Maaßens Chemnitz-Äußerung Linke fordert Ablösung des "AfD-Verstehers"
Er sehe keine belastbaren Informationen für Hetzjagden in Chemnitz, sagte Hans-Georg Maaßen. Jetzt soll der Präsident des Verfassungsschutzes Belege für diese Aussage liefern. Die Linkspartei fordert seine Entlassung.
In der Debatte um das Ausmaß der Übergriffe auf Ausländer in Chemnitz hat die SPD-Spitze Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen aufgefordert, Belege für seine Zweifel an der Authentizität entsprechender Videos vorzulegen. "Wenn der Chef des Inlandsgeheimdienstes der Bundeskanzlerin öffentlich widerspricht, muss er für seine Behauptungen jetzt umgehend Beweise vorlegen", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Maaßen hatte gegenüber der "Bild"-Zeitung geäußert, ihm lägen keine belastbaren Informationen darüber vor, dass Hetzjagden stattgefunden hätten. Zu einem Video, das Jagdszenen auf ausländische Menschen zeigen soll, sagte Maaßen: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist." Es sprächen gute Gründe dafür, dass es sich um "eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken".
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Auch Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann kritisierte Maaßen: "Wir haben Bilder gesehen, wir haben Zeugen gehört, wir haben gesehen, wie Menschen da den Hitlergruß offen auf der Straße gezeigt haben", sagte Oppermann. Eine Gruppe von Sozialdemokraten sei ebenfalls "von rechten Hooligans angegriffen worden". In solchen Fällen müsse "der Staat dagegenhalten". "Wir haben ein staatliches Gewaltmonopol, und ehrlich gesagt, das zu verteidigen, ist auch Aufgabe des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz", sagte Oppermann.
Auch der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter fordert entsprechende Belege des Verfassungschutzpräsidenten. "Wenn Herr Maaßen solche Behauptungen aufstellt, muss er sie zweifelsfrei belegen", sagte Hofreiter am Freitag der Zeitung "taz". Alles andere sei unverantwortlich. Mit seinen "unpräzisen Aussagen" hinterlasse der Verfassungsschutz-Chef den Eindruck, er wolle die Vorfälle in Chemnitz herunterspielen und vom Problem des Rechtsextremismus ablenken. "Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die angegriffen wurden", sagte Hofreiter.
Die Linken-Chefin Katja Kipping bezeichnet Maaßen als "AfD-Versteher" und fordert die Ablösung des Verfassungsschutz-Präsidenten. Dieser sei "in diesem Amt nicht mehr haltbar", sagte Kipping am Freitag in Berlin. Anstatt die Verfassung zu verteidigen, missbrauche Maaßen "die Autorität seines Amtes, um jenen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen, die in Chemnitz den Hitlergruß zeigten und zum Töten von Menschen aufriefen".
"Vollkommen falscher Dreh"
Aufklärung seitens Maaßens sieht auch der CDU-Innenexperte Stephan Harbarth geboten. Es müsse nun rasch geklärt werden, "ist dieses Bildmaterial echt oder ist es nicht echt. Da muss Herr Maaßen jetzt mal sagen, woher seine Zweifel eigentlich kommen", sagte der Unionsfraktionsvize der Deutschen Presse-Agentur am Freitag am Rande der Klausur der Fraktionsspitze in Berlin.
Unterstützung erhält Maaßen hingegen von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. "Es ist seine Aufgabe, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wie seine Faktenlage dazu ist", sagte Dobrindt am Freitag am Rande der Klausur der Unionsfraktionsspitze in Berlin. "Jetzt auf der einen Seite den Präsidenten zu kritisieren, aber vollkommen unkritisch irgendwelche Videos aus dem Internet als per se glaubhaft zu übernehmen, das ist sicherlich ein vollkommen falscher Dreh", sagte Dobrindt. "Alle Informationen dazu müssen in so einer Diskussion, die ja von größtem öffentlichen Interesse ist, auf den Tisch", äußerte er weiter.
Unterstützung aus Sachsen
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hat die Einschätzungen Maaßens zu den Vorfällen in Chemnitz mittlerweile gestützt. "Nicht nur das Bundesamt für Verfassungsschutz, sondern auch der Generalstaatsanwalt in Sachsen hat keinerlei Erkenntnisse, dass es sich um Hetzjagden gehandelt hat", sagte Wöller am Freitag dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).
Nach der tödlichen Messerattacke auf einen 35-jährigen Deutschen mit kubanischen Wurzeln in Chemnitz vor gut zwei Wochen – tatverdächtig sind Asylbewerber – hatte es in der sächsischen Stadt Demonstrationen von Rechtsgerichteten, Neonazis und Gegnern der deutschen Flüchtlingspolitik gegeben, dabei kam es zu Übergriffen auf Polizisten, Journalisten und Ausländer. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Regierungssprecher Steffen Seibert hatten von "Hetzjagden" gesprochen.
- dpa
- AFP