Personalie sorgt für Zoff Polizeigewerkschafts-Chef Wendt wird Staatssekretär
Er gibt sich als harter Strafverfolger und geriet selbst wegen seiner Einkünfte in die Kritik. Nun wird Gewerkschaftschef Rainer Wendt Staatssekretär in Magdeburg – und nicht jedem passt das.
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, wird Staatssekretär im Innenministerium von Sachsen-Anhalt. Das teilte die Staatskanzlei am Freitag in Magdeburg mit. Wendt folgt auf Tamara Zieschang, die im Dezember als Staatssekretärin ins Bundesverkehrsministerium wechselt.
Die Nachricht platzte mitten in die Landtagssitzung in Magdeburg, überraschte Landespolitiker aller Parteien und sorgte zum Teil für heftige Reaktionen. Auch von einer neuen Belastung der schwarz-rot-grünen Koalition ist die Rede.
Er sei von Ministerpräsident Reiner Haseloff und Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) gefragt worden, ob er bereit sei, und habe nach kurzer Bedenkzeit zugesagt, sagte Wendt am Freitag am Rande des CDU-Bundesparteitags in Leipzig der Deutschen Presse-Agentur. "Ich kenne nicht nur viele Leute aus Sachsen-Anhalt, sondern bin vielfach mit Holger Stahlknecht bei Veranstaltungen und Begegnungen zusammen. Ich habe viele gute Freunde in Sachsen-Anhalt."
Haseloff: "Eine große Freude"
Wendt ist Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Beamtenbundes und seit 2007 Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Regierungschef Haseloff und Innenminister Stahlknecht erklärten, es sei ihnen "eine große Freude", mit Rainer Wendt einen der fachkundigsten und bekanntesten Vertreter der Interessen der Polizei als Staatssekretär zu haben.
Diese Freude wird nicht überall geteilt – auch nicht in den Reihen der Regierungspartner CDU, SPD und Grünen. Als die Nachricht gegen Mittag per Pressemitteilung in die laufende Landtagssitzung platzte, zeigten sich selbst CDU-Abgeordnete irritiert über die überraschende Personalie. Einige hielten es zunächst für eine Ente. Für Kopfschütteln sorgte – auch bei CDU-Politikern – unter anderem, dass mit Wendt jemand in die Spitze des Innenministeriums aufrückt, der voriges Jahr mit einer umstrittenen Doppelbesoldung Schlagzeilen machte.
Damals wurde bekannt, dass Wendt bis zu seiner Pensionierung im Februar 2017 elf Jahre lang keinen Dienst bei der Polizei verrichtet hatte, aber dennoch bezahlt worden war. Zudem war er 2010 offenbar ohne Rechtsgrundlage auch noch befördert worden.
Verfechter harter Strafverfolgung
In der Vergangenheit hatte sich Wendt mit seinen Äußerungen oft weit vorgewagt. So vertrat der Vater von fünf Kindern die Auffassung, schon Zwölfjährige sollten künftig strafmündig sein, sofern es sich um besonders schwere Straftaten handele und die Familien eine Zusammenarbeit mit den Jugendbehörden verweigerten.
Immer wieder äußerte er sich auch zu der aus seiner Sicht großen Gefahr von Terroranschlägen, Gewaltkriminalität und aggressiven politischen Auseinandersetzungen im Land. "Dass die Politik diese Entwicklung im Griff hat, glauben immer weniger Menschen", erklärte er Ende 2018. Stichworte seien ein "Kontrollverlust in der Zuwanderungsfrage, Staatsversagen in der Vollstreckung von Abschiebungen, kein Rezept gegen kriminelle Familienclans sowie ein dramatischer Autoritätsverlust des Staates".
Kritik an CDU von Koalitionspartnern
Er habe noch nie eine Personalentscheidung der CDU kommentiert, sagte SPD-Landeschef Burkhard Lischka. "Ich bin aber verblüfft, dass Herr Stahlknecht Herrn Wendt mit einem Staatssekretärsposten belohnt, der über viele Jahre offensichtlich pflichtwidrig Dienstbezüge bezog, ohne den Polizeidienst auszuüben." Das sei befremdlich.
Der Grünen-Innenexperte Sebastian Striegel bezeichnete die Entscheidung für Wendt als schwere Belastung für die schwarz-rot-grüne Koalition. In den vergangenen dreieinhalb Jahren sei es gelungen, im Innenbereich ruhig und sachlich viele Themen voranzubringen, sagte Striegel am Freitag im Magdeburger Landtag. Als Beispiel nannte er die Durchsetzung der Polizeikennzeichnung oder ein kürzlich erarbeitetes Leitbild für eine bürgernahe Polizei. Dieser Kurs spiegele sich nicht in den bisherigen Äußerungen Wendts wider, der eher als "Law-and-Order-Verfechter" bekannt sei.
Striegel kritisierte zudem, wie die Regierung von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) den Wechsel verkündete. Es sei eine Missachtung des Parlaments, wenn die Abgeordneten, während einer laufenden Sitzung, per Pressemitteilung informiert würden. Die Abgeordneten könnten erwarten, dass die Landesregierung im Landtagsplenum das Wort ergreife und die Entscheidung verkünde und erkläre. Stahlknecht selbst weilte am Freitag ebenso wie Ministerpräsident Reiner Haseloff beim CDU-Bundesparteitag in Leipzig.
"Mit dieser Personalentscheidung werden all diejenigen innerhalb der CDU gestärkt, die die inhaltliche Verbindung zur AfD ausbauen und damit die Grundlage für eine zukünftige Koalition von CDU und AfD schaffen wollen", kommentierten Fraktionschef Thomas Lippmann und Innenexpertin Henriette Quade die Personalie aus Sicht der Linken.
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Auch der Weggang der bisherigen Innenstaatssekretärin Zieschang kommt überraschend. Die 49-Jährige gilt als fleißige und gut vernetzte Politikerin, die auch schon als nächste Chefin der Staatskanzlei gehandelt wurde. Kommt mit Wendt jetzt ein Richtungswechsel im Ministerium? Der langjährige Gewerkschafter beschwichtigt: "Regierungsarbeit vollzieht sich nicht nach Richtungen, sondern nach Recht und Gesetz auf der Grundlage eines Koalitionsvertrages", sagte Wendt. "Und der gilt natürlich."
- Nachrichtenagentur dpa