Corona-Gipfel Bund und Länder streiten über schärfere Maßnahmen
Die hohen Infektionszahlen lassen aus Sicht der Kanzlerin nach zwei Wochen Teil-Lockdown keine Lockerungen zu. Merkel will über noch drastischere Vorgaben reden – aber die Debatte mit den Ländern dauert an.
Im Kampf gegen die Corona-Krise haben Bundesregierung und Länder heftig um den Kurs für die kommenden Tage und Wochen gerungen. Am frühen Abend arbeitete die Runde noch an einem gemeinsamen Text. Dabei ging es sowohl um Beschränkungen persönlicher Kontakte als auch den künftigen Umgang mit den Regeln für Schulen und Kinder, wie am Rande der Beratungen zu hören war.
Der Bund war zunächst mit Vorschlägen zu tiefen weiteren Einschnitten in den Alltag der Bürger vorangegangen und hatte Pläne etwa zur Maskenpflicht für Schüler im Unterricht noch vor Beginn der Beratungen wieder zurückgenommen. Die Ministerpräsidenten wollten die Vorschläge jedoch zum Teil noch weiter entschärfen. Es hieß am frühen Abend, es könnte darauf hinauslaufen, dass strengere Einschränkungen für Kontakte nur als Appell für die Bürger formuliert würden. Bindende Entscheidungen dürften dann kommende Woche getroffen werden.
Merkel hat die Forderung nach neuen drastischen Kontaktbeschränkungen mit einer weiterhin zu hohen Zahl von Neuinfektionen begründet. Zwar sei durch die seit Anfang November geltenden Einschränkungen eine Stabilisierung erreicht worden, machte Merkel am Montag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in der Sitzung des CDU-Präsidiums deutlich. Dies sei aber nicht ausreichend. "Die Zahlen stabilisieren sich etwas. Aber zu langsam", wurde die Kanzlerin zitiert. Ein weiteres Treffen von Bund und Ländern ist für den 23. November angesetzt.
Die Pläne im Überblick:
Schulen: Bund und Länder werden bei ihren Beratungen an diesem Montag voraussichtlich noch keine schärferen Schritte für die Schulen beschließen. Nach einer geänderten Vorlage des Bundes für die Videokonferenz sollen die Länder bis zur kommenden Woche einen Vorschlag vorlegen, wie Ansteckungsrisiken im Schulbereich weiter reduziert werden können. Das geänderte Papier liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.
Im ursprünglichen Papier des Bundes für die Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder an diesem Montagnachmittag waren dagegen auch für die Schulen schärfere Maßnahmen vorgesehen. Die Maskenpflicht an Schulen sollte ausgeweitet werden, bei zu kleinen Räumen sollten Klassen geteilt werden. Wie bild.de berichtet, soll es im CDU-Präsidium Streit über das Thema gegeben haben, weil das Kanzleramt die Pläne nicht mit der Partei abgestimmt habe.
Kontaktbeschränkungen: Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit soll nach dem Willen des Bundes nur mit den Angehörigen des eigenen und maximal zwei Personen eines weiteren Hausstandes gestattet sein. "Dies gilt verbindlich und Verstöße gegen diese Kontaktbeschränkungen werden entsprechend von den Ordnungsbehörden sanktioniert", heißt es im Papier. Darüber hinausgehende Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen seien "angesichts der ernsten Lage in unserem Land inakzeptabel".
Private Treffen: Trotz der bereits geltenden Bestimmungen zum Infektionsschutz würden die Ansteckungen weiterhin "im privaten Umfeld und außerhalb des öffentlichen Raumes stattfinden", heißt es im Papier. Zur Senkung der Gefahr sollten Kinder und Jugendliche angehalten werden, sich nur noch mit einem festen Freund in der Freizeit zu treffen. Auch private Zusammenkünfte mit Freunden und Bekannten sollten sich generell nur noch auf einen festen weiteren Hausstand beschränken. Auf private Feiern solle zunächst bis zum Weihnachtsfest ganz verzichtet werden. Seit dem 2. November gilt, dass sich nur Angehörige des eigenen und eines weiteren Hausstands in der Öffentlichkeit aufhalten dürfen, maximal jedoch 10 Personen.
Quarantäne: In einer Neufassung der Beschlussvorlage für die laufenden Beratungen der Bundesregierung mit den Länderchefs wird darauf verzichtet, den Bürgern bereits bei Erkältungssymptomen eine fünf- bis siebentägige Quarantäne nahezulegen. Zuvor hieß es, der Bund empfehle diese Quarantäne insbesondere bei Husten und Schnupfen.
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Schutz von Risikogruppen: Besonders gefährdete Menschen wie Alte, Kranke oder Personen mit Vorerkrankungen sollen nach dem Willen des Bundes zum Schutz vor dem Coronavirus von Dezember an vergünstigte FFP2-Masken erhalten. Um das Risiko einer Infektion zu reduzieren, werde der Bund auf seine Kosten für diese Bevölkerungsgruppe die Abgabe von je 15 dieser Masken gegen eine geringe Eigenbeteiligung ermöglichen. Das ergebe rechnerisch eine Maske pro Winterwoche. Zudem wird geraten, Besuche bei besonders gefährdeten Menschen nur dann zu unternehmen, wenn alle Familienmitglieder frei von Symptomen sind und sich seit einer Woche in keine Risikosituationen begeben haben.
Impfzentren: Die Länder sind angehalten, ihre Impfzentren und -strukturen ab dem 15. Dezember so vorzuhalten, dass eine kurzfristige Inbetriebnahme möglich ist. Bis Ende November sollen die Länder dem Bund mitteilen, wie viele Impfungen sie am Tag planen.
Nachverfolgung von Infektionen: Da eine vollständige Nachverfolgung von Kontakten oft nicht möglich ist, sollen bei Ausbruchsgeschehen in einem bestimmten Cluster wie einer Schule oder einem Unternehmen die Maßnahmen wie eine Quarantäne auch ohne positives Testergebnis angewendet werden. "Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit ist die Isolierung von Kontakt- bzw. Ausbruchsclustern im Vergleich zu Beschränkungsmaßnahmen ein milderes Mittel", heißt es.
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Gesundheitsämter: Bis Ende des Jahres sollen die neuen digitalen Werkzeuge zur Erfassung der Infektionen in den Behörden deutlich stärker genutzt werden. Zudem soll die Corona-Warn-App fortwährend verbessert und mit neuen Funktionen angeboten werden.
Maßnahmen-Evaluation: Das Treffen an diesem Montag — zwei Wochen nach Inkrafttreten der November-Kontaktbeschränkungen — war zunächst nur für eine Zwischenbilanz gedacht. Wie es ab Dezember bis Weihnachten weitergeht, soll dann in der kommenden Woche beraten werden. Als Terminvorschlag nennt das Papier den 23. November.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig mahnte Bund und Länder zur Geduld. "Es ist erst zwei Wochen her, seitdem die November-Schutzmaßnahmen in Kraft getreten sind. Ich halte jetzt nichts von voreiligen weiteren Schließungen oder Lockerungen", sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montag).
Die Opposition:
Der Opposition im Bundestag gehen bereits die bisherigen Maßnahmen zu weit. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte der "Welt": "Es ist klar, dass Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln weiterhin gelten müssen. Pauschale Schließungen beispielsweise für Hotels, Gastronomie oder Kulturveranstaltungen, die Hygienekonzepte haben, sind jedoch unverhältnismäßig und stoßen auch bei den Bürgern auf Unverständnis."
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel kritisierte ebenfalls in der "Welt": "Die Art und Weise, in der hier Grundrechte außer Kraft gesetzt werden, untergräbt den demokratischen Rechtsstaat." Dagegen forderte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche in der Zeitung einen "interdisziplinären Pandemie-Rat". Darin dürften sich "nicht nur Epidemiologen und Ärzte wiederfinden, sondern auch weitere Experten wie etwa Sozialwissenschaftler, Experten für Digitalisierung, Schulen und Kommunikation."
Merkel hatte die Bürgerinnen und Bürger schon am Samstag erneut auf schwierige Monate eingestimmt. "Der vor uns liegende Winter wird uns allen noch viel abverlangen", sagte die Kanzlerin in ihrem Video-Podcast. Innerhalb eines Tages hatten die Gesundheitsämter nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Montag in Deutschland 10.824 neue Corona-Infektionen gemeldet. Die 7-Tage-Inzidenz lag demnach am Sonntag bei 143 Fällen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner. Ziel der Bundesregierung ist es, an eine Inzidenz von 50 heranzukommen. Erst dann sei es wieder möglich, dass einzelne Kontakte von Infizierten nachvollzogen werden könnten.
- Nachrichtenagentur dpa