Trumps Ukraine-Affäre Wie 2016, nur schlimmer
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Donald Trump wollte die Ukraine einspannen, um seinem möglichen Herausforderer zu schaden. Ein Missbrauch des mächtigsten Amtes der Welt – doch er könnte auch damit durchkommen.
Donald Trumps neuester Skandal ist einer seiner größten – und zugleich einer der am wenigsten überraschenden. Trump führt in der Ukraine-Affäre das fort, was er bereits 2016 mit Russland getan hat: Er rekrutiert die Hilfe eines anderen Landes, um einem innenpolitischen Konkurrenten zu schaden.
Der wichtige Unterschied: Nun als Präsident hat Trump die geballte Macht des Amtes auf seiner Seite – und setzt diese schamlos für persönliche Interessen ein.
Die Geschichte von Trumps Ukraine-Affäre ist kompliziert, viele Details sind zudem noch unbekannt. Doch das, was bereits klar ist, lässt den Atem stocken.
1. Donald Trump hat den frischgewählten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Telefon dazu gedrängt, Untersuchungen gegen den Sohn Joe Bidens aufzunehmen (laut "Wall Street Journal" allein in einem Telefongespräch acht Mal). Biden jr. machte einst Geschäfte in der Ukraine. Biden sr. liegt im Feld der demokratischen Präsidentschaftsbewerber vorn, ebenso in den Umfragen gegen Trump. Trump will seinen möglichen Gegenkandidaten beschädigen.
2. Trump hat zudem seinen persönlichen Anwalt Rudy Giuliani losgeschickt, um die Ukrainer zu Ermittlungen gegen Biden jr. und eine angebliche Demokraten-Connection nach Kiew zu drängen. Giuliani traf sich dazu in Madrid mit einem Mitarbeiter Selenskyjs. Das Vorgehen ließ die Alarmglocken in der US-Botschaft in Kiew schellen.
3. Während Trump Selenskyj bedrängte, hielt das Weiße Haus Militärhilfen in Höhe von 250 Millionen Dollar an die Ukraine zurück. Für die dortige Regierung, immer noch im Kriegszustand mit von Russland unterstützten Separatisten, ein schwerer Schlag. Die vom Kongress längst bewilligten Mittel gab das Weiße Haus einfach nicht frei – zumindest solange nicht, bis vor ein paar Tagen erste Details der Affäre durchsickerten.
4. Der Whistleblower sah sich genötigt, Trumps Vorgehen der Kontrollstelle der US-Geheimdienste zu melden. Der Generalinspekteur der Dienste stufte die Beschwerde als dringlich und glaubhaft ein. Weißes Haus und Justizministerium verhinderten bislang, dass der Inhalt der Beschwerde dem zuständigen Geheimdienstausschuss zugänglich gemacht wurde.
Das ist das, was bislang bekannt ist.
Es ist völlig egal, was man von US-Militärhilfen an die Ukraine hält oder von Joe Biden und dessen Sohnemann oder ganz generell von Donald Trump, um eines festzustellen: Der US-Präsident hat die Macht des Amtes missbraucht, um mittels einer ausländischen Regierung seinem politischen Gegner zu schaden.
Trump denkt, er könne sich alles erlauben. Er telefonierte mit Selenskyj am 25. Juli, einen Tag nachdem Russland-Sonderermittler Robert Mueller vor dem Kongress ausgesagt hatte. Der lang erwartete Termin brachte keine neue Dynamik in die Sache, Trump durfte davon ausgehen, die Russland-Affäre überstanden zu haben. Am Folgetag legte er den Grundstein für seine Ukraine-Affäre.
Mit seiner Tat und dem nun einsetzenden Abbürsten der Untersuchungen der Affäre rüttelt Trump wieder kräftig am System der checks and balances. Wird er dieses Mal Konsequenzen spüren?
Andere Präsidenten könnten darüber stürzen. Doch Trump hat die Maßstäbe verschoben. Die Öffentlichkeit ist abgestumpft ob des Dauerfeuers aus dem Weißen Haus und der hässlichen Spaltung der politischen Öffentlichkeit. Die Republikaner haben sich zu Vasallen Trumps verzwergt, die Demokraten sind zerstritten und ratlos, wie sie dem Mann beikommen können.
Deshalb könnte auch diese Affäre einfach zerrieben werden in der parteipolitischen Dauerschlacht. Und so dürfte eine Frage letztlich beim Wähler in gut einem Jahr landen: Wollen wir jemandem, der das mächtigste Amt der Welt für persönliche Spielchen missbraucht, diese Macht für weitere vier Jahre verleihen?