Kandidaten für Europawahl benannt Erdoğans deutsche Statthalter machen sich bereit
Die Partei DAVA will auch in Deutschland zur Europawahl antreten. Die Kandidaten sind gut mit der türkischen Regierung vernetzt.
Die Türkei ist zwar kein EU-Mitglied, politisch wird sie aber dennoch bald mitspielen können – zumindest indirekt. Denn in einigen EU-Ländern, darunter auch in Deutschland, hat sich eine Partei gegründet, die an den Europawahlen im Juni teilnehmen will. Sie nennt sich "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" (DAVA) und gilt als inoffizieller Ableger der Erdoğan-Partei AKP.
In Deutschland gibt es sogar schon Spitzenkandidaten: der Rechtsanwalt Fatih Zingal, der Arzt Dr. Ali Ihsan Ünlü und der Mediziner Mustafa Yoldaş. Die Männer gelten allesamt als besonders Erdoğan-freundlich. Yoldaş soll nach Angaben der "Bild" im Bundesinnenministerium wegen "Unterstützung der Hamas und ihr nahestehender Organisationen" bekannt sein. Eine von ihm geleitete "Internationale Humanitäre Hilfsorganisation" sei 2010 verboten worden.
Arzt aus Moscheen-Organisation DITIB dabei
Offenbar ist auch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) mit dabei. Denn der Arzt Ali Ihsan Ünlü soll einer ihrer Funktionäre sei. Die Organisation betreibt 900 Moscheen in Deutschland und hat etwa 800.000 Mitglieder. Sie ist, so belegen laut Deutscher Welle Recherchen des Deutschen Bundestages, sehr eng mit dem türkischen Präsidium für religiöse Angelegenheiten verbunden – das wiederum Präsident Erdoğan unterstellt ist. Die Organisation weigerte sich 2017, bei einer – von muslimischen Verbänden mitunterstützten – Veranstaltung gegen islamistischen Terror mitzumachen. Nach einem Putschversuch in der Türkei soll die Organisation 2016 versucht haben, Unterstützer des angeblichen Anführers Fetullah Gulen auszuspionieren. Gegen 19 Imame wurden Ermittlungen begonnen.
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Fatih Zingal gilt ebenfalls als Erdogan-Anhänger. Als es aus Deutschland viele Stimmen der hier ansässigen Türken für die Verfassungsänderung in der Türkei gab, beklagte er, dass viele von ihnen in Deutschland gesellschaftlich ausgegrenzt würden und "sich nicht trauten, ihre Meinung auszusprechen". Auf Facebook beschrieb er die DAVA als "als neue politische Heimat für viele Bürger, die von den etablierten Parteien nicht repräsentiert werden." Im Dezember teilte er auf Facebook ein Foto mit seinen europäischen Partnern und schrieb: "Europa, wir kommen!" Er ist auch Sprecher der UID. Die UID (Union internationaler Demokraten) ist eine Lobbyorganisation der Erdoğan-Partei AKP und in Deutschland besonders aktiv. Sie wird einem Bericht der Tagesschau zufolge bereits vom Verfassungsschutz beobachtet.
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Teyfik Özcan soll der Parteichef der Dava in Deutschland sein. Der 42-Jährige war früher SPD-Mitglied. Er teilte der "Bild am Sonntag" mit, dass sich die Organisation alleine aus Mitgliedsbeiträgen und Sponsoren aus Deutschland trage.
In einer Pressemitteilung beschrieb die DAVA ihre Ziele: Man wolle "Ungleichbehandlung und gesamtgesellschaftliche Schieflagen als solche benennen" und "dafür Sorge tragen, dass die Menschen mit ausländischen Wurzeln ihre Rechte in vollem Umfang zugesprochen bekommen". Man fordere eine "pragmatische und ideologiefreie Flüchtlingspolitik" heißt es in der vom Vorsitzenden Özcan veröffentlichten Erklärung. Er hatte am 16. Januar auf Facebook seinen Austritt aus der SPD erklärt – am gleichen Tag, als er die DAVA-Pressemitteilung herausgab. Özcan war nach eigenen Angaben 30 Jahre lang Parteimitglied. Er warf den Sozialdemokraten "Doppelmoral und der Heuchelei in Bezug auf die Republik Türkei" vor.
Unterstützung von AKP-Lobbyisten
Aus Pro-Erdoğan-Kreisen gibt es Unterstützung. So schrieb der stellvertretende Vorsitzende der türkischen Organisation UID in Hessen, Mehmet Keser, auf der Plattform X: "Mit der Gründung der Dava - wurde der Startschuss für die EU-Wahl gegeben. Rechtsanwalt Fatih Zingal kandidiert auf dem ersten Listenplatz für die Dava. Ich wünsche Herrn Zingal viel Erfolg bei den EU-Wahlen 2024".
Dass die DAVA vor allem die Interessen Erdoğans im Europa-Parlament vertreten dürfte, steht für Eren Güvercin außer Frage. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP-nahen "Liberalen Vielfalt" sagte gegenüber der "Frankfurter Rundschau": "Erdoğan verfolgt schon seit längerem das Ziel, AKP-loyale politische Akteure in die Parlamente in Europa zu bekommen. Die Europawahlen sind besonders attraktiv, weil es dort eine realistische Chance gibt, zumindest einige Abgeordnetenplätze zu erringen. DAVA ist ganz klar ein AKP-Ableger und das neueste Instrument der türkischen Einflussnahme in Europa." Die neue Partei muss bis 18. März eine Kandidatenliste für die Europawahl vorlegen. Da es im EU-Parlament keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, könnte sie einen Einzug schaffen.
Auch Unions-Innenpolitiker Christoph de Vries sieht hinter den DAVA-Forderungen eine klare Strategie: "Muslime als Opfer einer rassistischen Mehrheitsgesellschaft darzustellen und sich als deren Interessenvertreter aufzuspielen." Die Bundesregierung sollte diese Parteigründung "unter keinen Umständen auf die leichte Schulter nehmen", rät de Vries gegenüber der "Bild".
In Österreich und den Niederlanden gibt es ebenfalls bereits Ableger der DAVA: Dort treten Hakan Gördü von der Kleinpartei Soziales Österreich der Zukunft und Tunahan Kuzu von der niederländischen Denk Partei an.
- dw.com: What you need to know about DITIB (englisch)
- facebook.com: Seite von Fatih Zingal (Stand 28.1.2024)
- facebook.com: Seite von M Teyfik Oezcan (Stand 28.1.2024)
- bild.de: "Jetzt kommt die Erdogan-Partei" (kostenpflichtig)
- tagesschau.de: "Wie Erdogan-Lobbyisten den Israel-Hass anheizen"
- fr.de: "Wie Erdogan seinen Einfluss in Deutschland und Europa ausbauen möchte"