Bundestagswahl 2025 Wie sinnvoll ist es, taktisch zu wählen?
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Im Wahlkampf fordern einige Parteien auf ihren Wahlplakaten dazu auf, ihnen nur die Erst- oder Zweitstimme zu geben. Und auch einige Wähler taktieren mit ihren Stimmen. Doch sollte man das wirklich tun?
Kurz vor der Bundestagswahl hat ein Viertel der Wähler noch nicht entschieden, welcher Partei sie ihre Stimme geben möchten. Fühlt man sich von keiner Partei optimal repräsentiert oder ist es einem wichtig, politischen Strömungen entgegenzuwirken, erscheint das taktische Wählen als eine sinnvolle Art der Stimmenabgabe.
Doch was genau ist das eigentlich? Wie sinnvoll ist diese Art des Wählens? Und wie wird taktisch richtig gewählt? Ein Überblick.
Taktisches Wählen: Was ist das?
Taktisches Wählen bezeichnet eine bewusste strategische Entscheidung bei Wahlen, die nicht nur aus persönlicher Überzeugung erfolgt, sondern mit dem Ziel, das Wahlergebnis gezielt zu beeinflussen.
Dabei setzen Wähler ihre Stimme so ein, dass eine gewünschte Partei oder politische Ausrichtung gestärkt oder eine unerwünschte Partei geschwächt wird. Dies kann etwa bedeuten, eine kleinere Partei zu unterstützen, damit sie die Fünf-Prozent-Hürde überwindet und als Koalitionspartner infrage kommt.
- Wahl-O-Mat: Welche Partei passt zu Ihnen?
Stimmen werden auch taktisch eingesetzt, um gewisse Regierungskonstellationen zu ermöglichen oder zu verhindern. So kann es entscheidend sein, ob eine kleinere Partei in den Bundestag einzieht und damit die Anzahl der notwendigen Sitze für eine Regierungsmehrheit verändert. Das Ergebnis einer größeren Partei kann ebenfalls darüber entscheiden, ob sie für eine Regierung infrage kommt.
Aber auch im eigenen Wahlkreis setzen Menschen ihre Stimmen taktisch ein. Durch das sogenannte "Stimmen-Splitting" wird die Erststimme für einen Kandidaten einer Partei vergeben, während die Zweitstimme taktisch einer anderen Partei zugutekommt. Hierbei wird darauf abgezielt, das Direktmandat, das über die Erststimme vergeben wird, der Partei zukommen zu lassen, die die besten Aussichten auf Erfolg im Wahlkreis hat. Und freilich auch die höchste politische Nähe zu einem selbst. Den Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimmen haben wir Ihnen hier noch einmal erklärt.
Ist taktisches Wählen wirklich sinnvoll?
Taktisches Wählen kann Wahlergebnisse stark beeinflussen. In Deutschland spielte es bei vergangenen Bundestagswahlen insbesondere eine Rolle, wenn kleinere Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde kratzten. Bei Landtagswahlen können strategische Stimmabgaben aufgrund der Anzahl der Wähler und den kleineren Hürden für Parteien einen noch größeren Einfluss einnehmen.
Kritiker argumentieren, dass taktisches Wählen zu einer Verzerrung des tatsächlichen Wählerwillens führen kann. Zudem kann es riskant sein: Sollte eine Partei trotz taktischer Unterstützung die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden, könnten die Stimmen verloren gehen und die Mehrheitsverhältnisse im Parlament verschieben.
Die Wahlrechtsreform 2023 könnte zudem die Möglichkeiten des taktischen Wählens einschränken, da Überhang- und Ausgleichsmandate abgeschafft wurden. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Wie wähle ich richtig taktisch?
Zunächst müssen Sie für sich entscheiden, was genau Sie mit Ihren Stimmen bezwecken möchten. Ist es Ihnen wichtig, eine bestimmte Partei zu unterstützen, ist das taktische Wählen wahrscheinlich nicht die richtige Variante für Sie. Fühlen Sie sich allerdings keiner Partei richtig zugehörig, könnte das taktische Wählen für Sie infrage kommen. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Kleine Parteien unterstützen (Fünf-Prozent-Hürde)
- Ziel: Eine Partei ins Parlament bringen, die sonst an der Hürde scheitern könnte.
- Wann sinnvoll? Wenn eine Partei knapp unter 5 % steht und Sie möchten, dass sie in den Bundestag einzieht.
- Risiko: Falls die Partei unter 5 % bleibt und keine drei Direktmandate gewinnt, geht die Stimme verloren (die Stimme kann die Partei jedoch hinsichtlich der Parteienfinanzierung unterstützen).
Stärkere Parteien wählen, um eine Regierung zu beeinflussen
- Ziel: Eine bestimmte Koalition ermöglichen oder verhindern.
- Wann sinnvoll? Wenn Sie verhindern wollen, dass eine ungewollte Partei an die Macht kommt.
- Risiko: Koalitionen hängen nicht nur von der Stimmverteilung ab. Damit Parteien eine Koalition eingehen, müssen erfolgreiche Sondierungsgespräche geführt werden. Ob die gewünschte Regierung zustande kommt, lässt sich also nicht beeinflussen.
Erst- und Zweitstimme clever nutzen ("Stimmen-Splitting")
- Ziel: Direktkandidaten unterstützen oder verhindern, aber mit der Zweitstimme eine andere Partei stärken.
- Wann sinnvoll? Wenn Sie einen Direktkandidaten verhindern wollen und der Kandidat Ihrer favorisierten Partei keine Erfolgsaussichten hat oder Ihre Partei keinen Kandidaten aufgestellt hat.
- Risiko: Prognosen für Wahlkreise können ungenau sein. Wie hoch die Erfolgsaussichten welcher Kandidaten wirklich sind, lässt sich nie zuverlässig vorhersagen.
"Schadensbegrenzung" – das kleinste Übel wählen
- Ziel: Die Partei verhindern, die Sie am wenigsten mögen.
- Wann sinnvoll? Wenn Sie eine Partei mit hohen Erfolgschancen stark ablehnen und eine andere Partei wählen, um sie zu blockieren.
- Risiko: Es besteht die Möglichkeit, dass Ihre persönlichen Interessen von Ihrer Kompromisslösung nicht richtig vertreten werden.
Bitte beachten Sie:
Ihre Wahlentscheidung und das Abstimmungsverhalten sind Ihre freie Entscheidung. Dieser Artikel dient dazu, Sie über verschiedene Möglichkeiten der Stimmabgabe zu informieren. Welche Parteien Sie wählen und wie Sie Ihre Stimmen verteilen möchten, bleibt vollkommen Ihnen überlassen.
- Dieser Text wurde teilweise mit maschineller Unterstützung erstellt und redaktionell geprüft. Wir freuen uns über Hinweise an t-online@stroeer.de.
- Eigene Recherche
- wahlrecht.de: "Taktisches Wählen"
- tagesschau.de: "Strategisches Wählen? Was das bei der Bundestagswahl bringt"