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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Historische US-Wahl Drei Szenarien für die Nacht der Entscheidung
Donald Trump gegen Joe Biden: So eine Wahl gab es in den USA noch nie. Was könnte in der Wahlnacht passieren? t-online entwirft drei Szenarien.
Eine Wahrheit über die US-Präsidentschaftswahl steht schon fest, während die Amerikaner noch ihre Stimmen abgeben: Es ist eine Wahl, wie es sie noch nie gab. So wie der Wahlkampf findet auch die Stimmabgabe unter dem Eindruck der Corona-Pandemie statt.
So viele Amerikaner wie noch nie haben vorzeitig ihre Stimme abgegeben, teilweise persönlich in vorab offenen Wahllokalen, teilweise per Briefwahl.
Mit einer Briefwahl haben viele US-Bundesstaaten wenig Erfahrung, ihr Ablauf ist unerprobt und schon jetzt von Chaos und parteipolitischem Streit geprägt. In manchen Staaten darf erst nach Schließung der Wahllokale mit der Auszählung von Millionen Briefwahlstimmen begonnen werden.
Das heißt: Womöglich lässt ein Ergebnis tagelang auf sich warten, aber es muss nicht so kommen. t-online entwirft drei Szenarien für den Ausgang der US-Wahl.
Szenario eins: Der Erdrutschsieg
Hatten die Umfragen also doch recht! Joe Biden ist in zahlreichen Bundesstaaten und wichtigen Wählergruppen an Amtsinhaber Trump regelrecht vorbeigeschossen. Er hat bei den Rentnern wie bei den Frauen in der Vorstadt gepunktet. Das bringt ihm am Wahlabend frühe Siege in jenen umkämpften Staaten, in denen die jeweiligen Regeln rasche Stimmenzählung erlauben: Florida, Georgia, North Carolina, später dann Arizona.
Schon bevor in Washington Mitternacht ist, ist klar, dass Biden hoch gewinnen wird – die Frage ist nur noch wie hoch. Noch deutlicher als 2008 Barack Obama? Auch wenn Donald Trump nicht vorhatte, eine Niederlage einzugestehen: Die Zahlen sprechen einfach eine zu klare Sprache.
In diesem Szenario schaffen es im Windschatten von Zugpferd Biden auch genügend Senatskandidaten der Demokraten über die Ziellinie: Sie luchsen den Republikanern mehr als die drei nötigen Sitze im Senat ab – erstmals seit 2014 haben die Demokraten dort wieder die Mehrheit. Weißes Haus, Senat, Repräsentantenhaus: Überall spült eine "blaue Welle" die Demokraten an die Macht – sie können jetzt in Washington durchregieren und auch die politischen Spielregeln prägen.
Wie realistisch ist das Szenario? Laut den Umfragen: wahrscheinlich.
Szenario zwei: Der Überraschungssieg
Ein neuer Schock erfasst Washington, die USA und die gesamte Welt: Die Umfragen lagen noch weiter daneben als 2016. Nicht nur wie vor vier Jahren im Rust Belt (Pennsylvania, Michigan, Wisconsin) haben sich die Meinungsforscher getäuscht, sondern auch im Sun Belt (Arizona, Georgia, North Carolina). Am Wahltag strömt eine Welle an Trump-Wählern in die Wahllokale.
In den ländlichen Gebieten sind Trumps Stimmanteile noch höher als vor vier Jahren – die Republikaner haben erfolgreich neue Wähler registriert, die 2016 noch nicht abstimmen durften. Auch bei den Latinos, die zwar mehrheitlich für die Demokraten stimmen, gewinnt Trump deutlich hinzu – deshalb holt er erneut den Sieg in wichtigen "Swing States" wie Florida. "Four more years!" skandieren sie noch in der Nacht im Weißen Haus – Trump bekommt eine zweite Amtszeit.
Wie realistisch ist das Szenario? Es ist unwahrscheinlich, aber möglich.
Interessieren Sie sich für die US-Wahl? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Szenario drei: Die Hängepartie
Amerika wacht am 4. November auf – und weiß noch nicht, wer der nächste Präsident ist. Das Ergebnis der Wahl bleibt in der Schwebe. Es sind tatsächlich die Briefwahlstimmen, an denen alles hängt.
Die frühen Resultate zeigen, dass Bidens Vorsprung nicht so klar ist, wie er in den Prognosen schien. Deshalb kommt es auf jene "Battleground States" an, die mit der Bearbeitung der Briefwahlstimmen erst am oder kurz vor dem Wahlabend beginnen dürfen: Pennsylvania, Michigan, Wisconsin. Die aufwendige Auszählung startet etwa in Pennsylvania erst am Wahlabend und muss auch Stimmen berücksichtigen, die per Post noch bis zum 6. November eintrudeln.
Trump macht eine weit verbreitete Befürchtung wahr: Weil er weiß, dass die noch nicht gezählten Briefwahlstimmen vor allem von Demokraten stammen, ruft er sich noch in der Wahlnacht vorzeitig selbst zum Sieger aus und versucht, die späten Auszählungen abzuwürgen. Anwaltsteams beider Seiten versuchen die restlichen Zählungen zu beeinflussen. Es kommt zu Eilverfahren vor Gericht, Protest und Auseinandersetzungen auf den Straßen.
Wie realistisch ist das Szenario? Sollte das Ergebnis knapp ausfallen, ist eine lange Auseinandersetzung wahrscheinlich. Beide Seiten haben sich darauf bereits eingestellt.
- Eigene Recherchen