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Donald Trump und sein Handeln im Iran-Konflikt: "Der Riese ist verletzt"


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Trumps Iran-Politik
Der Riese ist verletzt


Aktualisiert am 14.01.2020Lesedauer: 8 Min.
US-Präsident Donald Trump hat mit seinen Entscheidungen der Position der USA im Nahen Osten geschadet.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump hat mit seinen Entscheidungen der Position der USA im Nahen Osten geschadet. (Quelle: t-online)

Die Welt freut sich: Donald Trump erklärte dem Iran bislang nicht den Krieg. Doch seine strategischen Fehler haben die US-Position in der Region und die Regimekritiker im Iran massiv geschwächt. Dies wird nun zum Problem.

Am Sonntagabend versammeln sich in Teheran Tausende Menschen auf einer Trauerfeier für die Opfer der abgeschossenen Passagiermaschine. Aus Trauer wird massive Wut. Demonstranten in der iranischen Hauptstadt werden mit Tränengas beschossen. Sie halten den iranischen Sicherheitskräften weiße Blumen entgegen und Schilder in die Luft. Einige fordern die Abdankung von Irans oberstem Führer Ayatollah Khomeini, andere kritisieren die iranische Revolutionsgarde, die das ukrainische Flugzeug versehentlich abgeschossen hat. Irans Führung reagiert mit gemäßigter Härte, die Polizei treibt die Menschen mit Tränengas auseinander. Die Welt schaut aktuell sehr genau auf den Iran, das weiß auch das Regime.

Und die iranische Führung tut viel dafür, dass die Bilder der Proteste nicht ins Ausland gelangen. Das Internet wird eingeschränkt, Staatsfernsehen und Radio dürfen nicht darüber berichten. Dieser Plan funktioniert aber nicht immer. Einige Demonstranten können Bilder und Videos in den sozialen Medien veröffentlichen oder an Nachrichtenagenturen schicken. So auch das Foto mit den Blumen-Demonstranten, die in einem Nebel von Tränengas versinken.

Aber diese Bilder sind auch trügerisch. Sie suggerieren Menschenmassen, die mit aller Gewalt gegen das islamistische Regime kämpfen und einen Umsturz fordern. Genau dieses Bild zeichnet aktuell US-Präsident Donald Trump gerne öffentlich. Trump unterstützt die Protestbewegungen aus eigenen strategischen Überlegungen. Doch das öffentliche Werben für einen Regimewechsel im Iran durch die US-Regierung schadet der regimekritischen Bewegung im Land.

Historisches Misstrauen gegenüber den USA

Die USA haben im Iran schon Mitte des letzten Jahrhunderts ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Nun können sie eine eventuelle Demokratisierungsbewegung im Iran nur noch unterstützen, wenn sie ihre öffentliche Kommunikation stark mäßigen. Aber diese Strategie hat aktuell vor allem ein Problem: Donald Trump. Denn der US-Präsident hat durch sein Vorgehen in den letzten Wochen vor allem die Verletzlichkeit der USA im Nahen Osten demonstriert.

Das Misstrauen und die Feindschaft gegenüber den USA ist im Iran historisch gewachsen. Der Konflikt begann mit der "Operation Ajax". Im Jahr 1953 war Mohammad Mossadegh Premierminister im Iran. Der gelernte Rechtsanwalt war demokratisch gewählt und wollte vor allem den Briten den Zugriff auf die im Lande befindlichen Öllagerstätten entziehen.

Doch die USA und Großbritannien planten mit ihren Geheimdiensten CIA und MI6 eine Operation, mit der der Premierminister gestürzt und Fazlollah Zahedi als sein Nachfolger installiert werden sollte. Die Geheimdienste unterstützten und finanzierten unterschiedliche Gruppierungen im Land, der Schah sollte Mossadegh per Dekret entlassen, doch der Premier widersetzte sich zunächst und wollte eine Entlassung durch den Schah. Erst durch massive Pro-Schah-Demonstrationen im ganzen Land, die auch von Amerikanern und Briten unterstützt und orchestriert wurden, wendete sich die politische Lage. Mossadegh gab resigniert auf.

Durch den Putsch war der Iran wieder völlig in den Händen des Schahs, der den westlichen Verbündeten Zugang zum Öl garantierte. Doch dieser Status quo führte dann im Jahr 1979 zur Islamischen Revolution, in der das jetzige islamistische Regime unter Ayatollah Khomeini an die Macht kam. Bis heute haben die Iraner vor allem die Rolle der CIA in ihrer Geschichte nicht vergessen.


Das ist der Hintergrund des historisch schlechten Verhältnisses zwischen den USA und dem Iran, in den sich die letzten Ereignisse des Konflikts mit der Tötung des Generals Ghassem Soleimani einbetten. "Aktueller Auslöser der Proteste ist natürlich der offenbar versehentliche Abschuss einer Passagiermaschine und das Mauern der iranischen Behörden, besonders der Revolutionsgarden, unmittelbar danach", erklärt Daniel Gerlach, Nahost-Experte und Chefredakteur des Magazins "Zenith", im Gespräch mit t-online.de.

Der Protest fing mit Studentinnen und Studenten an – unter den Opfern war auch eine große Studentengruppe. "Es sind aber auch viele Vertreter der Mittelschicht, die weder vom Regime noch vom Ausland instrumentalisiert werden wollen. Sie wollen keine Randale und rufen die Behörden zu Gewaltfreiheit auf." Öffentliche Solidaritätsbekundungen des US-Präsidenten sind eher kontraproduktiv für Regimegegner im Iran, denn die US-Politik in der Region wirkt auch für iranische Regimekritiker oft abschreckend.

Das Mullah-Regime ist weder demokratisch, noch lässt es Meinungsfreiheit zu. Auch deshalb sind die Forderungen vieler Demonstranten vorsichtiger und es gibt eben nicht das Bild in Teheran, dass eine große Masse von Menschen das autoritäre Regime absetzen möchte, so wie Trump und die USA sich das eventuell vorstellen.

Regimewechsel im Iran noch in weiter Ferne

Die Menschen fordern vor allem personelle Konsequenzen bei der Revolutionsgarde, über den Rücktritt des Oberbefehlshabers wird diskutiert. Die Lage nach dem Flugzeugabschuss sei für das Regime im Iran nicht existenziell bedrohlich, aber schon heikel, meint Gerlach. "Alle wissen, dass die Forderungen nach Konsequenzen absolut legitim und begründet sind. Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass mehrere Verantwortliche in der Revolutionsgarde ihrer Posten enthoben werden", erklärt der gelernte Historiker. "Aber wenn sich das Regime nun entscheidet, solchen Forderungen nachzugeben, schafft es natürlich einen Präzedenzfall." Die Revolutionsgarde habe sich mit dem Versprechen, den Iran sicher zu halten, eine Sonderrolle im Land erkauft und könne dieses Versprechen offenbar nicht halten.

Aber diese Forderungen nach Konsequenzen haben kaum etwas damit zu tun, was sich in Washington erträumt wird. Der Regimewechsel im Iran ist noch in weiter Ferne. Trump hat nach dem Raketenangriff auf US-Ziele im Irak durch den Iran besonnen reagiert und keinen bewaffneten Konflikt angefangen. Die Welt freut sich, doch der US-Präsident hatte dafür vor allem innenpolitische Gründe. Eine große Mehrheit in der US-Bevölkerung ist gegen einen bewaffneten Konflikt mit dem Iran, ein Krieg wäre für Trump im Wahljahr 2020 politischer Selbstmord gewesen.

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Trotzdem war Trumps Entscheidung, den iranischen Top-General Soleimani mit einem Drohnenangriff zu töten, mutmaßlich ein großer strategischer Fehler. Die Konsequenzen daraus haben vor allem gezeigt, wie verletzlich der Riese USA im Nahen Osten ist. "Anders als etwa die Israelis stehen die USA exponiert in der Nachbarschaft Irans und müssen im Fall der Konfrontation, den ja alle irgendwie vermeiden wollen, aber in Kauf nehmen, mit schweren Verlusten rechnen", sagt Gerlach t-online.de. "Eine solche 'Stunde der Wahrheit' hätten die amerikanischen Militärs wohl lieber vermieden."

Sanktionen sind auch Form der Gewalt

Denn in der Region stärkt das vor allem die Position des Iran. In Ländern wie Syrien oder im Libanon nährt die Tötung von Soleimani antiamerikanische Strömungen, das irakische Parlament fordert die westliche Militärkoalition auf, das Land zu verlassen. Strategisch stehen die USA nun in einer Sackgasse im Nahen Osten, die Sicht darauf wird lediglich aktuell durch die Tragödie um die abgeschossene ukrainische Maschine verdeckt.

Die US-Regierung hat zunächst nicht mit einer militärischen Konfrontation regiert, aber Trump hat neue Sanktionen gegen den Iran angekündigt. Auch Sanktionen sind eine Form der Gewalt, die sich gegen die Zivilbevölkerung richtet. Der US-Präsident versucht durch eine Politik des maximalen Drucks, den Iran an den Verhandlungstisch zu zwingen. "Dies funktioniert aus mehreren Gründen nicht: Erstens hat man die Iraner gar nicht die erhofften positiven Folgen des Atomdeals spüren lassen, da es nie zu einer wirklichen Öffnung und Aufhebung der wirtschaftlichen Beschränkungen gekommen ist", meint Gerlach. Die Pragmatiker hätten also nun schlechte Argumente, wenn sie sagen: "Schaut her, die Umsetzung des Deals trägt Früchte." Mehr Druck von außen, auch durch US-Sanktionen, lässt die iranische Mittelschicht kollabieren oder ins Ausland abwandern.

Zweitens ist die US-Politik nicht der direkte Auslöser der Proteste gegen das iranische Regime. "Man muss die Diskussion über die inneren Kräfte im Iran von der über den Konflikt mit den USA trennen", sagt Gerlach. "Natürlich gibt es Wechselwirkungen, aber man kann nicht einfach sagen: Seht her, der Druck wirkt, denn die Iraner erheben sich." Damit zeige man lediglich, dass man mit Sanktionen nicht Druck auf das Regime, sondern auf die Bevölkerung ausüben müsse.

Trumps rote Linien

Im Prinzip hat Trump seinen Trumpf in den Verhandlungen mit dem Iran aus der Hand gegeben. Das Atomabkommen war eine Möglichkeit, Druck auf Teheran auszuüben. Die Sanktionen erzeugen zunehmenden Antiamerikanismus, das Regime fühlt sich bestärkt, am Raketen- und Atomprogramm festzuhalten. Für den Iran ist dies, ähnlich wie für Nordkorea, ein wirksames Abschreckungsmittel – auch ohne eine Atombombe. "Ich halte es also für illusorisch, dass Trump die Iraner dazu bekommt, dieses Thema auf den Tisch zu legen", erklärt Gerlach. "Das Beste, was in dieser Situation noch rauszuholen ist, wäre wohl eine Rückkehr zum aktuellen Deal. Wenn überhaupt."

Trumps Politik hat den USA im Nahen Osten Handlungsspielräume genommen. Seine besonnenen Reaktionen in den letzten Tagen sollen vor allem der US-Bevölkerung vermitteln, dass er die Lage im Griff hat. Doch das stimmt nicht. Trump hat zuletzt zwei rote Linien für den Iran gezogen: Das iranische Regime dürfe keine Atombombe haben und sie dürften nicht mit Gewalt gegen die Demonstrationen vorgehen.

Diese roten Linien wird der Iran nicht willentlich überschreiten, muss das Regime auch gar nicht. Die USA verlieren auch ohne iranische Atomrakete an Macht in der Region. Aus Syrien zog Trump das US-Militär ab, im Irak marodieren schiitische Milizen gegen US-Ziele im Land und auch aus diesem Land müssten sich die Amerikaner nach dem Willen des Parlamentes eigentlich verabschieden. Davon profitieren Akteure, wie die Terrormiliz IS oder Länder, die den Terror in anderen Ländern finanzieren, wie der Iran.

Karten im Spiel der Macht

Der strategische Fehlschlag der USA öffnet aber auch die Tür für die Europäische Union. Diese versucht nun über diplomatische Kanäle den Konflikt zu deeskalieren und vor allem das Atomabkommen zu retten. Im Prinzip stehen aber auch die Europäer vor dem Problem, dass sie gegen den Willen der USA den Iran wirtschaftlich fördern müssten, damit von der Entspannung auch etwas bei der iranischen Bevölkerung ankommt. Andernfalls knüpft Teheran noch engere Bindungen zu Russland oder China, die ihren Einfluss im Nahen Osten sukzessive ausbauen.

Europa kann dem entgegenwirken. Dafür müsse man aber die "Sprache der Macht" lernen, meint die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Aber welche Mittel hätte die EU im Konflikt zwischen den USA und dem Iran? Zumindest könnte die Staatengemeinschaft schneller reagieren, meint ein EU-Diplomat. "Warum treffen sich die Außenminister nicht schneller?", fragt er. "Das wäre ein Signal." Auch die erhoffte Wirkung der von Frankreich, Deutschland und Großbritannien gegründeten Handelsgesellschaft Instex, die europäischen Firmen trotz US-Sanktionen Geschäfte mit dem Iran ermöglichen soll, ist bislang nicht eingetreten.

Europa ringt stetig um diplomatische Lösungen. Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren aber kaum noch eine Situation, bei der die Wahl zwischen militärischer und politischer Lösung auf dem Tisch gelegen hätte. Eine zunehmende Zahl internationaler Akteure bedient sich stattdessen beider Mittel gleichzeitig oder abwechselnd, zunehmend ohne Rücksicht auf Spielregeln der Weltgemeinschaft und oftmals viel weiter ins Risiko gehend, als man es in europäischen Demokratien vertreten kann und will. In Syrien, in Libyen und nun womöglich auch im Konflikt zwischen dem Iran und den USA werden Tatsachen geschaffen.

Doch die EU ist noch im Spiel. Besonders dann, wenn sie stark und geschlossen auftritt. Aber um nicht nur Zaungast im Nahen Osten zu bleiben, müssen sich die Europäer nun etwas von der Nahostpolitik Donald Trumps absetzen. Im "Spiel der Macht" hat der US-Präsident zwar traditionell die besten Karten, aber sein Blatt im Nahen Osten ist in den letzten zwei Wochen schlechter geworden.

Verwendete Quellen
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