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Stichwahl in Georgia | Herschel Walker: Beendet er Donald Trumps Karriere?


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Brisante Wahl in Georgia
Er könnte Trumps Karriere beenden

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Atlanta

Aktualisiert am 06.12.2022Lesedauer: 5 Min.
Trumps Kandidat Herschel Walker (Archivbild): Sein Abschneiden strahlt auch auf den Ex-Präsidenten ab.Vergrößern des Bildes
Trumps Kandidat Herschel Walker: "Du bist nicht Jesus" (Quelle: DUSTIN CHAMBERS)
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Im US-Bundesstaat Georgia kämpfen erstmals zwei schwarze Kandidaten um den letzten freien Senatssitz. Das Ergebnis entscheidet auch über die Zukunft von Donald Trump.

An einem langen Tisch im Rathaus von Atlanta sitzt Andre Dickens und möchte etwas klarstellen. Der Bürgermeister der Hauptstadt des US-Bundesstaats Georgia legt seine Hände auf den Tisch und sagt: "Schwarze Menschen haben die Freiheit, das zu tun, was sie tun wollen. Also können Schwarze auch wählen, wen sie wollen – egal ob Demokraten oder Republikaner."

Es ist Anfang November, kurz vor den Zwischenwahlen in den USA. Schon damals ist absehbar, dass es in Georgia noch zu einer Stichwahl um den Senatssitz kommen wird. Denn in dem Bundesstaat ist nur gewählt, wer die absolute Mehrheit der Stimmen erhält.

Dickens antwortet auf die Frage des Reporters, ob er sich keine Sorgen um die Stimmen der schwarzen Wähler mache. Laut Umfragen tendierten diese zuletzt immer stärker zu den Republikanern – also ausgerechnet zu jener Partei, der immer wieder Rassismus vorgeworfen wird.

Er sei froh, wenn schwarze Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, sagt Dickens. Es gehe um die Freiheit, diese Wahl zu treffen. Seine klare Botschaft ist auch ein Verweis darauf, dass in den Vereinigten Staaten erst 1965 die Diskriminierung von Schwarzen bei Wahlen per Gesetz verboten wurde.

Eine entscheidende letzte Wahl

Fast sechs Jahrzehnte später kommt es im Südwesten der USA zu einer Stichwahl, die so damals niemand für möglich hielt: An diesem Dienstag treten erstmals in der Geschichte Georgias zwei schwarze Kandidaten für den US-Senat gegeneinander an. Egal wie das Rennen zwischen dem demokratischen Pastor und Amtsinhaber Raphael Warnock und dem von Donald Trump unterstützten Ex-Footballstar Herschel Walker ausgeht: Klar ist, dass ein weiterer Afroamerikaner im Senat sitzen wird.

Für die schwarze Bevölkerung ist das ein Signal für die eigene politische Stärke. Und ein Symbol für den Erfolg der Bürgerrechtsbewegung, die in Atlanta, der Geburtsstadt Martin Luther Kings, bis heute besonders stark ist. Auch wenn von 100 Senatoren in Zukunft immer noch nur drei schwarz sein werden.

Aber natürlich geht es in Georgia nicht nur um ethnische Zugehörigkeit, sondern vor allem um Macht. Ob Walker oder Warnock gewinnt, entscheidet darüber, ob die Demokraten im Senat eine Mehrheit von 51 zu 49 Sitzen erzielen können. Damit würden sie in den wichtigen Ausschüssen ebenfalls die Mehrzahl der Abgeordneten stellen. Und sie wären weniger abhängig von Abweichlern in den eigenen Reihen – wie den eher konservativen Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema.

Sollten die Demokraten in Georgia siegen, könnte das auch über das politische Schicksal von Donald Trump entscheiden. Der Ex-Präsident hielt sich in den vergangenen Wochen zwar bewusst aus dem Rennen heraus. Aber wohl jeder in Georgia weiß: Herschel Walker ist Trumps Kandidat.

Schon das Ergebnis der Zwischenwahlen Anfang November war für die Republikaner enttäuschend – und für Trump eine Schmach. Verliert seine Partei bei der Stichwahl in Georgia, wäre das ein weiterer Beleg für die schwindende Fähigkeit des ehemaligen Präsidenten, seiner Partei Siege zu sichern.

Tatsächlich wollten Trump und seine Anhänger mit Walker insbesondere bei der schwarzen Bevölkerung punkten. Ein Drittel der Wähler in Georgia sind Afroamerikaner, in den USA insgesamt sind es nur rund 14 Prozent. Allen voran junge, männliche Schwarze wählten zuletzt vermehrt republikanisch. Mit dem einstigen Footballstar Walker wollte Trump vor allem sie ansprechen.

Die meisten Schwarzen stimmten in der ersten Wahlrunde im November jedoch noch immer für die Demokraten: Rund 90 Prozent votierten für Raphael Warnock. Weiße Wähler dagegen favorisierten zu rund 70 Prozent Herschel Walker.

Der deutliche Unterschied lässt sich erklären. Während der Baptistenpastor Warnock seit Langem Rassismus, Diskriminierungen und soziale Benachteiligung anprangert, verneint Walker, dass es diese Probleme überhaupt gibt. In einem Werbespot griff er seinen Konkurrenten frontal an: "Raphael Warnock glaubt, dass Amerika ein schlechtes Land voller rassistischer Menschen ist. Ich glaube, dass wir ein großartiges Land voller großherziger Menschen sind."

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Der Rassismus ist nicht zu übersehen

Tatsächlich ist gerade Georgias Hauptstadt Atlanta ein negatives Beispiel für die Einkommensungleichheit zwischen den Ethnien: Weil ihr durchschnittliches Haushaltseinkommen deutlich niedriger ist, sind mit 70 Prozent mehr als dreimal so viele schwarze Familien von Armut betroffen wie weiße.

Fast 60 Jahre nach dem "Voting Rights Act", der Schwarzen das uneingeschränkte Wahlrecht verlieh, verabschiedeten die Republikaner in Georgia 2021 den "Election Integrity Act". Die Wahlrechtsreform verbietet es unter anderem, Wähler in Warteschlangen kostenlos mit Wasser oder Essen zu versorgen. Es ist nur eine von vielen Maßnahmen, die Kritikern zufolge gerade ärmere Afroamerikaner vom Wählen abhalten soll. Denn vor allem in ihren Vierteln haben die Republikaner die Zahl der Wahllokale reduziert, sodass sie oft stundenlang in Schlangen vor Wahllokalen ausharren müssen.

In Atlanta, ganz in der Nähe der Ebenezer Baptist Church, jener berühmten Kirche, in der Martin Luther King Jr. einst predigte, steht Georgias jüngste Abgeordnete Park Cannon. Vor einem Altenheim, in dem fast ausschließlich schwarze Bewohner leben, spricht die 31-Jährige von den Problemen, die alte, aber auch sehr junge schwarze Wähler in Georgia haben. "Die Hürden sind riesengroß", sagt Cannon, die bereits mit 24 Jahren zum ersten Mal ins Abgeordnetenhaus von Georgia gewählt wurde.

So seien etwa Anforderungen für Formulare geändert worden, sodass viele Menschen es nicht mehr rechtzeitig zur Wahl geschafft hätten, diese einzureichen. "Aber ich bin zuversichtlich, dass gerade Millennials, die vielleicht die Zwischenwahlen verpasst haben, sich sagen: Bei der Stichwahl will ich unbedingt dabei sein."

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Neben Cannon steht der Pastor Torrey Balan und erzählt, dass vor Kurzem in seine Gemeinderäume eingebrochen worden sei. Ja, gerade bei der ärmeren schwarzen Bevölkerung gebe es ein Kriminalitätsproblem. "Aber wissen Sie was? Die vier teuren Computer hat der Dieb gar nicht mitgenommen. Er hat einfach nur Essen gestohlen."

Selbst im seit Jahren prosperierenden Atlanta, der Heimat von Konzernen wie Coca-Cola und dem TV-Sender CNN, zudem Austragungsort der Olympischen Spiele 1996, ist Hunger noch immer ein Riesenproblem.

Balan lobt die junge Abgeordnete neben sich. "Park Cannon hat sich, seit sie gewählt wurde, immer in unserer Gemeinde engagiert. Sie war immer vor Ort." Abgeordnete für diesen Stadtteil von Atlanta zu sein, bedeute, Sozialarbeit zu leisten. Warum seine Gemeindemitglieder sich angesichts der scheinbaren Hoffnungslosigkeit nicht von der Demokratie abwenden? "So funktionieren die Leute hier nicht. Die wollen ihre Rechte wahrnehmen", sagt Balan. Und einen wie den republikanischen Senatskandidaten Walker, der noch dazu zuletzt in Texas wohnte, würde hier wohl kaum einer wählen.

Bitterer Wahlkampfendspurt

Gerade für dieses christlich geprägte Engagement für die eigene schwarze Gemeinschaft hat Ex-Superstar Walker nur Spott übrig. "You're not Jesus, and you're not Dr. King", ließ Trumps Kandidat seinen Gegner Warnock zuletzt wissen: "Du bist nicht Jesus, und du bist nicht Dr. King." Das Ziel: den Demokraten als scheinheiligen Pastor darzustellen. Auf den letzten Metern dieses knappen Rennens wurde es besonders persönlich.

Auch die Demokraten wühlten tief im Privatleben des gegnerischen Kandidaten. Sie ließen eine Frau, die angeblich eine Ex-Freundin von Walker ist, sogar in einem Werbespot auftreten, der ihn als völlig ungeeignet für das Senatorenamt darstellen soll. Eine Einschätzung, die womöglich auch viele Wählerinnen und Wähler gewonnen haben. Laut einer aktuellen Umfrage liegt der Demokrat Warnock mit 52 Prozent deutlich vor dem Republikaner Walker mit 48 Prozent. Aber Umfragen sind in Amerika mit besonderer Vorsicht zu genießen.

Was Atlantas Bürgermeister Andre Dickens im Rathaus über Herschel Walker sagt, lässt allerdings tief blicken. Ihn zum Kandidaten gekürt zu haben, ermögliche es Trump und seinen Anhängern zu sagen: Seht her, es gibt auch schwarze Republikaner. "Tatsächlich hat sich Herschel Walker nie mit den schwarzen Gemeinden hier identifiziert", sagt Dickens. Warum er glaubt, dass Trumps Kandidat verlieren wird? "Weder intellektuell noch staatsbürgerlich, weder politisch noch akademisch noch sozial hat er eine Chance."

Entscheidend wird in Georgia nicht die Hautfarbe sein, sondern der Charakter.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen vor Ort
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