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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sicherheitspolitik bei "Lanz" Journalist über Merz: "Da habe ich mich richtig erschreckt"

Zurückhaltung oder militärische Entschlossenheit? Bei "Markus Lanz" wurde diskutiert, wie Europa reagieren kann, wenn Trump Russland zum Sieg in der Ukraine verhilft.
Markus Lanz diskutierte am Mittwochabend mit seinen Gästen über die Folgen, die der Rückzug der USA aus ihrer Rolle als Weltpolizist für Deutschland und Europa haben könnte. Besonders bitter fielen die Prognosen der Talkrunde für die Ukraine aus. Ihr drohe ein Diktatfrieden nach russischen Vorgaben, war man sich sicher. Der als künftiger Kanzleramtschef gehandelte CDU-Politiker Thorsten Frei deutete an, wie die kommende Bundesregierung unter Friedrich Merz auf diese Gefahr reagieren will.
Die Gäste
- Thorsten Frei, CDU-Politiker
- Claudia Major, Militärexpertin
- Robin Alexander, "Welt"-Journalist
- Elmar Theveßen, USA-Korrespondent des ZDF
Man müsse umlernen und anerkennen, dass die USA in vielen Bereichen nicht mehr als Partner, sondern als Gegner agierten, verlangte die Politologin Claudia Major. Was Trump gegenwärtig zur Beendigung des Krieges in der Ukraine vorschlage, komme der Erfüllung der russischen Kriegsziele nahe.
Während der russische Präsident Wladimir Putin sich also in einer komfortablen Position befinde, hätten die Europäer im Falle einer Einigung zwischen den USA und Russland die Wahl zwischen zwei schlechten Möglichkeiten. Sie könnten ein entsprechendes Abkommen akzeptieren, müssten aber damit rechnen, dass Putin sich nicht daran hielte, oder sie könnten es ablehnen, ohne allerdings eine durchsetzbare Alternative präsentieren zu können, beschrieb die Politikwissenschaftlerin das Dilemma. Man habe sich von Russland und Amerika an die Wand spielen lassen.
Die Positionierung und Ungeduld Trumps in der Ukraine-Frage deutete Major als interessantes Zeichen amerikanischer Schwäche mit weltweiten Konsequenzen.
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Frei: Amerikaner verlieren an Glaubwürdigkeit
"Im Grunde verlieren die Amerikaner, wenn sie sich zurückziehen sollten, jede Glaubwürdigkeit", befand auch Frei. Die Vorschläge der Trump-Regierung seien für Europa insgesamt nicht akzeptabel, weil sie nicht zu einer nachhaltigen Befriedung führten. Erreiche Putin in der Ukraine seine Ziele, werde er an anderer Stelle weitermachen, prophezeite der Christdemokrat. Deutsche und Europäer müssten vor diesem Hintergrund schnell wieder zu eigener Stärke zurückfinden. "Konkret bedeutet das, dass wir die Ukraine mit allem, was wir an Möglichkeiten haben, unterstützen müssen."
Einigkeit herrschte unter den Talkteilnehmern darüber, dass die Staaten Europas nicht genug in ihre Verteidigungsfähigkeit investiert hätten. Allerdings, so der stellvertretende "Welt"-Chefredakteur Robin Alexander, habe man in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien nicht antizipieren können, dass die USA eine solche Kehrtwende vollziehen würden. "Der Verrat wird gerade von den Amerikanern begangen und nicht von den Europäern", urteilte der Journalist. Die Trump-Regierung lege innen- und außenpolitisch mit ihrem destruktiven Verhalten alles in Schutt und Asche.
Hat Trump Angst vor einem Atomkrieg?
Über die Gründe für Trumps russlandfreundliche Haltung konnten die Diskutanten freilich nur spekulieren. Möglicherweise habe er Angst vor Putin und einem Atomkrieg, oder die Ukraine sei ihm schlicht egal, mutmaßte der USA-Korrespondent Elmar Theveßen. Zudem könne sich nicht nur der russische, sondern auch der amerikanische Präsident selbst vom Verlauf des Krieges in der Ukraine zu außenpolitischer Rücksichtslosigkeit ermutigt fühlen.
Würden die Europäer einknicken, könne Trump in Israel und Nahost oder auch in Panama und Grönland Gebietsansprüche geltend machen. Das angekündigte deutsche Investitionsprogramm für die Aufrüstung habe in den USA durchaus für Aufmerksamkeit gesorgt. "Man sieht Deutschland als möglichen Partner, aber auch ein Stück weit als Kontrahenten", erläuterte der ZDF-Journalist mit Blick auf Trumps weltpolitische Ambitionen.
Alexander riet der kommenden deutschen Regierung und den Europäern zur Zurückhaltung. Solange man nicht in der Lage sei, sich von den USA unabhängig zu machen, solle man lieber den Ball flach halten, statt beispielsweise laut über eine neue China-Politik nachzudenken. "Wenn wir das mit Europa in Ordnung bringen, dann können wir schon drei Kreuze machen", konstatierte der "Welt"-Journalist und resümierte: "Es kommt die Zeit, kleine Brötchen zu backen."
Journalist kritisiert Merz-Auftritt
Dass Merz kürzlich in der ARD-Talkshow "Caren Miosga" nicht nur die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine in Aussicht gestellt, sondern mit der Krim-Brücke sogar ein mögliches Angriffsziel benannt habe, beurteilte Alexander vor diesem Hintergrund kritisch. "Da habe ich mich richtig ein bisschen erschreckt, als ich das im Fernsehen gesehen habe", erklärte er.
"Wenn uns in der Vergangenheit eines gefehlt hat, dann ist es die Entschlossenheit", hielt Frei dem entgegen. Dazu gehöre, dass man Ziele definiert, hinter denen man dann auch stehe. "Wir müssen Putin schon deutlich machen, dass er für all das auch einen Preis zu bezahlen hat", forderte der CDU-Politiker. Gleichzeitig machte Frei deutlich, dass auch auf die deutsche Gesellschaft Kosten und Einschnitte zukommen werden. "Wir sollten nicht so tun, als könnte man jede Aufgabe mit noch mehr Geld lösen, ohne dass man dafür an anderen Stellen Einsparungen bringen muss. Das geht einfach nicht", sagte der Christdemokrat und nahm besonders die Ausgaben für den Sozialstaat ins Visier.
"Wenn es um die Pflegeversicherung geht, stehen wir vor eklatanten und sehr kurzfristigen Finanzierungsproblemen", warnte Frei beispielsweise. Auch die hohen staatlichen Zuschüsse ins Rentensystem bereiteten ihm Sorge, erläuterte der mögliche künftige Kanzleramtschef. Steuererhöhungen bezeichnete er bei seinem TV-Auftritt dennoch als absolut falsch, komplett ausschließen wollte er sie aber auch nicht.
- zdf.de: "Markus Lanz" vom 23. April 2025