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Robert Habeck beim Grünen-Parteitag: Jetzt wird's gefährlich


Robert Habeck
Jetzt wird's gefährlich


Aktualisiert am 27.01.2025 - 07:28 UhrLesedauer: 5 Min.
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Robert Habeck: "Wir werden den Populismus nicht schlagen, nicht besiegen, indem wir ihn adaptieren." (Quelle: ASSOCIATED PRESS/dpa-bilder)
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Robert Habeck beschwört auf dem Parteitag einen neuen Kampf um die Demokratie. Für die Grünen ist das im Wahlkampf komplizierter, als es klingt.

Es dauert acht Minuten, bis Robert Habeck dort angekommen ist, wo er heute hinwill mit seiner Rede: bei Friedrich Merz. Habeck steht in Berlin auf der Bühne des Grünen-Parteitags und spricht gerade über den Kanzlerkandidaten der CDU und dessen bröckelnde Brandmauer zur AfD. "Nichts daran ist harmlos", ruft Habeck.

Für Habeck können die Worte der Warnung an diesem Sonntag nicht groß genug sein. Irgendwann paraphrasiert er sogar Primo Levi, den italienischen Schriftsteller und Auschwitz-Überlebenden, wohl nicht zufällig. "Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen", hatte Levi über den Holocaust gesagt. Habeck sagt: "Wenn es in Österreich passieren kann, dann kann es auch in Deutschland passieren." Und meint damit eine Regierung mit Rechtsradikalen. Größer geht's kaum.

Plötzlich ist alles anders. Anders ernst. So könnte man das Gefühl beschreiben, das Robert Habeck auf dem Parteitag beschwören will. Dass es eigentlich um das Wahlprogramm gehen soll, die vielen kleineren und größeren Änderungswünsche seiner Partei daran, erwähnt er erst gar nicht. Und auch die eigenen Probleme im Wahlkampf wirken auf einmal sehr klein: die verkorkste Sozialabgaben-Debatte, das schlechte Krisenmanagement im Fall Gelbhaar.

Hält die politische Mitte gegen die Radikalen stand oder nicht? Darum geht es jetzt für Deutschland, so sieht Habeck das, so beschwört er es an diesem Tag in Berlin. Klingt nach klaren Fronten, nach Gut und Böse. Doch es ist für den Kanzlerkandidaten und seine Grünen in den restlichen vier Wochen des Wahlkampfs komplizierter, als es scheint.

Fast nur noch Migration

Nach Aschaffenburg ist das passiert, was die Grünen eigentlich fürchten: Der Wahlkampf dreht sich seit einigen Tagen fast nur noch um die Migrationspolitik. Wirtschaft, Infrastruktur, Klima – war da was?

Wissenschaftler weisen immer wieder darauf hin, dass es am Ende vor allem der AfD nutzt, wenn Demokraten versuchen, migrationspolitische Knallhartforderungen mit noch knallhärteren Forderungen zu überbieten. Weil die AfD eben radikaler sein kann als alle anderen. So jedenfalls die bisherige Erfahrung.

"Wir werden den Populismus nicht schlagen, nicht besiegen, indem wir ihn adaptieren", sagt Robert Habeck dazu in seiner Rede. "Das ist die demokratische Verwirrung, die gerade um sich greift."

Friedrich Merz aber glaubt offensichtlich, dass es doch irgendwie geht, gehen muss. Er kündigte vor einigen Tagen ein "faktisches Einreiseverbot" für Geflüchtete an, wenn er Kanzler wird, auch für solche Menschen, die Anspruch auf Schutz haben. Und wer seinen "Fünf-Punkte-Plan" dazu nicht akzeptiert, mit dem will die Union nicht regieren.

Die Grünen können und wollen das alles natürlich nicht mitmachen. Habeck selbst sagt zwar auch, Aschaffenburg dürfe "nicht ohne Folgen bleiben". Es brauche eine "ehrliche, harte Analyse, ob diese Tat hätte verhindert werden können".

Doch was er damit meint, ist etwas ganz anderes als das, was Merz meint. Die grünen Fragen nach Aschaffenburg lauten: Haben die Behörden alles getan, was sie hätten tun können? Gibt es genug Personal? Reichen die rechtlichen Möglichkeiten aus?

Es sind die vielen kleinen Stellschrauben, nicht der große Hammer des Friedrich Merz.

Wie umgehen mit Merz' großem Hammer?

Das mit den vielen kleinen Stellschrauben ist in einem zugespitzten Wahlkampf ohnehin schon schwerer zu erklären als das mit dem großen Hammer. Es ist ein Problem, das die Grünen schon länger kennen. Deshalb hoffen viele von ihnen eigentlich regelmäßig, dass die Migration in Wahlkämpfen keine große Rolle spielt. Allein, dass sie jetzt wieder das bestimmende Thema ist, ist für sie also unglücklich.

Doch Merz bringt die Grünen noch darüber hinaus in Schwierigkeiten. Denn eine Koalition mit der Union ist für die Grünen vermutlich die einzig realistische Möglichkeit, nach der Wahl zu regieren. Für viele grüne Realos ist es sogar seit Jahren die Wunschkoalition.

Wie also umgehen mit Merz' So-machen-wir's-oder-ihr-seid-raus-Bedingung? So klar wie bei seinen Warnungen ist Habeck hier in seiner Rede nicht. Er sagt nicht, was er auch sagen könnte, nämlich: Wenn ihr das wirklich nur genau so wollt bei der Migration, dann macht es ohne uns. "Dann können wir halt nicht regieren" – so, wie es Carsten Linnemann gesagt hatte, der CDU-Generalsekretär.

Dass Habeck das nicht tut, ist bemerkenswert. Denn es könnte für die Grünen den Vorteil haben, ihre zweifelnden Anhänger zu mobilisieren, die eine Regierung mit der Union verhindern wollen, mindestens eine mit dieser Union und diesem Friedrich Merz.

Doch statt sich selbst von Merz und der Union weiter abzugrenzen, macht Habeck in seiner Rede eher das Gegenteil: Er versucht, Merz die Umkehr leicht zu machen. Die neue Brandmauer, die Merz aus Habecks Sicht gerade zwischen den demokratischen Parteien aufbaut, die trägt er wieder ab.

Habeck fragt wohlwollend, ob das alles von Merz vielleicht nur "strategische Unachtsamkeit, impulsives Rausplappern von irgendetwas war". Habeck findet: "Das wäre schlecht, aber es ist wieder einzuholen. Das kann man korrigieren, keiner macht keine Fehler." Es klingt überraschend nachsichtig.

Die grüne Hoffnung

Warum Robert Habeck nicht einfach beides tut, also sagt, so regieren wir nicht mit, aber ihr könnt euch ja korrigieren, das ist nicht ganz klar. Vielleicht glaubt er, dass es seinem nach außen getragenen Selbstbild als großer Brückenbauer widersprechen würde.

In jedem Fall hofft Habeck, dass Merz am Ende doch nicht so weit gehen wird. Dass die Union vielleicht an Zustimmung in den Umfragen verliert und ins Nachdenken kommt. Dass die Merkel-Anhänger in der CDU doch noch laut werden und Merz widersprechen. Vor der Wahl oder auch danach.

Es passt zu dem, was Grüne auf den Fluren des Parteitags erzählen: dass angeblich viele Politiker der Union gerade sehr unglücklich sind mit Merz' großem Hammer. "Entweder ihr stimmt zu, oder ich stimme mit Rechtsradikalen", so beschreibt Habeck es in seiner Rede und sagt: "Das ist nicht Mitte, das ist Ideologie."

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Und tatsächlich ist die Sache ja kompliziert für die Union. Was ist, wenn wirklich nur die AfD mitmacht, mit der Merz eine Regierung immer noch deutlich ausschließt? Wollen sie dann wirklich einfach gar nicht regieren? Das alles ist in erster Linie ein strategisches Problem der Union, so sieht Habeck das. Und er will es nicht zu seinem machen, indem er nun auch Bedingungen stellt. Ein Merz-Problem, das kein Habeck-Problem werden soll.

Nur, ob das für die Grünen reicht? Ob es am Ende gut ausgehen kann? Die großen Demonstrationen für Demokratie an diesem Wochenende, von denen sie sich Rückendeckung erhoffen, werden dafür jedenfalls nicht ausreichen. Die Grünen werden sich noch mehr einfallen lassen müssen.

Oder wie Robert Habeck es an anderer Stelle in seiner Rede sagt: "Zuversicht ist nicht blinde Hoffnung. Zuversicht ist Arbeit an der Hoffnung."

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Gespräche auf dem Parteitag am 26. Januar in Berlin
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