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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Forderung an Vize Pence Trump verlangt Unmögliches
Donald Trump will, dass sein Vizepräsident die Ernennung von Biden zum neuen US-Präsidenten verhindert. Pence soll Wahlleute ablehnen – damit würde er gegen die Verfassung verstoßen.
Die US-Wahl ist entschieden. Joe Biden wird der nächste US-Präsident. Es gibt keine Anzeichen für irgendeine Art von Betrug oder Unregelmäßigkeiten bei der US-Wahl. Das ist Fakt. Allerdings nicht für den amtierenden Präsidenten, der immer noch an eine Art Verschwörung gegen sich glaubt – auch wenn er dafür keine stichhaltigen Beweise vorlegen kann. Nun will Donald Trump seinen Vizepräsidenten Mike Pence dafür instrumentalisieren, Bidens Ernennung zu verhindern.
Das Problem: Das kann Pence gar nicht.
Am Dienstag setzte Trump einen Tweet ab, der zunächst aufhorchen lässt: "Der Vizepräsident hat die Macht, auf betrügerische Weise gewählte Wahlleute zu verhindern." Das ist schlichtweg falsch. Laut amerikanischer Verfassung hat der Vizepräsident diese Macht nicht. Zudem gibt es keine Anzeichen dafür, dass auch nur einer der Wahlleute "auf betrügerische Weise" gewählt wurde. Das haben US-Gerichte mehrfach bestätigt.
Trump setzte seinen Vize jedoch weiter unter Druck. Bei einer Veranstaltung erklärte er: "Ich hoffe, dass unser großartiger Vizepräsident sich für uns einsetzt. Er ist ein großartiger Kerl. Wenn er sich nicht einsetzt, werde ich ihn natürlich nicht ganz so sehr mögen."
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Der Hintergrund: Bei der Wahl eines neuen Präsidenten stimmen die US-Bürger in ihren Bundesstaaten ab. Der Gewinner bekommt eine festgeschriebene Anzahl an Wahlleuten, die an das Votum der Bürger gebunden sind. Gewinnt also Biden zum Beispiel in Georgia, bekommt er auch die 16 Wahlleute aus Georgia. Die Wahlleute stimmen in den USA stellvertretend für das Volk über den Präsidenten ab. Das haben sie bereits am 14. Dezember getan. Sie haben – entsprechend dem Wählervotum – Bidens klaren Sieg bestätigt. Der Demokrat kam auf 306 der 538 Stimmen – 36 mehr als erforderlich. Für Trump stimmten 232 Wahlleute.
Pence muss Trumps Niederlage offiziell verkünden
Im formalen Nach-Wahl-Prozedere der USA steht nun noch die Zertifizierung der Wahlergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten im Kongress an. An diesem Mittwoch (ab 19 Uhr) kommen beide Kongresskammern zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen, um die Stimmen aus den Bundesstaaten zu verlesen, zu zählen und das Endergebnis offiziell zu verkünden. Dann ist amtlich, wer die Wahl gewonnen hat – Joe Biden.
Was Trump nun von seinem Vizepräsidenten fordert – einzelne Wahlleute aufgrund von unbewiesenen Anschuldigungen abzulehnen – kann und darf Pence gar nicht tun. Bei der Verlesung des Endergebnisses hat Pence, der die Sitzung leitet, laut Gesetz lediglich eine zeremonielle Rolle. Er leitet die Versammlung und verkündet das Resultat. Pence hat damit die unbequeme Aufgabe, Trumps Niederlage offiziell bekanntzugeben. Das scheint auch Pence zu wissen – im Gegensatz zu seinem Chef.
Republikaner können Bidens Bestätigung verzögern, aber nicht verhindern
Bereits in der letzten Woche hatte ein republikanischer Abgeordneter aus Texas versucht, Pence durch eine eigenwillige Klage juristisch dazu zu drängen, über die zeremonielle Rolle hinauszugehen, so dass Pence selbst Ergebnisse aus den Bundesstaaten für nichtig erklären könnte. Der US-Vizepräsident ließ jedoch über das Justizministerium beim zuständigen Richter beantragen, diese Klage abzuweisen – mit der Begründung, die Klage richte sich gegen den Falschen. Mehr Befugnisse für den Vizepräsidenten zu erreichen durch eine Klage gegen ihn, sei ein juristischer Widerspruch, hieß es zur Begründung.
Trumps Forderung wird Pence also nicht erfüllen können. Das bedeutet jedoch nicht, dass alles reibungslos verlaufen wird. Republikaner aus Repräsentantenhaus und Senat haben angekündigt, bei der Prozedur Einspruch gegen Resultate einzelner Staaten einzulegen. Aus dem Repräsentantenhaus könnten sich nach internen Schätzungen mehr als 100 Abgeordnete beteiligen, sekundiert von einem Dutzend Republikaner aus dem Senat.
Störaktionen haben keine Aussicht auf Erfolg
Mit einem solchen Einspruch lässt sich erzwingen, dass sich beide Kongresskammern zu getrennten Sitzungen zurückziehen müssen, um die Einwände zu debattieren und am Ende abzustimmen, ob sie diesen folgen oder nicht. Sollten aus beiden Kammern für mehrere Bundesstaaten Einwände erhoben werden, was wahrscheinlich ist, und sollte jeder Einspruch einzeln in getrennten Sitzungen debattiert und abgestimmt werden, könnte sich das Prozedere bis weit in den Donnerstag ziehen.
Die Störaktion hat keine Aussicht darauf, etwas am Wahlausgang zu ändern. Beide Kongresskammern müssten einem Einspruch gegen ein Ergebnis aus den Bundesstaaten zustimmen, was angesichts der Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus als ausgeschlossen gilt. Die Aktion wird die Abläufe aber immens stören und viel Aufmerksamkeit für Trumps unbelegte Betrugsbehauptungen schaffen. Nur eines wird sie nicht: Sie wird nicht die Ernennung von Joe Biden zum US-Präsidenten verhindern.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters
- Twitter: Account von Donald Trump