Vereinte Nationen in New York Wie Trump der Weltgemeinschaft seinen Stempel aufdrückt
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Klima? Nein, bei der Vollversammlung der UN will Donald Trump ein anderes Thema nach vorn drücken – und natürlich sich selbst. Dazu nutzt er das Moment der Überraschung.
Zum Auftakt der UN-Woche ging es um die Rettung des Planeten, das auch, aber einer schaffte es wieder einmal, mindestens gleichberechtigt neben dem Projekt Bewahrung der Schöpfung zu stehen. Dieser eine ist, natürlich, Donald Trump.
Der US-Präsident hat vor Ort in Manhattan und in Medien extrem viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, mit teils unkonventionellen Aktionen. Und seiner Regierung gelang am ersten Tag des Treffens der Staats- und Regierungschefs gleich ein kleiner Erfolg beim wichtigsten Thema auf ihrer Liste: Iran.
So soll es weitergehen, wenn es nach Trump geht. Er will der gesamten Woche seinen Stempel aufdrücken.
Bei den Vereinten Nationen wird die multilaterale Zusammenarbeit beschworen. Trump aber sieht sich als Gewinner, wenn daraus möglichst wenig entsteht. Deshalb sabotiert er auch ein Format wie den Klimagipfel.
Trump marschiert in den Saal
Trump nutzte dabei auch das Element der Überraschung. Obwohl er nicht am Klimagipfel teilnehmen sollte, marschierte er am Montagvormittag plötzlich doch in die Vollversammlung ein, Vizepräsident Mike Pence im Schlepptau. Schon auf dem Weg in den Saal sprach Trump zu den Reportern (vor allem über seine Ukraine-Affäre). Dabei walzte er auch an Greta Thunberg vorbei, die gerade von ihrer wutgeladenen Rede zurückkehrte – daraus wurde der virale Moment des ersten UN-Tages.
Im Inneren des Saals richtete sich plötzlich die Aufmerksamkeit auf Trump, wie er den Klima-Kurzreferaten des indischen Premiers Narendra Modi und Kanzlerin Angela Merkel lauschte – und dann wieder aus dem Saal schlich.
Für Trump war das gleich doppelt nützlich. Er konnte sagen, er habe den Klimagipfel doch nicht geschwänzt. Indem er aber nach nur 12 Minuten schon wieder aufstand, sendete der US-Präsident zudem die unüberhörbare Botschaft aus: Das hier ist nicht wichtig.
Eine seltsame Konkurrenzveranstaltung
Trump zog dann weiter zu seiner eigenen Konkurrenzveranstaltung zum Klimagipfel – nur so kann man es nennen, was der US-Präsident in einem Anbau des UN-Hauptgebäudes veranstaltete. Er lud zu einem "Weltweiten Aufruf zum Schutz der Religionsfreiheit".
Verfolgung aus religiösen Gründen ist zweifelsohne ein wichtiges Thema und doch überraschte diese Veranstaltung. Berater des Weißen Hauses hatten im Vorfeld versucht, deren Sinn zu erklären, mit begrenztem Erfolg. Es sei aber die "Hauptveranstaltung" der UN-Woche, sagte ein ranghoher Regierungsmitarbeiter vorab.
Auf der Veranstaltung sprach Trump, der versucht hatte, Muslime aus dem Land auszuschließen, davon, dass es schon immer "eine seiner höchsten Prioritäten" gewesen sei, die Religionsfreiheit zu schützen. Trump kündigte an, 25 Millionen Dollar bereitzustellen für den Schutz religiöser Stätten (was angesichts der Budgets und Relevanz anderer Themen wenig bis nichts ist), und es blieb bis zum Ende unklar, warum es diese Veranstaltung gab.
Die naheliegende Interpretation: Sie war ein Signal an die religiöse Wählerbasis, dass man sich um das Thema kümmere. Bald sind wieder Wahlen. Trumps Regierung drängt verschiedenste UN-Gremien, Konzepte wie das Recht auf Abtreibung aus Dokumenten zu tilgen – das ist nämlich Teil dessen, was die evangelikale Wählerbasis unter Religionsfreiheit versteht.
Fokus auf Iran
Ab Dienstag dürfte Trump dann das Thema Iran in den Vordergrund rücken, und damit in seiner Rede vor der Generalversammlung am Dienstagvormittag (Ortszeit) beginnen. Die UN-Woche ist für ihn die Gelegenheit, Unterstützer für seinen auch regierungsintern umstrittenen Kurs gegenüber Teheran zu gewinnen. Bei seinen Terminen wird er stets Außenminister Mike Pompeo an seiner Seite haben.
Einen ersten Erfolg erzielte das Weiße Haus am Montagabend, als Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine gemeinsame Erklärung abgaben. Auch die drei machen jetzt öffentlich den Iran für die Angriffe auf die Öl-Anlagen in Saudi-Arabien verantwortlich – und folgen damit dem, was Pompeo bereits kurz nach der Attacke sagte.
Die Amerikaner nutzen die Woche in New York für allerlei Veranstaltungen zum Iran. Das Weiße Haus sucht dabei auch den Ausweg aus einer unangenehmen Lage. Die Kampagne mit heftigen Sanktionen hat Teheran bislang nicht zum Einlenken befragt. Stattdessen gab es die Reihe an Angriffen auf Tanker und nun auf Ölanlagen in Saudi-Arabien. Die amerikanische Abschreckung scheint nicht zu funktionieren.
Am Mittwoch spricht dann der iranische Präsident Hassan Ruhani vor der UN.
Und damit könnte erneut das Element der Überraschung eine Rolle spielen. Denn einst wurde auf allen Seiten daran gearbeitet, dass es in New York zu einem Treffen zwischen Trump und Ruhani kommen könnte.
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Nach den Angriffen ist das nicht mehr wahrscheinlich. Doch die Amerikaner betonen tagein, tagaus die Bereitschaft zu direkten Verhandlungen. Trump sagt, es sei nichts geplant. Aber er schließt ein Treffen auch nicht aus.
Er weiß: Mit diesem Schachzug könnte er alle überraschen – und den Rest des UN-Treffens endgültig überstrahlen.
- eigene Beobachtungen in New York