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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trumps Zoll-Vordenker Unter Wissenschaftlern nahm ihn niemand ernst

In der Welt der Finanz- und Wirtschaftswissenschaft ist Peter Navarro ein Außenseiter. Doch für Donald Trump ist er einer der wichtigsten Taktgeber in der Zollpolitik.
Wer glaubt, dass Donald Trumps Zollpolitik auf Verhandlungen abzielt, könnte sich täuschen. Zumindest meint das Trumps leitender Berater für Handel und Produktion, Peter Navarro: "Das ist keine Verhandlung. Für die USA ist es ein nationaler Notstand, der durch Handelsdefizite ausgelöst wurde, die durch ein manipuliertes System verursacht wurden", schrieb Navarro kürzlich in einem Gastbeitrag für die "Financial Times".
Das Ziel der aktuellen Finanzpolitik sei es, "Fairness" zu schaffen, schrieb der 75-Jährige weiter. Denn die USA seien in Handelsfragen über Jahrzehnte ungerecht behandelt worden. Im Zentrum stehe dabei das Handelsdefizit im Güterverkehr, also die Tatsache, dass die USA deutlich mehr Waren aus dem Ausland kaufen als aus dem Inland. Trumps Zölle dienten laut Navarro dazu, das kaputte internationale Handelssystem zu reparieren.
Unauffällige Karriere als Wissenschaftler
Tatsächlich ist der US-Präsident dabei, die radikalen Thesen seines Beraters zu verwirklichen. Dabei ist Navarro mit seinen Ansichten in der Wirtschaftswissenschaft ein Außenseiter. Doch Trump hört auf ihn, weil Navarro vieles von dem verkörpert, was dem Präsidenten besonders wichtig ist: Navarro ist uneingeschränkt loyal und vertritt im Kern ein nationalistisches Weltbild, in dem vor allem China die ultimative Bedrohung für die USA darstellt.
Navarro wurde 1949 in Cambridge im Bundesstaat Massachusetts geboren. Als Kind zog er zuerst nach Florida, später nach Bethesda, einem Vorort der Hauptstadt Washington. Später kehrte Navarro nach Cambridge zurück und studierte dort Wirtschaftswissenschaften an der Eliteuniversität Harvard, wo er auch promovierte.
1989 wurde er Professor an der University of California in Irvine, einer Vorstadt südlich von Los Angeles. Als Wissenschaftler blieben seine Leistungen viele Jahre unauffällig. Große wissenschaftliche Veröffentlichungen gelangen ihm nicht. Auch ein Schwerpunkt war in seiner Arbeit lange nicht erkennbar: Navarro widmete sich etwa der Windenergie, berechnete die Kosten der Terroranschläge vom 11. September 2001 und veröffentlichte ein Buch über Investments mit dem Titel: "Wenn es in Brasilien regnet, investieren Sie in Starbucksaktien."
Erfolglos bei den Demokraten
Auch politisch engagierte sich Navarro zunächst ohne Erfolg: Fünfmal kandidierte er in den Neunzigerjahren für die Demokratische Partei für unterschiedliche Ämter in der Stadt San Diego und warb unter anderem für stärkeren Umweltschutz. Ein Wahlsieg gelang ihm allerdings nie.
Das Thema, das Navarros Handeln bis heute bestimmt, entdeckte er im neuen Jahrtausend: Der Finanzexperte veröffentlichte mehrere Bücher zur Handelspolitik Chinas, darunter 2011 ein Buch mit dem Titel "Death by China" ("Tod durch China"), in dem er fordert, den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes mit aller Macht zu stoppen.
Wissenschaftler ausgedacht
Bereits damals nahm es Navarro mit der Realität nicht so genau: In seinen Büchern bezog sich der Ökonom öfter auf einen Wissenschaftler mit dem Namen "Ron Vara". 2019 deckte eine Recherche im "Chronicle of Higher Eduction" auf, dass die Person nicht existiert. Navarro hatte sich die Figur ausgedacht. Der Name entstand dadurch, dass er die Buchstaben aus seinem Nachnamen neu zusammengesetzt hatte.
Sein China-Buch wurde verfilmt, was dann auch Anklang bei Donald Trump fand. In der ersten Amtszeit des Präsidenten ernannte Trump ihn zum wirtschaftspolitischen Berater im Weißen Haus – wo Navarro zahlreiche Wirtschaftsexperten gegen sich aufbrachte.
"Von einem anderen Planeten"
In einem Brief warnten 370 Ökonomen, darunter 19 Nobelpreisträger, vor der radikalen Zollpolitik Navarros. Bereits in Trumps erstem Wahlkampf hatte er mit dem späteren Handelsminister Willbur Ross einen Essay verfasst. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Simon Johnson schrieb darüber, dass er auf so "unrealistischen Annahmen basiert, dass sie von einem anderen Planeten zu stammen scheinen."
Trump und Navarro interessierte das allerdings wenig: Bis heute bleibt ihr oberstes Ziel der Schutz der heimischen Industrie um jeden Preis. "Die Botschaft lautet: Zölle sind Steuersenkungen, Zölle sind Arbeitsplätze, Zölle sind für die nationale Sicherheit, Zölle sind großartig für Amerika, Zölle werden Amerika wieder groß machen", sagte Navarro jüngst.
Vom Gefängnis auf die Bühne
Im Gegensatz zu vielen anderen Beratern konnte sich Navarro bis heute im engeren Kreis des US-Präsidenten halten. Während der Corona-Pandemie wurde er Anhänger verschiedener Verschwörungstheorien. Im Nachgang von Trumps Wahlniederlage 2020 verbreitete er vehement die Lüge, dass Trump die Wahl gegen Joe Biden rechtmäßig gewonnen habe. Bei der Aufarbeitung des Sturms auf das Kapitol widersetzte sich Navarro einem Untersuchungsausschuss und hielt Dokumente zurück.
Navarro musste deshalb unter anderem eine viermonatige Haftstrafe verbüßen. Als er im vergangenen Juli freikam, sprach er noch am selben Tag auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee und hielt eine flammende Rede für Donald Trump. "Ich bin Peter Navarro. Ich bin im Gefängnis gewesen, damit ihr es nicht tun müsst", sind Sätze, die der Ökonom seitdem auf diversen Trump-Veranstaltungen gerne wiederholt.
Streit mit Musk
Allerdings bleibt aktuell offen, wie lange die Trump-Regierung Navarros radikalen Zollkurs weiter verfolgen wird. Denn längst nicht alle Berater Trumps sind davon überzeugt: Techunternehmer Elon Musk, der aktuell selbst mit großen Verlusten seiner Unternehmen an der Börse zu kämpfen hat, beschimpfte Navarro zuletzt auf X als "Idioten", der "dümmer als ein Sack Backsteine" sei.
Von einer Kurskorrektur ist aktuell aber noch nichts im Weißen Haus zu erkennen. Navarro selbst hatte bereits angekündigt, dass er eher das Gegenteil im Sinn hat: "Wer nach Jahrzehnten des Betrugs plötzlich eine Senkung der Zölle anbietet, sollte wissen: Das ist erst der Anfang", schrieb Navarro zuletzt in der "Financial Times".
- Eigene Recherche und Beobachtungen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa#
- chronicle.com: "Trump’s China Muse Has an Imaginary Friend" (Englisch)
- project-syndicate.org: "Trump’s Insane Economic Plan" (Englisch, kostenpflichtig)
- nytimes.com: "Peter Navarro, Trump’s Trade Warrior, Has Not Made Peace" (Englisch)
- economist.com: "Peter Navarro is about to become one of the world’s most powerful economists" (Englisch, kostenpflichtig)
- npr.org: "White House Adviser Peter Navarro Calls Fictional Alter Ego An 'Inside Joke'" (Englisch)
- peternavarro.com: "About Peter Navarro" (Englisch)
- ft.com: "Peter Navarro, the trade warrior who keeps Trump fired up" (Englisch, kostenpflichtig)
- nytimes.com: "Peter Navarro, Unbowed" (Englisch, kostenpflichtig)