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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vorwahlen der Demokraten Sanders gewinnt – aber seine Gegner auch
Bernie Sanders gewinnt die wichtige Vorwahl der Demokraten in New Hampshire: Der 78-jährige Sozialist ist nun der Favorit. Doch seine Gegner überraschen – und einer stürzt brutal ab.
Die Vorwahl in New Hampshire hat das Feld der demokratischen Präsidentschaftsbewerber kräftig durchgeschüttelt. Der formelle Gewinner heißt Bernie Sanders. Doch auf den Plätzen hinter ihm haben sich die Gewichte so stark verschoben, dass dies auch seine Aussichten betrifft.
Es war so knapp, dass auch die zweite Vorwahl der Demokraten nach dem Debakel in der Vorwoche in Iowa eine längere Wahlnacht brachte. Sanders ließ seine Anhänger in einer Uni-Basketballarena drei Stunden warten, dann erklärte er sich kurz nach 23 Uhr Ortszeit zum Gewinner. Unter lautem Jubel rief er: "Dieser Sieg ist der Anfang vom Ende Donald Trumps." Seine Kampfansage an den US-Präsidenten sehen Sie oben in unserem Video.
Der erste Gewinner und Favorit für den Moment ist ein 78-jähriger selbst ernannter Sozialist, der im vergangenen Herbst einen Herzinfarkt erlitten hatte und Amerika mit einer "politischen Revolution" beglücken will. Er wettert gegen die "Klasse der Milliardäre" und die "Gier der Konzerne". Und er verspricht, dass er gegen Trump gewinnen kann, weil er – nicht unähnlich wie der Präsident selbst 2016 – neue Wählerschichten mobilisieren kann, die sonst am Wahltag zu Hause bleiben.
Doch ob es so weit kommt, ist nach der Wahl in New Hampshire unklar. Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Vorwahl der Demokraten.
Gewonnen, mehr nicht: Bernie Sanders ist dort gelandet, wo ihn auch die Umfragen gesehen haben: vorn. Doch ein klarer Triumph wie im selben Bundesstaat 2016 gegen Hillary Clinton war für Sanders, der als Senator des benachbarten Bundesstaates einen Heimvorteil genießt, nicht drin. Vom schlechten Abschneiden seiner Konkurrentin im linken Lager, Elizabeth Warren, konnte er offensichtlich nicht profitieren. Er hat nach ersten Erkenntnissen auch nicht wirklich neue Wähler mobilisiert – dabei ist das der Kern seines Versprechens, dass er gegen Trump bestehen könne. Sein erwarteter Sieg fiel nicht so deutlich aus wie in Sanders’ Umfeld zuvor erhofft. Aber er hat Rückenwind.
Die neue Kraft: Nach seinem Überraschungserfolg in Iowa hat Pete Buttigieg, 38 Jahre alt, seine starke Position zementiert. Buttigieg führt momentan das Feld der Moderaten an. Er landete sogar in Schlagdistanz zu Sanders. Das wird ihm neue Aufmerksamkeit und Spendengelder bescheren. Für Buttigieg, der bislang erhebliche Probleme hat, Unterstützung bei Minderheiten zu bekommen, wartet jetzt die eigentliche Prüfung: Bei den anstehenden Wahlen in Nevada (22. Februar) und South Carolina (29. Februar) werden Latinos und Afroamerikaner wichtigen Einfluss haben.
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Die strahlende Dritte: Amy Klobuchar, lange Zeit nur eine Außenseiterin, ist die Siegerin der Stunde. Die schlagfertige Senatorin aus Minnesota hat eine wahre Aufholjagd hingelegt und nach ersten Erkenntnissen viele der bis zuletzt noch unentschlossenen Wähler in New Hampshire für sich gewonnen: Am Ende kommt sie auf rund 20 Prozent. In der letzten CNN-Umfrage von Anfang Februar lag sie noch bei sieben Prozent. Sie streitet mit Buttigieg nun um die Führerschaft im moderaten Lager – muss aber wie er noch zeigen, dass sie auch bei Minderheiten punkten kann.
Die Bruchlandung: Joe Biden war ein Jahr lang Favorit in den Umfragen. Doch seine Wahlkampagne kam nie in Fahrt, er wirkte tattrig. Nach einer Enttäuschung in Iowa erlitt der frühere Vizepräsident in New Hampshire eine Bruchlandung. Nur Platz fünf, klar unter zehn Prozent. Das ist nicht mehr schönzureden. Und so flüchtete Biden schon, bevor die Wahllokale schlossen, nach South Carolina – wo er in den Umfragen noch vorn liegt. Doch die Werte dürften unter dem Eindruck der Debakel in Iowa und New Hampshire rasch sinken und Biden könnte das Geld ausgehen. Der einstige Favorit ist nur noch Außenseiter.
Bruchlandung, die zweite: Elizabeth Warren galt im Spätsommer und Herbst gar als Favoritin neben Biden – doch von da an ging es immer weiter bergab für die Senatorin, die ähnliche Positionen vertritt wie Sanders. Sie hatte sich zuletzt viele Fragen gefallen lassen müssen, ob eine Frau Trump schlagen könne. Platz vier in New Hampshire ist für die Senatorin aus dem Nachbarstaat Massachusetts zu wenig. Sie wird jetzt versuchen, sich als einigende Kraft zu inszenieren und sich damit von Sanders, der auch starke Ablehnung hervorruft, abzusetzen.
Der lachende Sechste ist in New Hampshire gar nicht angetreten. Der frühere New Yorker Bürgermeister Mike Bloomberg stellt sich erst im März zur Wahl, wenn die bevölkerungsreichen Staaten wie Kalifornien und Florida abstimmen. Der Multimilliardär schaltet derweil schon Werbung, die er mit Ausgaben im dreistelligen Millionenbereich aus eigener Tasche bezahlt. Je länger sich keine klaren Favoriten im Wettstreit herausschälen, desto besser für ihn.
Der knappe Ausgang der Wahlnacht in New Hampshire zeigt, dass den Demokraten ein längeres Rennen um die Präsidentschaftskandidatur bevorsteht.
- Eigene Recherchen