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Türkische Offensive in Syrien: Erdogan ebnet den Weg für ein Folterregime


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Türkische Offensive in Syrien
Erdogan ebnet den Weg für Assads Regime

Eine Analyse von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 14.10.2019Lesedauer: 5 Min.
Nach dem Angriff der türkischen Armee in Nordsyrien suchen die Kurden Hilfe beim syrischen Machthaber Assad.Vergrößern des Bildes
Nach dem Angriff der türkischen Armee in Nordsyrien suchen die Kurden Hilfe beim syrischen Machthaber Assad. (Quelle: t-online)
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Im Norden Syriens überschlagen sich nach dem türkischen Einmarsch die Ereignisse. Erdogan bringt den Krieg zurück in die Region des Landes. Die Kurden stehen einer Übermacht gegenüber und suchen Hilfe bei einem Feind.

Männer schießen mit Maschinengewehren in die Luft. Sie jubeln. Andere rufen den Namen von Baschar al-Assad, halten ein Bild des syrischen Machthabers in die Luft. Es sind ungewöhnliche Bilder, die seit Sonntag in vielen Videos in den sozialen Medien und im staatlich kontrollierten syrischen Fernsehen auftauchen. Sie stammen aus den Städten im Norden Syriens, die von kurdischen Milizen kontrolliert werden. Hier ist Assad eigentlich ein Feind. Doch durch den Angriff der türkischen Armee in weiten Teilen der türkisch-syrischen Grenzregion mussten die Kurden einen Pakt mit dem syrischen Regime eingehen. Es ist ein Pakt mit einem gefährlichen Diktator.

Aus der Not geboren

Für die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), die von kurdischen Miliz YPG dominiert werden, war die Lage aussichtslos. Durch Assad und seine Verbündeten, Russland und dem Iran, haben die Kurden nun die Hoffnung, dass die türkische Armee ihre Offensive irgendwann stoppen muss. Der Kurdenvertreter Aldar Xelil betonte, es sei eine rein "militärische Vereinbarung zur Verteidigung der syrischen Grenze". Das Abkommen ist aus der Not geboren, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan treibt die Kurden in die Hände des syrischen Diktators und übergibt Assad und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Schlüssel zum Norden des Landes. Neben türkischen Bomben gibt es nun eine neue und alte Gefahr in der Region: das Folterregime aus Damaskus ist zurück.


Schon seit letztem Jahr gab es Verhandlungen zwischen Assad und den Kurden. Ein zweites Afrin wollten die kurdischen Milizen unbedingt verhindern. Hier fragte man den syrischen Machthaber erst spät um Hilfe, Assads Truppen kamen zu spät. Die türkische Armee besetzte die Provinz und seitdem ist sie de facto eine türkische Kolonie. Ankara siedelte arabisch-stämmige Flüchtlinge aus Syrien nach Afrin, Kurden wurden vertrieben.

Plötzlich waren sie schutzlos

Das Schicksal droht nun auch den Kurden, die aktuell in dem Sicherheitsstreifen leben, den die türkische Armee im Nordosten des Landes einnehmen möchte. Mit dem Angriff der Türkei waren sie plötzlich umzingelt. Im Norden rückten Erdogans Truppen ins Land ein, im Westen griffen von der Türkei unterstütze mehrheitlich islamistische Milizen an und im Südosten waren die Kurden noch in Kämpfe mit dem Rest der Terrormiliz IS verwickelt. Als US-Präsident Donald Trump den Truppenrückzug der USA ankündigte, verloren die Kurden ihren zentralen Verbündeten Sicherheitsgaranten in der Region. Plötzlich waren sie schutzlos und der Nordosten des Landes, in dem es den letzten Jahren größtenteils friedlich war, ist nun wieder Kriegsgebiet.

Erdogan lässt vor allem in Grenzenähe flächendeckend Luftangriffe fliegen. Ankara möchte eine autonome Kurdenregion an der türkisch-syrischen Grenze verhindern. Für die türkische Regierung sind die Milizen der YPG Terroristen, denn sie haben Verbindungen zur in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, mit der sich die türkische Armee seit Jahrzehnten blutige Kämpfe liefert. Aber Erdogan will auch bei der Nachkriegsordnung in Syrien neben Russland und dem Iran mit am Tisch sitzen.

An dieser Nachkriegsordnung hat die aktuelle US-Regierung wenig Interesse. Trump ließ Ankara gewähren und Nato-Kriegsgerät aus den USA und Europa ist im aktiven Kriegseinsatz. Trump interessiert hauptsächlich der Wahlkampf in den USA – bei der US-Bevölkerung kommt es gut an, dass er die Truppen nach Hause holt.

Autonomie in Gefahr

In das Machtvakuum, das die US-Truppen hinterlassen, sticht nun die syrische Armee. Ein Abkommen mit Assad war der letzte Ausweg für die Kurden, obwohl auch der syrische Machthaber die Kurden in der Vergangenheit politisch unterdrückte. Mit dem Einzug der syrischen Armee in den Nordosten des Landes stirbt nun auch der Traum vieler syrischer Kurden von Autonomie.

Seit 2012 hatte die kurdisch dominierte SDF mit der stillschweigenden Duldung von Assad in ihren Gebieten eine eigene Verwaltung mit eigenen Schulen und eigenen Sicherheitskräften aufgebaut. Die unausgesprochene Vereinbarung war, dass sich die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) nicht am Kampf der Rebellen gegen Damaskus beteiligen. Im Gegenzug zog Assad seine Truppen aus dem Nordosten ab.

Im aktuellen Kampf gegen die Türkei waren die Kurden stets bestrebt darin, ihre Autonomie zu retten. Doch schon im Kampf um Afrin beharrte Assad darauf, volle Kontrolle über den Nordosten des Landes zu erhalten. Wegen ihres Bündnisses mit den USA verdammte er die Kurden sogar als Verräter.

Nun, da die türkische Armee und verbündete syrisch-arabische Milizen immer weiter vorstießen, verkündete die Autonomieverwaltung am Sonntagabend – nach Vermittlung durch Russland – eine Einigung mit Damaskus über die Entsendung von Truppen. Es wird zwar betont, dass es sich um ein militärisches Bündnis handelt, aber dass Assad seine Truppen aus der Kurdenregion wieder abzieht, ist unwahrscheinlich.

Absprachen der Großmächte

Die Vorgänge sind vor allem ein Sieg für das syrische Regime, geebnet von Erdogan. Die Region liegt im Chaos, Gefangene des IS sind entkommen, Schläferzellen der Terrormiliz liefern sich angeblich im Gebiet um Ar-Raqqa Kämpfe mit kurdischen Sicherheitskräften und Hilfsorganisationen fliehen aus der Region, weil ihre Mitglieder teilweise auf den Schwarzen Listen des syrischen Regimes stehen. Dies wurde t-online.de von der Hilfsorganisation Cadus bestätigt, die Krankenhäuser in der Region unterstützt.

Doch das blutige Durcheinander folgt wahrscheinlich einem Plan. Es ist wahrscheinlich, dass Erdogan sich mit Trump und Putin abgesprochen hat. Russland hat nun fast die volle Kontrolle über das Bürgerkriegsland. Assads Armee zog in die syrischen Städte Kobanê, Manbidsch oder Hasaka ein. Dies ist offenbar die Haltelinie für die türkische Armee, die Erdogan gezogen hat. Eine direkte Auseinandersetzung zwischen der Türkei und Russland ist dagegen unwahrscheinlich – daran hat keine Seite Interesse.

"Ankara hat sich mit Washington und Moskau abgesprochen, und es gibt klar definierte rote Linien, die nicht überschritten werden dürften", erklärte Fjodor Lukjanow, Außenpolitik-Experte und Forschungsdirektor des regierungsnahen Valdai-Clubs, in der Tagesschau. "Die Absprache könnte sein, dass die USA sich nur ein Stück weit zurückziehen, um der Türkei Spielraum für ihre Sicherheitszone zu geben."

Die Kurden hatten keine Wahl

Am Ende ist die einzige Gefahr für Russland, dass Assad sich den Willen der russischen Führung widersetzt, weil er nun wieder die Macht über weite Teile des Landes hat. Der Abzug der USA war in dem strategischem Interesse Putins, aber die russische Seite sieht es auch mit Sorge, dass nun ein Stabilitätsfaktor aus der Region verschwunden ist. "Natürlich ist es in Russlands strategischem Interesse, dass die USA rausgehen aus Syrien", sagte Lukjanow der ARD. "Auf der anderen Seite waren die amerikanischen Soldaten in der sehr komplizierten Gemengelage der vergangenen beiden Jahre ein wichtiger Sicherheitsfaktor und Stabilisator, und das war eigentlich allen Beteiligten recht."


Die Bauernopfer dieser geostrategischen Überlegungen sind die Kurden, die ihre Autonomie aufgeben müssen, um ihre Heimat gegen die türkischen Angriffe zu verteidigen. Sie wenden sich von den USA und auch vom Westen ab und stärkten damit Assad. Und was Assad stärkt, stärkt auch Putin in der Region. Die EU reagierte lediglich mit einem geplanten Waffenembargo gegen die Türkei. Aufhalten wird dies Erdogan nicht. Die Kurden kämpfen nun an der Seite eines Feindes gegen die türkische Armee. Am Ende hatten sie keine Wahl.

Verwendete Quellen
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