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Warum geschlechtergerechte Sprache? Die Stadt Hannover beantwortet Fragen


Leser schreiben, Stadtverwaltung antwortet
Geschlechtsneutrale Sprache: "Es kostet kein Geld und nicht mehr Zeit"

Von t-online
Aktualisiert am 23.01.2019Lesedauer: 4 Min.
Männer, Frauen und diverse Menschen: In der geschlechtsneutralen Sprache der Stadt Hannover sollen sich alle angesprochen fühlen.Vergrößern des Bildes
Männer, Frauen und diverse Menschen: In der geschlechtsneutralen Sprache der Stadt Hannover sollen sich alle angesprochen fühlen. (Quelle: Christian Ohde/imago-images-bilder)

Viele Leser von t-online.de wundern sich, warum die Stadt Hannover geschlechtsneutrale Sprache verwenden will. Wir haben die Behörde mit ihren Aussagen konfrontiert.

Am vergangenen Freitag verkündete die Stadtverwaltung Hannover, künftig eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache nutzen zu wollen. Statt "Lehrer und Lehrerinnen" heißt es in der Behörde "Lehrende", statt "Rednerpult" dann "Redepult". Damit sollen auch diejenigen angesprochen werden, "die sich selbst nicht als Frau oder Mann beschreiben", so die Stadt. "Noch stärker als bisher sollen zukünftig geschlechtsumfassende Formulierungen verwendet werden."

Am Dienstag berichteten auch überregionale Medien über das Vorhaben. Die Aufregung in den Kommentarspalten war groß. Auch auf t-online.de. Viele Leser üben Kritik. Einige Fragen und Positionen unserer User haben wir deshalb an die Stadt Hannover weitergeleitet. Maren Gehrke, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte in der Verwaltung, hat sie beantwortet.

Leser schreiben, die Gleichstellungsbeauftragte Gehrke antwortet

User "Blauhemd" schreibt: "Nichts gegen die (notwendige) Gleichberechtigung, aber mit dieser krampfhaften geschlechtsneutralen Verunglimpfung unserer Sprache tuen wir weder uns noch anderen einen Gefallen.

Ich frage mich, wie Menschen mit dem dritten Geschlecht "divers" anzusprechen sind. Denn die Anreden mit Frau oder Herr gehen ja wohl nicht, weil das zu geschlechtsspezifisch ist. Und wie ist die (eindeutige) Vornamenswahl für diese geschlechtsneutralen Personen geregelt? Zu beiden Punkten hat sich der Gesetzgeber nicht artikuliert. – Aber vielleicht hat der Hannoveraner Amtsschimmel die perfekte Lösung parat."

Maren Gehrke antwortet: "Eine Anrede zum Beispiel durch Vor- und Nachnamen statt der Anrede mit "Herr" oder "Frau" ist eine Möglichkeit. Häufig lässt sich eine solche Anrede auch durch ein schlichtes "Guten Tag" umgehen. In Sachen Namensgebung ist es schon seit einigen Jahren bundesweite Rechtssprechung, dass uneindeutige Namen, wie zum Beispiel "Kim", nicht mehr durch einen eindeutigen zweiten Namen ergänzt werden müssen, wenn dies der Wunsch der Eltern ist."

User "Hintergrund" schreibt: "Ergänzend zum Thema "Gender" siehe folgende Artikel in "Wikipedia: - Gender, - Gendergap (Linguistik), - Geschlechtergerechte Sprache... Es ist nicht mehr aufzuhalten – es ist im wahrsten Sinne des Wortes "in aller Munde"! Aber eine Frage sei erlaubt: Bringt es den Frauen das, was sie sich davon versprechen: Mehr Geschlechtergerechtigkeit? Da habe ich meine Zweifel!"

Gehrke: "Frauen sind nach wie vor strukturell benachteiligt. Sprache ist ein Aspekt, der gesellschaftliche Diskriminierung abbildet und hat einen großen Einfluss auf Wirklichkeit und kann diese mitverändern. Geschlechtsumfassende Sprache hilft, dass sich mehr Menschen angesprochen fühlen, und kann einen Teil dazu beitragen, die Gleichstellung aller Geschlechter in der Gesellschaft voranzutreiben.

Mehr Geschlechtergerechtigkeit kann unter anderem durch Sprache erreicht werden. Während Chefsekretärin die Sekretärin des Chefs meint, ist ein Chefsekretär der leitende Funktionär einer Organisation – so steht es im Duden. Und so gibt es viele Chefsekretärinnen, kaum aber Frauen die Chefsekretär sind. Schlicht, weil es nicht mal sprachlich vorgesehen ist, in dieser Position arbeiten zu können. Für Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann definieren wollen oder können, gilt dies noch viel mehr. Ihre ganze Existenz wurde lange Zeit einfach verleugnet. Wir sind demnach höchst erfreut wenn alle Geschlechter "in aller Munde" sind, denn dann sind sie alle angesprochen."

User "Hintergrund" schreibt weiter: Es gäbe so Vieles, was man für die sogenannte "Geschlechtergerechtigkeit" tun könnte – insbesondere als Politiker – aber hier wird wieder nur "geplappert, gefaselt und schwadroniert" anstatt anzupacken und die Dinge zu ändern, wo es notwendig ist.

Gehrke antwortet: Empfehlungen zur geschlechtergerechten Sprache sind nur ein Bruchteil dessen, was für Geschlechtergerechtigkeit getan wird. Andere Themenbereiche wie sexuelle Belästigung oder häusliche Gewalt werden dadurch nicht vernachlässigt.

User "Heinrich Ruebenkraut" schreibt: "Sind unsere Behörden eigentlich noch ganz frisch? Andere Sorgen als diesen Genderblödsinn haben wir wohl nicht! Kaputte Straßen und Wohnungsmangel, nicht mehr bezahlbare Mieten und vieles mehr sind wohl nicht so wichtig wie dieser Blödsinn. Auch ohne diesen Quatsch respektieren wir die Gleichheit zwischen Mann und Frau."

Gehrke antwortet: "Geschlechtsumfassend zu formulieren, steht weder der Sanierung von Straßen im Wege noch behindert es den sozialen Wohnungsbau, es kostet kein Geld und nicht mehr Zeit. Und trotzdem ist es eine Investition in die Gesellschaft, indem Diversität nicht nur mitgedacht, sondern auch sichtbar gemacht wird."

User_in "ProCon" schreibt: "Aus tiefster Seele: ich habe mich noch nie, nie, niemals benachteiligt gefühlt, wenn mich irgendjemand mit "Liebe Leser" angesprochen hat. Ich kann das gar niemandem verdeutlichen, wie sehr. Frauen werden noch immer geringer bezahlt als Männer, die Hausarbeit von Frauen wird noch immer geringschätziger beurteilt als die Arbeit von Männern. Da brauche ich so einen Murks nicht. Das ist ein Pflästerchen, das ist irgendwo was "Tolerantes" draufgepappt, was so unwichtig ist, wie wenn in China ein Fahrrad umfällt."

Gehrke antwortet: "Dann dürfte die geschlechtsumfassende Sprache Sie ja nicht stören, aber freuen für diejenigen, denen es wichtig ist, in ihrer geschlechtlichen Identität wahrgenommen und angesprochen zu werden."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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