Neues Vorgehen seit 2023 Dieses Verfahren müssen afghanische Ortskräfte durchlaufen

Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan zeigt Fortschritte: Sicherheitschecks an der Botschaft in Islamabad greifen. Erste Evakuierungsflüge zeigen positive Ergebnisse.
Nachdem sich Deutschland im Sommer 2021 – gemeinsam mit den USA und anderen westlichen Verbündeten – nach knapp 20 Jahren Auslandseinsatz aus Afghanistan zurückgezogen hatte, gelang es der islamistischen Terrorgruppe der Taliban innerhalb kürzester Zeit, die Hauptstadt Kabul und weite Teile des Landes wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Ein Umstand, den man aus westlicher Sicht über Jahre hinweg mit großem Aufwand zu verhindern versucht hatte.
Vor Ort hatten deutsche Kräfte über Jahre hinweg mit Tausenden sogenannten einheimischen Ortskräften zusammengearbeitet. Diese übernahmen häufig Aufgaben als Dolmetscher oder unterstützten die deutschen Truppen mit ihrer territorialen Expertise. Aufgrund dieser Zusammenarbeit mit westlichen Mächten leben viele dieser Ortskräfte nun unter der Herrschaft der Taliban in akuter Lebensgefahr und sind auf Schutz angewiesen.
Um diesen Schutz zu gewährleisten, hat die Bundesregierung im Anschluss an das Ende des Einsatzes mehrere Aufnahmeprogramme für afghanische Staatsangehörige ins Leben gerufen. Diese Programme geraten in jüngerer Zeit jedoch zunehmend unter politischen Druck. Nun hat sich ein Ministerium auf Anfrage der "Bild"-Zeitung zu konkreten Zahlen und zur Identität der aufgenommenen Schutzsuchenden geäußert.
Ortskräfteverfahren schützt Tausende
Ein zentrales Instrument ist das sogenannte Ortskräfteverfahren, das bereits seit 2013 besteht. Es richtet sich an Personen, die direkt oder indirekt für deutsche Institutionen wie die Bundeswehr, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) oder das Auswärtige Amt gearbeitet haben – und sich deshalb in einer akuten Gefährdungslage befinden. Über dieses Verfahren wurden seit 2013 20.806 Menschen aufgenommen.
Nach der erneuten Machtergreifung der Taliban hat die Bundesregierung zusätzliche Programme zur Aufnahme besonders gefährdeter Afghanen aus Bereichen wie Menschenrechte, Zivilgesellschaft, Kultur oder Justiz eingerichtet. Über sogenannte Menschenrechtslisten und ein Überbrückungsprogramm wurden bis zum 14. März 2025 insgesamt 14.043 Personen nach Deutschland gebracht.
Seit Oktober 2022 existiert zudem das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP), das sich gezielt an besonders gefährdete Personen richtet. Bis März 2025 konnten darüber 1.337 Menschen aufgenommen werden. Insgesamt sind so 36.186 Afghanen nach Deutschland gekommen.
Strengere Kontrollen greifen
Zwischen März und Juni 2023 waren die Programme aufgrund verschiedener Sicherheitsbedenken vorübergehend ausgesetzt worden. Seitdem gelten strengere Regeln – und der jüngste Evakuierungsflug zeigt, dass diese offenbar greifen. Die Überprüfung der Schutzsuchenden erfolgt nun in zwei Schritten.
Zunächst gibt es eine Identitätsprüfung. Vorschläge für gefährdete Personen können dabei von Nichtregierungsorganisationen, deutschen Stellen wie dem Goethe-Institut, der Bundeswehr oder dem Auswärtigen Amt eingereicht werden. Diese dienen zugleich als erste Anlaufstellen für die Identitätsüberprüfung.
Nach Angaben der Bundespolizei war die Identitätsfeststellung zwischen Oktober 2021 und März 2023 nur "unter herausfordernden Bedingungen" möglich. Immer wieder kam es zu Fälschungen von eingereichten Urkunden und Pässen.
Sicherheitsinterviews für Afghanen
Nach der vorübergehenden Aussetzung der Programme wurden auf Empfehlung der Bundespolizei verpflichtende, umfangreiche Sicherheitsinterviews für Afghanen eingeführt, die nun durch deutsche Sicherheitsbehörden an der Botschaft in Islamabad (Pakistan) durchgeführt werden. Rund 4.8000 Afghanen haben diese Prüfung durchlaufen.
Anfang Februar landete ein Flugzeug mit schutzbedürftigen Afghanen in Berlin. Ursprünglich standen 157 Personen auf der Passagierliste, tatsächlich angekommen sind jedoch nur 126. Bei 25 Personen konnte die Identität nicht eindeutig und zweifelsfrei festgestellt werden. Sie mussten daher zunächst in Pakistan verbleiben, bis eine endgültige Klärung möglich ist.
Im Umkehrschluss bedeutet dies zugleich, dass es in der Vergangenheit, bevor die Sicherheitsinterviews eingeführt wurden, bei den etwa 31.000 eingereisten Afghanen zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte. Diese müsse dann die Bundesregierung verantworten.