Migration: "Mutter aller Probleme"? Seehofer geht nach Chemnitz auf Distanz zu Merkel
Ein erneuter Affront gegen Angela Merkel? Der Bundesinnenminister hat voreilige Äußerungen über die Vorfälle Chemnitz scharf kritisiert – und damit auch die Stellungnahme des Kanzleramtes.
Nach den Krawallen in Chemnitz hat sich nun auch Horst Seehofer zu Wort gemeldet. Der CSU-Innenminister sieht Deutschland als "ein gespaltenes Land". Ursache dafür sei zwar nicht alleine die Flüchtlingspolitik, sagte Seehofer der "Rheinischen Post". "Aber die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land." Viele Menschen würden jetzt ihre sozialen Sorgen damit verbinden. Wenn der Kurswechsel nicht gelinge, "werden wir weiter Vertrauen verlieren".
Wie die "Welt" in der Nacht zum Donnerstag unter Berufung auf Teilnehmerkreise berichtete, sagte Seehofer am Rande der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im brandenburgischen Neuhardenberg, er habe Verständnis, wenn sich Leute empörten, das mache sie noch lange nicht zu Nazis.
Nach der Tötung eines 35-Jährigen in Chemnitz hatte es dort in den vergangenen Tagen mehrfach Kundgebungen und Aufmärsche rechter Gruppen gegeben. Es kam dabei auch zu Angriffen auf Ausländer und Journalisten. Zwei mutmaßlich aus Syrien und dem Irak stammende Männer sitzen wegen des Tötungsdelikts in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen wird seit Dienstag gefahndet.
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Außerdem äußerte er sich zu den Vorfällen in Chemnitz einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge intern: "An erster Stelle steht ein brutales Verbrechen". Da würden Debatten geführt, in denen das ursprüngliche Verbrechen gar keine Rolle mehr spiele, sagte er demnach.
Wie "Welt" und "Bild" übereinstimmend berichteten, sagte Seehofer, die Migration sei die "Mutter aller Probleme".
Seehofer war von einigen Bundespolitikern vergangene Woche für sein langes Schweigen zu den Vorfällen in Chemnitz kritisiert worden.
Legt sich Seehofer erneut mit der Kanzlerin an?
Auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte nach den Übergriffen in Chemnitz Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) widersprochen, die "Hetzjagden" auf Ausländer verurteilt hatte. Kretschmer sagte, das Geschehen in Chemnitz müsse richtig beschrieben werden. "Klar ist: Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome", so Kretschmer.
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Seehofer bekräftigte diese Meinung offenbar. Laut der Nachtrichtenagentur dpa sagte er die Informationen der Regierungserklärung aus Sachsen stünden "ja möglicherweise im Widerspruch zur Stellungnahme des Kanzleramtes", die er aber noch nicht in Gänze kenne.
Der CSU-Vize sagte demnach weiter, er sei "immer dafür, dass man sich als Politiker zu solchen Dingen erst einlässt, wenn man authentische Informationen hat". Deshalb habe er selbst sich nach dem Tötungsdelikt und den anschließenden Protesten erst einmal bei der Landesregierung und der Polizei nach den Einzelheiten erkundigt.
Merkel dagegen bekräftigte am Mittwoch ihre Verurteilung der Auseinandersetzungen und Proteste.
- AFP, dpa