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AKP-Ableger Dava: Türkischer Präsident Erdoğan greift mit Partei nach Europa


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AKP-Ableger Dava
Erdoğan greift nach Europa


30.01.2024Lesedauer: 5 Min.
Recep Tayyip Erdoğan bei einer Wahlkampfrede (Archivbild): Experten sehen in der Dava einen AKP-Ableger.Vergrößern des Bildes
Recep Tayyip Erdoğan bei einer Wahlkampfrede (Archivbild): Experten sehen in der Dava einen AKP-Ableger. (Quelle: MURAD SEZER/reuters)
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Erdoğan-Anhänger haben die "Partei Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" (Dava) für die Europawahl aufgestellt. Experten sehen in ihr einen Ableger der türkischen AKP.

Die Türkei will ihren Einfluss in Europa offenbar ausweiten. Das legt eine neue Partei nahe, die in Deutschland kurz vor ihrer Gründung stehen soll und nach eigenen Aussagen schon bei der Europawahl im Sommer zum ersten Mal antreten will. Konkret geht es um die "Partei Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" (Dava), über deren mögliche Gründung zunächst die "Bild" unter Berufung auf Gründungspapiere berichtete.

Beobachter sehen in ihr einen Ableger der AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Deutsche Politiker sind alarmiert: "Ein Erdoğan-Ableger, der hier zu Wahlen antritt, ist das Letzte, was wir brauchen", schrieb etwa Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf der Plattform X (vormals Twitter). "Das ist eine Partei, die offenbar spalten will", meinte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Und auch Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) warnte: "Das wäre eine weitere extreme Partei im Land."

In der Tat spricht vieles dafür, dass Erdoğan mit der Dava seinen Einfluss in Deutschland und Europa ausweiten will. Doch welche Erfolgsaussichten hat er damit?

Experte hält Dava-Statement für "zynisch"

In den sozialen Medien präsentiert sich die Dava zunächst moderat. Sie wolle "neue politische Heimat" sein "für viele Bürger, die von den etablierten Parteien nicht repräsentiert werden", heißt es in einer ersten Erklärung, gepostet von Dava-Gründer und dem wahrscheinlichen Parteichef in Deutschland Teyfik Özcan.

Dabei ist die Dava jedoch bislang keine Partei, obgleich sie "Partei" im Namen trägt. Wie das Büro der Bundeswahlleiterin auf Anfrage von t-online mitteilt, habe die Dava am 7. Januar ihre Teilnahmebereitschaft zur Europawahl 2024 und damit auch die Gründung als "sonstige politische Vereinigung" angezeigt. Für diese seien die Teilnahmebedingungen für die Europawahl identisch mit der einer Partei.

Ziel der Dava bei der Wahl, so heißt es in ihrer Erklärung, sei es, "Ungleichbehandlung" zu benennen und "dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen mit ausländischen Wurzeln ihre Rechte in vollem Umfang zugesprochen bekommen". Man positioniere sich gegen antimuslimischen Rassismus und Antisemitismus.

Berichte über eine Nähe zur AKP weist ihr Gründer zurück. Grund zu dieser Annahme geben jedoch etwa die Netzwerke der Dava-Spitzenkandidaten für die Europawahl. Sie reichen offenbar weit bis nach Ankara: Sowohl der Rechtsanwalt Fatih Zingal als auch der Arzt Dr. Ali Ihsan Ünlü sowie der Mediziner Mustafa Yoldaş gelten als Unterstützer Erdoğans und haben Verbindungen zu Organisationen in Deutschland, die der AKP nahestehen. Mehr dazu lesen Sie hier. Professor Burak Çopur, Essener Politikwissenschaftler und Türkei-Experte, sieht in der Dava auch darum eindeutig einen Ableger der AKP.

Dass es der Partei tatsächlich um den Kampf gegen Rassismus und Integration geht, glaubt er daher nicht. "Der türkische Präsident ist in den letzten Monaten erneut durch übelsten Antisemitismus aufgefallen und durch Kooperation mit der Hamas", sagt der Experte gegenüber t-online. "Insofern halte ich es für zynisch, dass sich diese Partei nun für ausgegrenzte und diskriminierte Türkeistämmige in Deutschland einsetzen will." Erdoğan hatte sich in Bezug auf den Krieg in Nahost in den vergangenen Wochen mehrfach antisemitisch geäußert. So hatte er etwa Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit Adolf Hitler verglichen.

Experte sieht "Strategie Erdoğans" bei Dava

Die Dava-Spitzenkandidaten könnten freilich viel eher aufgrund ihrer Nähe zu Erdoğan in deutschen Parteien nicht mehr erwünscht sein. "Dass sie jetzt eine Partei gründen, ist also für sie eine Flucht nach vorne, um Erdoğan-Anhängern und islamisch-nationalistischen Wählerkreisen in Deutschland eine politische Heimat zu bieten", meint Çopur. Der Politikwissenschaftler an der IU Internationalen Hochschule in Essen forscht seit Langem zu Fragen der Migration und Integration der türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland. Er sieht in dem Vorgehen der Dava die "Strategie Erdoğans".

"Sie spielen auf der Klaviatur der Opferrolle und inszenieren sich zu als Unrecht Ausgegrenzte", so Çopur. Doch: "In der Türkei ist der Unrechtsstaat von Erdoğan verantwortlich für Demokratieabbau, Antisemitismus, LGBT- und Minderheitenfeindlichkeit", so der Experte weiter. Die AKP-nahen Gründer der Dava seien daher "keine lupenreinen Demokraten". Im Gegenteil: In der Vergangenheit, so Çopur, seien sie immer wieder durch populistische, islamisch-nationalistische Parteipropaganda für die AKP aufgefallen.

Dass die Dava bei der Europawahl den Sprung ins Europäische Parlament schafft, will Çopur dennoch nicht ausschließen: "Wenn sie all die Strukturen ausschöpft, die ihr zur Verfügung stehen – DITIB, türkische Botschaft, Fernsehkanäle, soziale Medien – dann ist das nicht unrealistisch." In Deutschland etwa holte die AKP bei der vergangenen Präsidentschaftswahl 67 Prozent der Stimmen. Von den 1,5 Millionen wahlberechtigten Deutschtürken hatten sich damals nach offiziellen Angaben 732.000 Personen an der Stichwahl beteiligt. Mehr dazu lesen Sie hier. Laut Çopur könnte die Dava einzelne Abgeordnete in das Europäische Parlament bekommen. "Eine Fraktionsbildung halte ich nicht für möglich", so der Experte. Dazu wären mindestens 23 Abgeordnete aus wenigstens einem Viertel der 27 Mitgliedstaaten erforderlich.

Doch auch die einzelnen Abgeordneten würden Lobbyarbeit für Erdoğan betreiben und populistische Stimmung verbreiten, warnt er. "Sie werden einen Keil in die Einwanderungsgesellschaft in Deutschland treiben", sagt Çopur. "Erdoğan wird mit seinen Statthaltern der Dava-Partei seine Spaltungspolitik auch hierzulande fortführen. Das wird Gift werden für die Integration und das friedliche Zusammenleben der Kulturen", führt er aus. Die mögliche Gründung der Partei werde zu mehr Spaltung und Konflikten in der türkeistämmigen Community führen, auch bei den Jugendlichen. Diese dürfen ab 16 Jahren erstmalig bei den Europawahlen wählen.

Experte weist Kritik der Union zurück

In der Bundesregierung reagiert man auf die Berichte einer möglichen Parteigründung der Dava darum mit mahnenden Worten. SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte am Sonntag Welt-TV: "Für mich ist es wichtig, dass wir gerade unseren türkischstämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland deutlich machen, dass Deutschland zusammengehört, dass wir ein Volk sind", so die SPD-Politikerin. Man werde es nicht zulassen, dass "die spalterischen Tendenzen eines Recep Tayyip Erdoğan" eine Rolle in der Politik spielen.

Unionspolitiker nehmen die Dava indes zum Anlass, ihre Kritik an der von der Ampelkoalition geplanten Reform des Staatsbürgerschaftsrechts zu verschärfen. Mit der Reform will die Bundesregierung die doppelte Staatsbürgerschaft künftig grundsätzlich möglich machen. CDU und CSU hätten "ausdrücklich davor gewarnt, dass eine erleichterte doppelte Staatsbürgerschaft es attraktiv machen wird, einen Erdoğan-Ableger in Deutschland zu gründen", schrieb etwa Vize-Fraktionschef Jens Spahn am Montag auf X. Politikwissenschaftler Çopur widerspricht dem jedoch.

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"Das ist kompletter Unsinn", sagt der Experte. "Diese Parteigründung ist kein Ergebnis von zu viel Integration, sondern von weniger Integrationsangeboten. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein wichtiger Schritt, um Menschen in Deutschland zu integrieren", so Çopur. Aus der Forschung wisse er, dass sich ein Mensch mit der deutschen Staatsbürgerschaft eher mit Deutschland identifiziere als jemand, der bei seiner Staatsbürgerschaft bleibe.

Dass die Dava sich gerade jetzt gründet, liegt laut Çopur vielmehr an den derzeitigen politischen Veränderungen in Deutschland. "Die Dava ist alter Wein in neuen Schläuchen, sie versucht aber nun in dieses Machtvakuum der Parteien zu stoßen und die Menschen, die sich von den etablierten Parteien abgewandt haben, aufzufangen", so der Politologe. An einen Erfolg, etwa auch auf Bundesebene, glaubt er jedoch nicht, denn bereits in der Vergangenheit waren ähnliche Parteien krachend gescheitert. Das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) hat auf Bundes- und Europaebene keine Relevanz. Auch die Allianz Deutscher Demokraten (ADD) erreichte bei keiner Wahl mehr als 0,15 Prozent.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Gespräch mit Burak Çopur, Politikwissenschaftler an der IU Internationalen Hochschule in Essen
  • Eigene Recherche
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