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Erdogans Syrien-Offensive: Der Fluch der Verräter


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Erdogans Syrien-Offensive
Der Fluch der Verräter


Aktualisiert am 23.10.2019Lesedauer: 11 Min.
US-Präsident Donald Trump macht seinem türkischen Amtskollegen Erdogan den Weg frei, um kurdische Milizen in Nordsyrien anzugreifen.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump macht seinem türkischen Amtskollegen Erdogan den Weg frei, um kurdische Milizen in Nordsyrien anzugreifen. (Quelle: t-online)

Der Waffenstillstand in Nordsyrien steht. Russland und die Türkei richten eine Sicherheitszone ein. Für die Kurden ist es nur eine Pause in einem Albtraum. Welche Interessen verfolgt Erdogan? Ein Blick in die Geschichte.

Sie werfen Kartoffeln auf Fahrzeuge mit bewaffneten Soldaten. Auf der Straße in der nordsyrischen Stadt Kamischli sammelt sich am Wochenende eine kleine Gruppe. Die Menschen haben Kisten mit Lebensmitteln mitgebracht. Daraus fliegen besagte Kartoffeln und Tomaten auf die Wagenkolonne der abziehenden US-Armee. Die Region wird überwiegend von Kurden bewohnt. Noch. Denn nach dem Willen der türkischen Regierung soll hier eine Sicherheitszone aufgebaut werden. Arabischstämmige Syrer sollen hier siedeln, die Kurden sollen weichen.

Doch das Aufgeben der Heimat ist für viele syrische Kurden keine Option. Sie demonstrieren, bitten international um Hilfe und einige kämpfen mit der kurdischen Miliz YPG ("Volksverteidigungseinheiten"). Auch in Kamischli steht ein Mann auf der Straße. Er beschimpft die US-Soldaten, die in den letzten Jahren Verbündete der Kurden im Kampf gegen die Terrormiliz IS waren. Der Mann fühlt sich verraten.

Derartige Bilder werden in den letzten Tagen vermehrt in den sozialen Medien geteilt. Im Jahr 2017 wurden die amerikanischen Soldaten noch mit Blumen und großem Jubel empfangen. Jetzt sind sie in den Augen vieler Kurden Verräter. Diese fühlten sich ausgeliefert – von US-Präsident Donald Trump. Und sie standen einer militärisch weit überlegenen türkischen Armee gegenüber. Seit Donnerstag ruhen nun die Waffen, nur vereinzelt wird noch geschossen. Die zwischen den USA und der Türkei vereinbarte Feuerpause wurde am Dienstag in Gesprächen zwischen der Türkei und Russland verlängert. Am Mittwoch kündigte Ankara, dass die türkische Regierung einem dauerhaften Waffenstillstand zustimmt.

Am Ende kontrollieren die Großmächte und das Assad-Regime wieder große Teile von Nordsyrien, die Interessen der Kurden werden übergangen. Sie sind am Ende die Opfer in den geostrategischen Spielen der größeren Mächte. So scheint es.

Profiteur der gegenwärtigen Situation ist vor allem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Er brach mit seinem Angriff auf die Milizen der YPG das Völkerrecht. Erdogan steht innenpolitisch und wirtschaftlich unter starkem Druck, für ihn ist der Krieg ein erfolgreiches Ablenkungsmanöver. Die Türkei verfolgt in Syrien aber auch eigene sicherheitspolitische Interessen, wähnt sich in einer bedrohlichen Situation. Grund dafür ist die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die eng mit der YPG in Syrien verflochten ist.

Diese Ausgangslage muss in Europa verstanden werden, um in dem Konflikt vermitteln zu können. Der blutige Konflikt zwischen Türken und Teilen der Kurden ist historisch von Betrug geprägt und ist auch heute noch ein Abbild des Kalten Krieges.

1. Die ersten großen Enttäuschungen

Die Kurden sind zahlenmäßig die größte Volksgruppe der Welt ohne eigenen Staat. Etwa 30 Millionen sollen heute laut Schätzungen im Südosten der Türkei, in Syrien, dem Irak wie dem Iran und auch im Libanon leben. Die Geschichte der Kurden war in den letzten hundert Jahren eine Chronologie der enttäuschten Hoffnungen.

Das Fundament für die Konflikte zwischen den türkischen Regierungen und Teilen dieser ethnischen Minderheit im Land legten die Alliierten nach dem Ersten Weltkrieg. Auch der türkische Staatsgründer Mustafa Kemal Pascha, später Atatürk genannt, ist verantwortlich. Und dies kam so: Der Vorgängerstaat der Türkei, das Osmanische Reich, hatte 1918 als Verbündeter des Deutschen Reichs den Krieg verloren; das weit über die Grenzen der heutigen Türkei reichende Staatsgebiet wurde zerstückelt.

Die auf Unabhängigkeit sinnenden Kurden verfolgten damals eine Doppelstrategie. Im Vertrag von Sèvres zwischen den Siegermächten des Ersten Weltkriegs und dem Osmanischen Reich wurde ihnen im Jahr 1920 von den Alliierten ein autonomes Gebiet auf dem Staatsgebiet des geschrumpften Osmanischen Reichs zugesprochen mit Ausblick auf den eigenen Nationalstaat Kurdistan.

Auch Kemal Pascha machte den Kurden damals Avancen. Denn schon seit 1919 kämpfte er im sogenannten Türkischen Befreiungskrieg auf der Seite der "Nationalbewegung" gegen die Besatzungsmächte auf dem heutigen türkischen Staatsgebiet, darunter auch Griechenland und Frankreich. Kurdische Unterstützung war wichtig, zumal ein Großteil der Truppen im Südosten des Reichs kurdisch dominiert war. Auch Kemal versprach den Kurden so Autonomie.

Nach dem Sieg der türkischen Nationalbewegung wurden die Versprechen vergessen. Im Vertrag von Lausanne wurde der türkische Nationalstaat von den westlichen Mächten völkerrechtlich akzeptiert, die Zugeständnisse an die Kurden fanden von keiner Seite mehr Berücksichtigung. Kemal, jetzt Atatürk, der "Vater der Türken", formte die heutige Türkei. Ein Land mit nur einem Volk und einer Sprache, so zumindest in der Staatsideologie.

Das Siedlungsgebiet der Kurden wurde aufgeteilt. Die ölreichen Gebiete in Syrien und im Irak blieben unter französischer beziehungsweise britischer Verwaltung. Ein Großteil des Kurdengebiets liegt hingegen bis heute in der Türkei. Doch die Kurden wurden nach 1923 in der Türkei eben nicht als ethnische Minderheit anerkannt. Ihre Sprache wurde verboten, sie waren fortan "Südosttürken". Für diese Minderheit begann eine kollektive Leidenszeit. Ihre Interessen wurden nicht berücksichtigt, sie fühlten sich vom Westen und von Atatürk betrogen.

2. Der Kalte Krieg

Seitdem herrschten Enttäuschung und Zorn in Teilen der kurdischen Gemeinschaft. Nach 1923 gab es in der Türkei immer wieder Aufstände der Kurden, die die türkische Armee blutig niederschlug. Internationalen Druck auf die türkische Regierung zur Mäßigung oder zum Minderheitenschutz gab es nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Welt dann zweigeteilt. Die Türkei wurde 1952 in die Nato aufgenommen, trotz großer Rivalität zu Griechenland, ebenfalls Mitglied des Verteidigungsbündnisses.


Auch in der Kurdenpolitik stellte sich das Militärbündnis hinter die türkische Regierung. Die Türkei war geostrategisch zu wichtig, denn sie kontrolliert das Tor zum Schwarzen Meer und ist geografisch gesehen der Zugang zum Nahen Osten und dem östlichen Mittelmeer. Zwischen dem Nato-Mitglied und dem mit der Sowjetunion verbündeten Syrien verlief eine Grenze im Kalten Krieg. Dies spielte auch eine Rolle bei der Gründung der PKK, der marxistisch orientierten Arbeiterpartei Kurdistans, im Jahr 1978.

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Die PKK kämpfte für ein unabhängiges Kurdistan, unterstützt wurde sie während des Kalten Krieges vom syrischen Regime unter Hafiz al-Assad, dem Vater des heutigen Machthabers Baschar al-Assad. So erhielten PKK-Mitglieder Rückzugsmöglichkeiten auf syrischem Territorium. Assad duldete das Bündnis zwischen den Kurden auf syrischem und türkischem Staatsgebiet, um die Türkei zu schwächen.

Noch heute erteilt sich die türkische Regierung unter Erdogan deswegen die Legitimation, der PKK diese Rückzugsmöglichkeiten in Syrien zu nehmen.

3. Der Terror der PKK

Ab 1978 radikalisierte sich die PKK zunehmend, im Jahr 1983 rief ihr Führer Abdullah Öcalan zum bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat auf. Es war die völlige Eskalation eines Konflikts, der in 30 Jahren etwa 40.000 Menschenleben kosten sollte. Öcalan stammt aus einer armen Familie und wuchs in der Nähe der türkisch-syrischen Grenze auf. In seinem Zuhause wurde kurdisch gesprochen, obwohl die Sprache unter Strafe verboten war.

Es gab blutige Kämpfe im Land, Angriffe und Anschläge der PKK auf Armee und Polizei. Menschen wurden entführt, aber auch die Armee reagierte mit extremer Gewalt. Im Zuge dessen brannten ganze Dörfer im Südosten des Landes ab. Im Jahr 1983 wurde schließlich Turgut Özal Ministerpräsident der Türkei. Er wollte sein Land in Richtung Europa orientieren, dafür war jedoch eine Anerkennung von ethnischen Minderheiten in der Türkei unabdingbar.

Nachdem der Kalte Krieg endete, sah Özal eine Chance, Frieden mit den Kurden zu schließen. Durch das Auseinanderbrechen der Sowjetunion war auch Syrien, das Öcalan Asyl gewährte, geschwächt. Der türkische Regierungschef wollte in dieser Zeit einen Dialog mit dem PKK-Führer beginnen.

Aber die Gewalt im Südosten des Landes nahm Überhand. Es gab Todesschwadrone der PKK, nicht kurdischstämmige Menschen wurden aus ihren Dörfern vertrieben. In der Türkei stand Özal mit seinem Willen zum Dialog allein da, mit dem Rücken zur Wand.

4. Der Zweite Golfkrieg brachte Waffen

Durch den Zweiten Golfkrieg im Jahr 1991 änderte sich die Sicherheitslage in der Türkei. Die PKK konnte das Machtvakuum im Norden des Iraks nutzen und gelangte an eine große Zahl von Waffen. Durch eine Sicherheitszone in diesem Krieg konnten kurdische Gruppen außerdem eine autonome Kurdenregion im Nordosten des Iraks etablieren.

Auch hier finden sich Ängste der heutigen türkischen Regierung wieder. Ankara befürchtet, dass sich die PKK durch ein Machtvakuum im Syrien-Krieg erneut stark bewaffnen könnte.

Im Jahr 1993 vollbrachten es Özal, jetzt im Amt des Staatspräsidenten, und Öcalan trotzdem, einen Waffenstillstand auszuhandeln. Diesmal war es die türkische Armee, die das nicht akzeptierte. Sie setzte die Angriffe auf die PKK fort.

Mit Özals Tod starb im Jahr 1993 auch der Friedensprozess. Seine Familie behauptet bis heute, dass er vergiftet wurde. In jedem Fall stärkte sein Tod erneut die Armee, die Gewalt brach wieder los.

5. Die Verhaftung Öcalans

Die Fronten waren fortan verhärtet. Die Türkei verfolgte eine Strategie der verbrannten Erde, die Armee sollte einen militärischen Sieg gegen die PKK erringen. Inhaftierungen und Folter waren an der Tagesordnung, mindestens 300.000 Kurden wurden vertrieben, 4.000 ihrer Dörfer wurden zerstört. Doch die Strategie ging nicht auf. Durch Guerillataktiken und durch ihre Rückzugsmöglichkeiten in den Irak und nach Syrien konnte sich die PKK behaupten.

Es war die düsterste Zeit für die Kurden in der Türkei. Ihre Politiker wurden verhaftet, ihre Presse verboten und sie waren umfassenden Repressalien ausgesetzt. Es war auch die Zeit, in der sich der Terror der PKK auch auf das Ausland ausweitete. In Deutschland gab es Anschläge auf türkische Konsulate und auch deutsche Staatsbürger wurden entführt. Die PKK landete als Terrororganisation auf den Verbotslisten Deutschlands und der Europäischen Union.

Die Türkei genoss die uneingeschränkte Solidarität der Nato-Mitglieder, trotz brutaler Gewalt, die auch durch die eigene Armee gegen Kurden verübt wurde. Diese einseitige Unterstützung der Türkei empört bis heute viele Kurden.

1999 wollte die türkische Regierung Öcalan endgültig durch eine Festnahme ausschalten. Dazu nutzte Ankara in großem Maße die Unterstützung der USA. Zunächst drohte man Syrien; Assad musste daraufhin Öcalan ausweisen. Die Vereinigten Staaten übten Druck auf Länder aus, die sich bereit erklärten, Öcalan aufzunehmen. In Kenia wurde der PKK-Führer dann vom türkischen Geheimdienst, von der CIA und vom israelischen Mossad gefasst. Der PKK-Führer wurde der türkischen Öffentlichkeit präsentiert, vermutlich unter Drogen. Besonders symbolträchtig wurde dieser "Auftritt" inszeniert: Hinter dem türkischen Staatsfeind Nummer eins hisste man die türkische Flagge.

Für viele Kurden wird dies bis in die Gegenwart hinein als Schande und als unerträgliche Demütigung empfunden, die sich immer noch im kollektiven Gedächtnis wiederfindet. Bis heute sitzt Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali.

6. Erdogan als Hoffnungsträger

Bei seiner Gerichtsverhandlung befahl Öcalan der PKK überraschend, sich zurückzuziehen. Es herrschte eine Zeit lang Frieden, aber die türkische Regierung nutzte diesen Frieden nicht, um mit den Kurden einen stabilen Frieden auszuhandeln

Im Jahr 2002 stand die Türkei vor einer Zeitenwende, Erdogan wurde erstmals Ministerpräsident. Er vertrat zunächst die Doktrin, dass Kurden und Türken Muslime seien und gab den Kurden mehr Rechte in der Türkei. Die Regierung investierte fortan viel Geld in die Infrastruktur im Südosten des Landes. Dadurch ist Erdogan bei einem meist gläubigen Teil der Kurden sehr beliebt, bis heute wählt etwa die Hälfte der türkischen Kurden seine Partei AKP. Ihre Sprache war fortan nicht mehr verboten, auch kurdische Medien waren erlaubt.

Erdogan veränderte seine Kurdenpolitik erst im Jahr 2011. Aus eigenem Machtkalkül. Die Kurdenfrage schien zu der Zeit Erdogans Wählerschaft zu spalten und besonders starke nationalistische Kräfte in der Türkei waren gegen den Friedensprozess. Erdogan erklärte in einem Fernsehinterview, dass er Öcalan hingerichtet hätte, wenn er zum Zeitpunkt seiner Verhaftung Ministerpräsident gewesen wäre. Die Oslo-Gespräche, die die Türkei und die PKK zwischen 2009 und 2011 führten, waren gescheitert.

Es gab Verhaftungen von Mitgliedern des politischen Arms der PKK und türkische Luftangriffe auf kurdische Dörfer, vor allem im Südosten der Türkei. Überall dort, wo die türkische Armee Waffendepots der kurdischen Miliz vermutete. Die PKK reagierte mit Anschlägen und Angriffen auf Militär und Polizei. Im Jahr 2015 verkündete Erdogan offiziell das Ende des Friedensprozesses und eine Militäroffensive gegen die PKK. Dies tat er auch, um die erstarkende prokurdische Partei HDP zu schwächen, die er für den Verlust seiner absoluten Mehrheit im türkischen Parlament verantwortlich machte. Erdogan versucht, die Partei zu diskreditieren, indem er ihr die Nähe zum Terrorismus und zur PKK vorwirft, die durch ihre Anschläge in der türkischen Bevölkerung geächtet ist.

7. Der syrische Bürgerkrieg

Seither wird in der Türkei wieder gekämpft. Immer wieder gibt es Luftangriffe, die PKK reagiert mit Angriffen auf türkische Sicherheitskräfte. Es gibt Ausgangssperren und die komplette Abriegelung einzelner Dörfer im Südosten der Türkei.

Als die kurdische PYD und ihr bewaffneter Arm, die YPG, es schafften, große Teile Nordsyriens während der Kämpfe in dem Bürgerkriegsland zu kontrollieren und im Nordosten eine selbst verwaltete Zone zu errichten, wurde dies auch als eine Gefahr für die Türkei betrachet. "Es war seit Scheitern des Friedensprozesses 2015 absehbar, dass die Türkei nicht dauerhaft zusehen würde, wie eine Gruppe, die letztlich die PKK ist, jenseits ihrer Grenze Bewaffnung und Strukturen ausbaut", sagte Eva Savelsberg, Mitgründerin und Vorstandsvorsitzende des privaten Europäischen Zentrums für Kurdische Studien in Berlin, bereits 2018 im Austausch mit t-online.de. "Zu glauben, dass die PKK dort dauerhaft Frieden oder zumindest Stabilität schaffen wird, war naiv. Die Türkei hat die immer stärker werdende PKK-Präsenz an ihrer Grenze als Bedrohung empfunden, und das ist nachvollziehbar."

Es war demnach nur eine Frage der Zeit, bis Erdogan nach dem Angriff auf die Provinz Afrin im Jahr 2018 auch den Rest der kurdisch kontrollierten Gebiete ins Visier nahm. Für den türkischen Präsidenten war es der perfekte Zeitpunkt. Er konnte so innenpolitisch von den großen wirtschaftlichen Problemen der Türkei ablenken und die prokurdische HDP in der Opposition isolieren, weil der Rest der größeren türkischen Parteien hinter dem Angriff auf die Kurden in Syrien steht. Trump und die USA machten ihm dafür den Weg frei. Historisch betrachtet hat sich demnach nicht viel geändert.

Obwohl die USA der Kurdenpolitik der türkischen Regierung Rückendeckung gaben, haben sich die Kurden mehr Schutz von den Vereinigten Staaten erhofft. Sie versuchten, durch den Kampf gegen die Terrormiliz IS ihrer Sache – einem unabhängigem Kurdistan – wieder mehr Legitimität zu verschaffen. Man wollte der internationalen Gemeinschaft zeigen, dass sie im Nahen Osten am ehesten demokratische Werte verkörpern. Damit wollten sie auch die PKK aus dem Licht des Terrors rücken. Denn auf den europäischen Terrorlisten steht sie bis heute.

Nun fühlen sich die Kurden verraten, das Abziehen der US-Soldaten dokumentiert ihr Scheitern im Streben nach Unabhängigkeit. Die syrischen Kurden flüchten sich in die Arme des syrischen Machthabers Assad und damit auch unter die Kontrolle des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Putin zeigt ebenso wenig Interesse für die Belange der Kurden, der Schulterschluss mit dem türkischen Präsidenten sorgt für ein Machtgleichgewicht zwischen Nato und Russland im Norden Syriens, auf Kosten der Kurden, die umsiedeln müssen.

Die Sicherheitszone ist für die Türkei ein wichtiger Schritt, doch auch mit einem Puffer an der türkisch-syrischen Grenze kann der Konflikt mit der PKK und der eng mit ihr verbundenen YPG militärisch nicht gewonnen werden. Die Geschichte zeigt, dass es einen friedlichen Dialog geben muss, auch mit der PKK.


Schon jetzt ist die Feindschaft zwischen Teilen der Kurden und der Türkei stark verwurzelt und bedarf jahrzehntelanger Aufarbeitung. "Die Russen wären noch am besten. Egal wer kommt, alles ist besser als die Türkei", sagt ein kurdischer Kämpfer aus dem nordsyrischen Kobane zu "tagesschau.de". "Amerika wäre noch besser. Wenn die Türkei kommt, plündern sie alles. Vielleicht sind auch die USA Diebe, aber nicht so schlimme."

Für viele Kurden in Nordsyrien besteht nicht mehr die Frage, von wem sie am Ende verraten werden. Es ist nur noch die Suche nach dem kleineren Übel.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Bericht von tagesschau.de zur aktuellen Lage in Nordsyrien (Audio)
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