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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Diskussion um Ukraine-Unterstützung Trump und DeSantis spielen mit dem Feuer
Würde ein Republikaner nächster US-Präsident, könnte die Unterstützung für die Ukraine dramatisch abnehmen. Das wären auch schlechte Nachrichten für Europa.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Die Verärgerung des Republikaners über den Verlust der US-Drohne über dem Schwarzen Meer war nicht gespielt. "Ich bin angepisst", sagte Mike Rounds und entschuldigte sich zugleich für seine Wortwahl. Auf dem Podium einer Sicherheitskonferenz in Washington fuhr der Senator fort: "Lasst uns mal ganz ehrlich sein, Leute. Sie haben ein amerikanisches Kampfflugzeug abgeschossen." Die erste Reaktion der Biden-Regierung sei ihm darum viel zu verhalten ausgefallen. "Da muss mehr kommen", sagte Rounds, "Flugzeuge vom Himmel zu holen, ist eine ernsthafte Verletzung internationaler Normen." Das könne man nicht einfach geschehen lassen.
Der Vorfall über dem Schwarzen Meer vom Dienstag dieser Woche, bei dem nach Angaben der US-Regierung russische Kampfflugzeuge eine amerikanische Drohne zum Absturz gebracht haben, hat in der US-Hauptstadt zu heftigen Reaktionen geführt, insbesondere bei Republikanern. Reaktionen wie die von Mike Rounds entsprechen einer Auffassung, die für Amerikaner gegenüber Russland und früher der Sowjetunion seit vielen Jahrzehnten selbstverständlich ist.
Richtungskampf bei den Republikanern
Aber es hat sich etwas gravierend verändert. Unter Republikanern haben zunehmend sogenannte Isolationisten das Sagen: Politiker, die das Engagement der USA in Europa und in der Ukraine infrage stellen. Eine merkwürdige Passivität bezüglich des einstigen Erzfeindes Russland lässt sich außerdem erkennen. Ganz vorne dabei sind ausgerechnet die möglichen Präsidentschaftskandidaten – Donald Trump und Floridas Gouverneur Ron DeSantis.
Die beiden Konkurrenten überbieten sich mit außenpolitischen Kommentaren gegen den Einsatz für die Ukraine. Wenn man den Argumenten von Trump und DeSantis Glauben schenkt, kann man sich vorstellen, was passieren könnte, wenn einer von beiden 2024 tatsächlich ins Weiße Haus gewählt werden sollte. Die Unterstützung der USA für die Ukraine könnte erheblich reduziert werden. Das wäre ein Problem für ganz Europa.
Trump und DeSantis stellen Ukraine-Unterstützung infrage
Seit Wochen schürt Donald Trump in seinen Reden gezielt Angst vor einem möglichen Dritten Weltkrieg. Auch bei seinem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Iowa gefiel sich Donald Trump in der Rolle eines düsteren Propheten. "Ich stehe heute vor Ihnen und bin der einzige Kandidat, der dieses Versprechen geben kann: Ich werde den Dritten Weltkrieg verhindern", sagte Trump.
In den Applaus der Menge hinein fuhr er fort: "Weil ich wirklich daran glaube, dass ihr den Dritten Weltkrieg bekommen werdet." Seine Argumentation: Die Zeiten seien so gefährlich wie noch nie, denn Joe Biden habe "Russland direkt in die Arme Chinas getrieben". Dass er mit seinen Behauptungen recht habe, zeige sich daran, dass er auch die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 von Anfang an kritisiert habe.
Trumps erbitterter innerparteilicher Konkurrent und ebenfalls ein möglicher Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur, Ron DeSantis, hatte sich bislang zu außenpolitischen Fragen kaum geäußert. Zu sehr ist Floridas Gouverneur mit einem Kulturkampf gegen die Demokraten beschäftigt. Doch in Sachen Ukraine brach auch er nun sein Schweigen und machte seine Sicht auf den Krieg unmissverständlich klar. "Wir können der Intervention in einem eskalierenden Auslandskrieg nicht Vorrang vor der Verteidigung unserer Heimat einräumen", schrieb DeSantis auf eine Anfrage des Fox-News-Moderators Tucker Carlson.
Die militärische Unterstützung der Ukraine durch die Biden-Regierung bezeichnete DeSantis als "'Blankoscheck'-Finanzierung des Konflikts", die von den dringendsten Herausforderungen des eigenen Landes ablenke. So wie Trump behauptete er, dass die Politik der Biden-Administration "Russland de facto in ein Bündnis mit China getrieben" habe.
Kritik der Falken am neuen Kurs
Der mutmaßlich von russischen Kampfpiloten herbeigeführte Drohnenabsturz über dem Schwarzen Meer wirkt nun wie ein Brandbeschleuniger innerhalb der Republikanischen Partei. Ein Kollege des Senators Mike Rounds im Ausschuss für Angelegenheiten der Armee wurde dabei sehr deutlich. Roger Wicker sagte in Richtung von Donald Trump, Ron DeSantis und anderen Parteikollegen: "Dieser Vorfall sollte ein Weckruf für die Isolationisten in den Vereinigten Staaten sein, dass es in unserem nationalen Interesse liegt, Putin als die Bedrohung zu behandeln, die er ist."
Hinsichtlich der Verurteilung und Bekämpfung des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine gilt die Haltung der meisten Republikaner im US-Senat schon seit Langem als stabil. Auf deren Macht setzt nicht zuletzt auch die deutsche Bundesregierung. Immer wieder ist zu hören, dass in der Frage der Ukraine-Unterstützung schon nichts anbrennen werde.
Politisches Störfeuer in dieser Frage kommt vor allem von einschlägig bekannten Abgeordneten wie etwa der rechtsextremen Trumpistin Marjorie Taylor Greene. Sie propagiert seit Monaten, dass "kein weiterer Penny für die Ukraine" von amerikanischen Steuerzahlern ausgegeben werden dürfe.
Der politische Druck auf Europa wächst
Da sich nun aber neben Donald Trump auch Ron DeSantis so klar positioniert hat, wächst die Sorge, dass der Ukraine-Krieg ein großes Thema im eigentlich von innenpolitischen Themen geprägten US-Präsidentschaftswahlkampf werden könnte. Besonders an DeSantis' Äußerungen lässt sich ablesen, wie geschickt er die innenpolitischen Probleme gegen die Unterstützung der Ukraine ausspielt. So sei es etwa wichtiger, sich um die Drogentoten und die eigene Energiesicherheit zu kümmern. Den Angriffskrieg bezeichnete er als bloßen "Territorialstreit" zwischen Russland und der Ukraine.
Je häufiger und prominenter solche Äußerungen von Republikanern vorgetragen werden, desto größer wird der Druck auch auf die Biden-Administration und die Alliierten in Europa. Ein Ausweg über Verhandlungen zeichnet sich bislang nicht ab. Die milliardenschwere Unterstützung aber kann auch nicht unbegrenzt fortgeführt werden.
In Russland dürfte man die innenpolitische Debatte und die Äußerungen von Donald Trump und Ron DeSantis mit Interesse verfolgen. Die kremlnahen Fernsehsender beziehen sich regelmäßig auf den Fox-News-Moderator Tucker Carlson. Das mutmaßliche Abdrängen und der dadurch provozierte Absturz der US-Drohne könnte einerseits Spionagezwecken gegolten haben, andererseits könnte man damit als Nebeneffekt auch die Angst in den USA vor einer drohenden Eskalation zwischen den Atommächten gezielt geschürt haben. Ein Verdacht, den auch der republikanische Senator Roger Wicker äußerte. Solche Manöver nutze Putin, um die USA "von ihrer Unterstützung für die Ukraine abzubringen", sagte er.
Dass diese Angst angesichts solcher Zwischenfälle nicht unbegründet ist, machte der Kommandant der US-Marines, David Berger, vor Journalisten in Washington deutlich. "Das ist wohl meine größte Sorge, sowohl dort als auch im Pazifik", so Berger. "Ein aggressiver russischer oder chinesischer Pilot oder Schiffskapitän kommt zu nahe [...] verursacht eine Kollision … Ich mache mir wirklich Sorgen."
Für die Trumpisten ist die Schlussfolgerung aus dem Vorfall klar. Der Abgeordnete Matt Gaetz twittere: "Mit dem heutigen Verlust einer MQ-9 Reaper-Drohne der US Air Force im Schwarzen Meer werden wir erneut an die verräterische Realität unserer Beteiligung am Russland-Ukraine-Krieg erinnert." Man stehe am Abgrund eines Konflikts mit Russland, so Gaetz. "Ich fordere Joe Biden erneut auf, unsere Beteiligung an diesem Krieg zu beenden, bevor das Zählen verlorener Dollars in diesem Konflikt zum Zählen toter Amerikaner in der Ukraine wird."
- Eigene Recherchen