US-Wahl 2020 Wann steht der neue US-Präsident fest?
Die Zitterpartie im Kampf um die US-Präsidentschaft ist noch immer nicht entschieden. Und auch die Frage, wann der Sieger feststehen wird, ist offen. Schon in Stunden, oder doch erst in Tagen? Ein Überblick.
Am Mittwoch haben sich bei der Auszählung der US-Präsidentschaftswahl die positiven Zeichen für Joe Biden gemehrt. Der demokratische Herausforderer von Amtsinhaber Donald Trump lag in Arizona und Nevada gut im Rennen. Zuletzt gingen drei Wahlmänner aus Maine und zehn aus Wisconsin an ihn. Zudem holte Biden sich den wichtigen Staat Michigan.
Doch bis alle die Ergebnisse fix sind, können noch Stunden, vielleicht sogar ein bis zwei Tage vergehen. Regionale Besonderheiten, eine hohe Zahl von Briefwählern und unterschiedliche Fristen machen die Lage so kompliziert. Und dann sind da noch die Drohungen aus dem Weißen Haus und der republikanischen Partei, die weitere Auszählung von Stimmen gerichtlich stoppen zu wollen.
Wie ist die Lage in den einzelnen Staaten?
Die zuständigen Behörden in Georgia erwarteten, dass es im Laufe der Nacht (Ortszeit) ein klares Bild geben könnte. Dort waren bis Mittwochabend etwa 95 Prozent der Stimmen ausgezählt. In Arizona hatten sowohl der Fernsehsender Fox News als auch die Nachrichtenagentur Associated Press am Morgen (Ortszeit) einen Sieg von Joe Biden prognostiziert. Bei der Wahl vor vier Jahren hatte noch Amtsinhaber Donald Trump den traditionell konservativen Bundesstaat gewonnen. In Nevada zeichnete sich ebenfalls eine Tendenz zugunsten von Joe Biden ab.
Kann Biden in den genannten Staaten gewinnen, ist der Ausgang im umkämpften Pennsylvania schon nicht mehr entscheidend. Dort stand am Nachmittag noch die Auszählung von mehr als einer Million abgegebener Stimmen aus. Hier hatten Verantwortliche eingeräumt, dass es schlimmstenfalls noch Tage bis zu einem Ergebnis dauern könnte, etwa weil dort auch Stimmen mit Poststempel vom Wahltag angenommen werden, wenn sie einige Tage nach der Wahl bei den Behörden eingehen. Auch zahlreiche Stimmen von Angehörigen der Armee gehen dort später ein. In North Carolina hatte Biden noch geringe Chancen auf Überraschungen in letzter Minute, weil unter anderem noch in der Großstadt Atlanta viele Stimmen ausstanden.
Warum dauert die Auszählung so lange?
Die Auszählung zieht sich vor allem wegen des hohen Briefwahlanteils hin. Die Beglaubigung dieser Stimmen ist in den USA oft ein langwieriger Prozess, teils müssen Unterschriften einzeln mit denen des Wählerverzeichnisses verglichen werden. In den drei Staaten Wisconsin, Michigan und Pennsylvania hatte die republikanische Partei Bestrebungen vereitelt, Wahlumschläge schon vor dem Wahl-Dienstag zu öffnen.
In letzterem Bundesstaat etwa war am Mittwochabend erst die Hälfte der beinahe 3 Millionen Briefwahlstimmen ausgezählt. Die Gesetze des Staates erlauben es zudem, dass Briefwahlstimmen dort noch drei Tage nach der Wahl akzeptiert werden. Umfragen vor der Wahl legten nahe, dass die in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen wohl eher zugunsten Trumps ausfallen würden, die Briefwahlstimmen eher für Biden. Nach dieser Logik wäre klar: je länger gezählt wird, desto enger könnte es für Trump werden.
Embed
Welche Rolle spielen die Gerichte?
Wegen des Mehrheitswahlrechts könnte die Wahl in einem Bundesstaat mit einem Vorsprung von nur ein paar Hundert Stimmen entschieden werden. Bei einem knappen Wahlausgang könnte daher selbst eine von der Tragweite an sich geringere Gerichtsentscheidung zur Zulassung bestimmter Stimmen das Wahlergebnis verändern. Demokraten und Republikaner haben schon vor der Wahl zahlreiche Anwälte engagiert.
Trump sprach am Mittwoch davon, das Oberste Gericht anrufen zu wollen. Zunächst allerdings müssten er und seine Republikaner in den betroffenen Bundesstaaten klagen. Erst wenn der Rechtsweg dort ausgeschöpft ist, könnten Streitfälle vor dem Obersten Gericht, dem Supreme Court, in Washington landen. Die Richter dort können zwar nicht über den Ausgang der Wahl an sich entscheiden; sie können aber über die Rechtmäßigkeit von Fristen, Auszählungsregeln oder bestimmter Stimmen entscheiden.
Gab es sowas schon einmal?
Im Jahr 2000 gab es eine wochenlange Hängepartie: Ob George W. Bush oder Al Gore der nächste Präsident würde, hing damals nur am Auszählungsergebnis im bevölkerungsreichen Bundesstaat Florida. Mehrmals schlug das Pendel am Tag nach der Wahl in die eine und die andere Richtung aus. Bis es schließlich hieß: Das Rennen sei "too close to call", also zu eng, um einen Sieger zu benennen.
Probleme bereiteten damals vor allem die Lochkarten-Wahlzettel. In einer wochenlangen juristischen Schlacht drängte das Gore-Lager auf eine Neuauszählung bestimmter fehlerhaft gezählter Lochkarten. Ein Bundesgericht in Florida entschied zugunsten des Demokraten. Doch Bush zog vor das Oberste Gericht – das die Neuauszählung schließlich stoppte. Danach räumte Gore seine Niederlage ein. Bush gewann mit 537 Stimmen Vorsprung, sicherte sich die Stimmen der Wahlleute Floridas und wurde US-Präsident.
Bis wann muss Klarheit herrschen?
Die Bundesstaaten müssen ihre Endergebnisse bis zum 8. Dezember beglaubigen und nach Washington melden. Diese Frist, als "safe harbor" bezeichnet (sicherer Hafen), war zum Beispiel im Jahr 2000 bei Gores Entscheidung, seine Niederlage einzuräumen, entscheidend. Sie ist die Voraussetzung für die Abstimmung der 538 Wahlleute. Das soll dieses Jahr am 14. Dezember passieren. Das Ergebnis wird dann am 6. Januar im Kongress bekanntgegeben, am 20. Januar wird der Wahlsieger mit der Vereidigung ins Amt eingeführt.
Was ist dran an dem von Trump behaupteten Wahlbetrug?
Präsident Donald Trump erhob am Mittwoch massive Betrugsvorwürfe. Das war für den Fall eines knappen Rennens erwartet worden. So behauptete er auf Twitter, im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania werde "hart daran gearbeitet", schnell eine halbe Million Stimmen "verschwinden zu lassen". Gleiches geschehe auch im Bundesstaat Michigan und anderen, schrieb er weiter. Auch für Georgia reichte sein Wahlkampfteam Berichten zufolge am Mittwochabend eine Klage ein.
Dran ist daran allerdings nichts. Beweise für seine Behauptungen blieb Trump wie gewöhnlich schuldig. Auch haben die offiziellen Stellen bislang keine Unregelmäßigkeiten bei der Wahl oder der anschließenden Auszählung registriert. Führende Republikaner zeigten sich ob der Rhetorik ihres Parteikollegen entsetzt. Einige von ihnen kündigten bereits an, das Auszählungsverfahren ordnungsgemäß zu Ende zu bringen – auch wenn es noch Tage dauern sollte.
Doch Trump sät nicht erst seit dem Wahltag Misstrauen am Wahlverfahren. Er tut dies bereits seit Monaten, um einen Sieg seines Kontrahenten schon im Vorfeld zu diskreditieren. Nach seiner Lesart könne es bei einer juristisch sauberen Wahl nämlich nur einen Sieger geben – und der heißt Donald Trump.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters
- Eigene Recherchen