlichkeitswirksam den Ausrüstungsmangel der Bundeswehr an – der sich eben auch auf nicht vorhandene Winterunterwäsche erstreckte.
Die Unterhosen und Winterjacken wurden zum Symbol für die jahrelange Vernachlässigung der Truppe – und Eva Högl, die 2020 ohne Bundeswehrerfahrung ins Amt rutschte, hatte ihr Thema gefunden.
Doch Högl wird wahrscheinlich nicht mehr lange Wehrbeauftragte bleiben. Denn das Gerangel um Posten und Ämter in der schwarz-roten Regierung, von einigen "Teppichhändlerrunden" oder "Basar" genannt, ist in vollem Gange. Bald könnten erste Personalien veröffentlicht werden – und einiges spricht dafür, dass Högl ersetzt werden könnte. Nur: durch wen?
Gerüchte um Saskia Esken
Die Besetzung des Wehrbeauftragten-Amts wird bei Koalitionsverhandlungen in der Regel per Nebenabsprache geklärt – allerdings nur, wenn der Posten überhaupt zu vergeben ist. Als etwa Olaf Scholz 2021 die Regierung übernahm, war Högl bereits im Amt, damals stellte sich die Frage nicht. Jetzt aber ist es anders. Denn Högls fünfjährige Amtszeit endet diesen Mai – und der Machtkampf um ihre Nachfolge hat längst begonnen.
Eine finale Absprache zwischen Union und SPD gibt es nach Informationen von t-online dabei noch nicht. Bislang konnten sich beide Seiten offenbar noch nicht einmal darauf einigen, welche Partei den Zugriff auf den Posten hat. Wie offen der Prozess zu sein scheint, illustriert auch ein Gerücht, das in den vergangenen Tagen im politischen Berlin die Runde machte: Demnach könnte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken die neue Wehrbeauftragte werden.
Allerdings spricht wenig dafür, dass es dazu kommt. Politiker aus Union und SPD, die sich mit dem Thema befassen, halten es für ziemlich unwahrscheinlich, dass die nicht gerade militäraffine SPD-Linke Esken das Amt übernimmt.
Das Gerücht entfaltete trotzdem eine gewisse Wirkung in der Union: Dort löste die Personalie Esken Unruhe aus und führte bei einigen wohl zur Überzeugung, dass man den Anspruch auf den Posten nun etwas lauter formulieren sollte.
Ein Job mit Verfassungsrang
Klar ist bislang nur: Das Amt des Wehrbeauftragten ist nicht nur politisch bedeutsam, sondern auch ein attraktiver Posten. Eingestuft in der Besoldungsgruppe B11, der höchsten für Beamte im öffentlichen Dienst (Grundgehalt: rund 16.000 Euro), verfügt der Wehrbeauftragte zudem über einen eigenen Apparat und Dienstwagen. Er hat Rederecht im Deutschen Bundestag, einen festen Platz dort und darf an den Sitzungen des Verteidigungsausschusses teilnehmen.
Zudem: Der Wehrbeauftragte hat Verfassungsrang. Das ist der SPD zu verdanken, die in den 50er-Jahren eine engere parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte einforderte, als noch ungewiss war, ob die Idee einer demokratisch verfassten deutschen Armee gelingen würde.
Die Hauptaufgaben des Wehrbeauftragten sind laut dem ehemaligen Amtsträger Hans-Peter Bartels (SPD) zweierlei: "Er ist einerseits Ombudsperson für die Anliegen der Soldaten bei Missständen und Rechtsverletzungen von Vorgesetzten. Und andererseits ein Hilfsorgan des Bundestags bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte."
Union erhebt Anspruch
Einiges deutet jetzt darauf hin, dass zumindest die Parteizugehörigkeit des oder der künftigen Wehrbeauftragten wechseln könnte – und die Union die Stelle besetzen darf. Nicht nur in der SPD wird darauf verwiesen, dass das Bundesverteidigungsministerium und das Amt des Wehrbeauftragten üblicherweise nicht derselben Partei zustehe.
Auch der CDU-Verteidigungspolitiker Hennig Otte sagt t-online, es gebe "gute Argumente, in einem Miteinander des 'Checks and Balances' das Beste für die Bundeswehr zu erreichen".
Der Idee des "Checks and Balances" liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Wehrbeauftragte unabhängiger agieren könne, wenn er nicht derselben Partei wie der Verteidigungsminister angehört. Doch das war nicht immer gelebte Praxis, eher die Ausnahme. Zwischen 2005 und 2021 war das so, als mal die CDU, mal die CSU den Verteidigungsminister stellte und die SPD den Wehrbeauftragten. Doch davor und danach schien die Parteizugehörigkeit kein großes Thema zu sein. Auch in den drei Ampel-Jahren nicht, als die SPD – mit Eva Högl und Boris Pistorius beziehungsweise Christine Lambrecht – sowohl die Wehrbeauftragte als auch den Bundesverteidigungsminister stellte.
Auch der Ex-Wehrbeauftragte Bartels sagt: "Es gibt in der bisherigen Besetzungspraxis keinen solchen Mechanismus."
Dass man in der SPD dennoch auf diese "Tradition" verweist, lässt den Schluss zu, dass sie bereits für den Fall vorbaut, dass die Union nach dem Amt des Wehrbeauftragten greifen könnte – und man es ihr überlässt. Dass die Genossen, die in den Koalitionsverhandlungen recht gut wegkamen, sich für das Amt der Wehrbeauftragten verkämpfen werden, ist eher unwahrscheinlich.
Für Eva Högl, die großen Gefallen an ihrem Amt gefunden haben soll, könnte es eng werden.
Wehrbeauftragter 25 Jahre ohne CDU/CSU-Parteibuch
Auch die Ämterabfolge der letzten Jahre könnte ein Argument für einen Wechsel sein: Die SPD stellte vier der letzten fünf Wehrbeauftragten. Die letzte Wehrbeauftragte der CDU hieß Claire Marienfeld, sie war bis zum Jahr 2000 im Amt. Das ist jetzt 25 Jahre her. Auch deshalb werden die Stimmen in der Union lauter, dass es nun an der Zeit sei, dieses Amt endlich wieder in Unionshand zu bekommen.
Die bisherige Obfrau der Unionsfraktion im Verteidigungsausschuss, Kerstin Vieregge (CDU), sagt t-online: "Das Amt der Wehrbeauftragten hat eine besondere Kontrollfunktion für die Bundeswehr. Es sollte daher nicht in derselben parteipolitischen Hand geführt werden wie das Verteidigungsministerium. Ich halte es daher für richtig und wichtig, dass die Union das Amt beansprucht."
Wer könnte Högl nachfolgen?
Nur, wer könnte es machen? In der Union werden derzeit mehrere Namen gehandelt. Einer davon ist Ingo Gädechens (CDU), im März aus dem Bundestag ausgeschieden. Der 64-Jährige war fast 40 Jahre Soldat und diente als Stabsbootsmann in der Marine, bevor er 2009 Abgeordneter wurde. Als Haushaltspolitiker war er zuletzt zuständig für den Verteidigungsetat, kennt also auch die finanziellen Herausforderungen der Truppe. "Ingo Gädechens wäre eine sehr gute Wahl. Ihm braucht man nichts zu erklären, der weiß schon alles", heißt es etwa aus der Union.
Gegen Gädechens spricht allerdings, dass er sich bereits von der Politik verabschiedet hat. Zwar legen auch Wehrbeauftragte ihre Mandate nieder und kehren in der Regel nach ihrer Amtszeit nicht mehr in den Bundestag zurück. Aber das Amt des Wehrbeauftragten ist zu attraktiv, um jemanden aus dem Ruhestand zu holen, heißt es in der Union. Die Zahl der Posten, die Friedrich Merz intern verteilen könne, sei ohnehin begrenzt. Wahrscheinlicher ist also, dass in der Union jemand zum Zuge kommt, der sich verdient gemacht hat und versorgt werden will.
Auch Kerstin Vieregge bekundet Interesse an dem Posten: "Das Amt der Wehrbeauftragten ist eines der wichtigsten und schönsten Ämter in unserer parlamentarischen Demokratie. Das Herz der Bundeswehr sind unsere Soldatinnen und Soldaten. Ihr wichtigstes Sprachrohr im parlamentarischen Raum ist die Wehrbeauftragte", so Vieregge. Danach gefragt, ob sie sich das Amt zutraue, sagte die CDU-Politikerin: "Sollte ich gefragt werden, werde ich mich der Verantwortung sehr gerne stellen."
Ein weiterer Name kursiert
Auch ein weiterer Name kursiert in der Union: Henning Otte. Der direkt gewählte Abgeordnete im Wahlkreis Celle-Uelzen und Beisitzer im CDU-Vorstand war in der scheidenden Legislatur stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses.
Der Reserveoffizier soll nach Informationen von t-online intern mehrfach Interesse am Job des Wehrbeauftragten geäußert haben. In der Union werden Otte gute Chancen zugerechnet.
Öffentlich will Otte zumindest nicht ausschließen, dass er sich den Posten vorstellen könne: "Das Amt ist gerade in dieser sicherheitspolitisch herausfordernden Zeit, welche die Truppe stark beansprucht, von großer Bedeutung. Es sollte nicht an dem parteipolitischen Proporz oder am persönlichen Interesse, sondern an der Verantwortung dieses Amtes selbst ausgerichtet werden." Nach einem Nein klingt das nicht.
- Eigene Recherchen