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Syrien-Krieg: Das sagen Deutsch-Türken zu Erdogans Militäreinsatz


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Deutsch-Türken und Erdogans Feldzug
Es herrscht Kriegslust


Aktualisiert am 16.10.2019Lesedauer: 6 Min.
Erdogan und eine Demonstration für seine Politik in Berlin: Der türkische Präsident kann sich der Zustimmung der türkischen Gemeinde in Deutschland sicher sein.Vergrößern des Bildes
Erdogan und eine Demonstration für seine Politik in Berlin: Der türkische Präsident kann sich der Zustimmung der türkischen Gemeinde in Deutschland sicher sein. (Quelle: Montage: t-online.de/imago-images-bilder)
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Die Mehrheit der Türken steht hinter der Offensive der türkischen Armee im Syrien-Krieg. Auch in Deutschland unterstützen viele Türkischstämmige Erdogan bei dem Angriff. Warum? Ein Besuch in Berlin-Neukölln.

Hüseyin spricht nicht gerne über Politik. Für ihn sind diese Gespräche oft frustrierend, sie enden oft im Streit. Der 53-Jährige steht mit mir im Eingang seines kleinen Ladens im Berliner Stadtteil Neukölln. Er raucht, grüßt gelegentlich Nachbarn, die an dem Spätkauf vorbeilaufen. Vor der Tür scheint die Sonne, einige Stammkunden sitzen auf der Fensterbank seines Ladens und nippen an ihren Getränken. Hüseyin bezeichnet sich selbst als politisch links, eine Seltenheit unter der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland. Linke haben es auch in der Türkei nicht leicht, besonders nicht, wenn Krieg ist.

Die Offensive des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Syrien-Krieg hat auch Deutschland erreicht. Hier in Neukölln stehen viele Leute hinter der türkischen Armee und dem Feldzug gegen die kurdischen Milizen in Nordsyrien. Die Gründe sind vielfältig: Patriotismus, Religion oder der Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Und: Viele Deutsch-Türken fühlen sich missverstanden, vor allem von den Medien.

Hüseyin ist anders. "Erdogan ist ein Teufel", sagt er mit gedämpfter Stimme. "Es ist falsch, was er tut. Krieg darf niemals der richtige Weg sein." In seinem Laden hat er neben der Kasse eine Flagge des Revolutionärs Che Guevara aufgehängt. Fragt man Hüseyin nach seiner politischen Haltung, zeigt er nur mit einem Lächeln auf diese Flagge. Er kritisiert den türkischen Präsidenten, vor allem seinen Umgang mit der Pressefreiheit in der Türkei. "Ich schaue gar kein Fernsehen mehr und informiere mich nur noch im Internet", sagt der Ladenbesitzer. Diese Kritik äußert er allerdings leise, meist hinter verschlossenen Türen. Denn außerhalb seines Ladens ist es eine andere Welt, zumindest politisch.


Spricht man mit türkischstämmigen Menschen in seiner Straße, ist die Meinung über den Kriegseinsatz oftmals eine andere. Hier schaut man Fernsehen, vor allem türkische Sender. Und die Kriegspropaganda der türkischen Regierung verfängt, auch in Deutschland. Jedoch sprechen auch die Kriegsbefürworter darüber nicht laut, sie fühlen sich von dem deutschen Teil der Gesellschaft oft nicht verstanden.

"Mit Ihnen spreche ich nicht", meint Kartal, den ich draußen vor Hüseyins Laden treffe. "Die Medien drehen einem doch sowieso nur die Worte im Mund herum. Das ist das Letzte, was ich dazu sage. Der Mann mittleren Alters schiebt sein Fahrrad auf dem Gehweg entlang. Er trägt einen dunklen Anzug mit einer eleganten hellblauen Krawatte. Offenbar kommt er gerade vom Beten aus einer kleinen Hinterhofmoschee, die sich nur wenige Meter entfernt auch in der Straße befindet.

Kriegslust in der Bevölkerung

Angesprochen auf Erdogans Kriegseinsatz ist Kartal aufgebracht, er wechselt immer wieder zwischen Türkisch und Deutsch und zieht wiederholt am Ärmel meines Pullovers. "Sie müssen immer Erdogan schlechtmachen. Dabei verteidigen Deutschland, die USA und die EU in Syrien die Terroristen der PKK", ruft er. "Die Türkei soll die Tore aufmachen, dann kommen wieder die Flüchtlinge."

Mit dieser Meinung ist Kartal nicht allein. In der Türkei ist der Einsatz der Armee in Syrien in der Bevölkerung beliebt. Es herrscht eine regelrechte Kriegslust, auch weil der Feldzug lange medial vorbereitet wurde. Die Argumente der Kriegsbefürworter sind in Deutschland und der Türkei gleich. Die türkischen Konsulate in der Bundesrepublik veröffentlichten jüngst einen Flyer, um für den Kriegseinsatz zu werben.

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Diese Gründe für "Operation Friedensquelle" können die meisten Menschen, die türkisches Fernsehen verfolgen, mittlerweile auswendig. Der Kriegseinsatz sei gegen die Terrororganisation PKK. Türkische Städte würden aus Syrien heraus von den Kurden mit Raketen beschossen und die Terrororganisation entführe kleine Kinder, um sie dann in Terrorcamps auszubilden. Die türkische Regierung wolle mit der Offensive außerdem dafür sorgen, dass die syrischen Flüchtlinge wieder zurück in ihre Heimat können.

Diese Argumente wirken bei vielen Türkinnen und Türken. Ein Großteil der türkischen Bevölkerung möchte die PKK bekämpfen, viele haben die Anschläge der militanten Organisation, die für ein unabhängiges Kurdistan kämpft, nicht vergessen. Auch die Haltung gegenüber Flüchtlingen hat sich in der Türkei mittlerweile verändert, auch durch die Lira-Krise. Sie werden von der Bevölkerung zunehmend als Konkurrenz um Arbeitsplätze oder Wohnraum wahrgenommen.

"Einsatz gegen die Terroristen der PKK"

Dass Erdogan für die wirtschaftlichen Probleme verantwortlich ist, dass der türkische Präsident in Syrien auch geostrategische Ziele verfolgt und dass er das Land in einen Krieg mit komplizierter Gemengelage führt, wird in der türkischen Bevölkerung oft nicht wahrgenommen. Im Gegenteil: In der ohnehin sehr nationalistisch geprägten Gesellschaft ist die Stimmung patriotisch. Medien, Regierung und ein Großteil der türkischen Opposition befeuern dies mit militanten Symbolen. Auch die türkische Nationalmannschaft, die bei Länderspielen gegen Albanien und Frankreich nach gefallenen Toren salutierte, hatte eine symbolische Wirkung auf das fußballverrückte Land.

In Deutschland paart sich diese patriotische Stimmung mit dem Gefühl, vom Rest der Bevölkerung im Land nicht verstanden zu werden. Dadurch reden viele Familien nur noch in privaten Kreisen über Politik oder sind in Gesprächen sehr aufgebracht. So wie Kartal aus Neukölln.

In unser Gespräch auf dem Bürgersteig mischt sich Ahmed ein. Eigentlich redet auch er nicht gerne über Politik, aber er zieht mich weg von Kartal und nimmt mich mit in seinen kleinen türkischen Supermarkt, der zu der Hinterhofmoschee gehört. Auch der 64-Jährige verteidigt den "Einsatz gegen die Terroristen der PKK", wie er sagt. "Krieg ist nicht die Zeit, um den Präsidenten zu kritisieren. Wir müssen jetzt hinter der Türkei und hinter dem Erdogan stehen", meint Ahmed. "Natürlich möchte ich immer Frieden und ich bin der Meinung, dass die Türkei den Syrern die Regionen zurückgeben muss, wenn die Terroristen vertrieben sind. Wenn Erdogan das tut, ist alles gut."

Auch er informiert sich durch das türkische Fernsehen, vertraut diesen Informationen. Es sei richtig, dass Politiker der prokurdischen HDP in der Türkei im Gefängnis sitzen, wenn sie die PKK unterstützen. Auch den Zustand der Pressefreiheit in der Türkei sieht er unkritisch: "Es wurde ein Fernsehsender geschlossen, der dem Prediger Fethullah Gülen gehörte, der für den Putschversuch von vor drei Jahren verantwortlich war."

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"Fühle mich als Fremder"

Es sind diese Momente, diese Gespräche in Zeiten von politischen Uneinigkeiten zwischen Deutschland und der Türkei, die zeigen, wie schwierig das gegenseitige Verständnis zwischen der türkischstämmigen Bevölkerung und dem Rest des Landes in politischen Fragen sein kann.

"Ich würde gern besser Deutsch sprechen, weil ich oft das Gefühl habe, mich nicht ausdrücken zu können", meint Ahmed, der schon 40 Jahre in Deutschland lebt. "Aber ich bin ein guter Mensch und habe mir nie etwas zu schulden kommen lassen. Meine beiden Kinder studieren in Deutschland. Trotzdem fühle ich mich in Deutschland und in der Türkei oft als Fremder."

In der Türkei schaut man seit langer Zeit verächtlich auf die Türken, die Jahrzehnte zuvor nach Deutschland ausgewandert sind. Erdogan war der erste Präsident, der sich bewusst um sie bemühte. Ahmed unterstützt ihn deshalb, auch bei seinem Krieg in Syrien.


Das mag für einen Großteil der Menschen in Deutschland und Europa befremdlich sein. Doch die Meinung ist zu erklären: Sie hängt unter anderem davon ab, ob man sich durch das türkische Fernsehen informiert oder durch das Internet. Für viele ist es auch die Frage, ob sie Erdogan mögen oder nicht.

Für Ahmed kommt dann noch der Glaube dazu: "Erdogan betet oft zu Allah und Menschen, die das tun, können auch in Syrien nur das Richtige tun", erklärt er. "Gott ist mit Erdogan."

Gott und Teufel liegen in Neukölln manchmal nur wenige Meter auseinander.

Die Namen von Kartal und Ahmed wurden auf Wunsch der Befragten
geändert. Die richtigen Namen liegen der Redaktion vor.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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