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"Trumps ganzer Stil erinnert an Hitler": "Mein Kampf"-Übersetzer zu USA


Übersetzer von "Mein Kampf"
"Trumps ganzer Stil erinnert an Hitler"

InterviewVon Marc von Lüpke

16.03.2025 - 11:52 UhrLesedauer: 6 Min.
Adolf Hitler 1933: Olivier Mannoni warnt vor Ähnlichkeiten zwischen dem deutschen Diktator und Donald Trump.Vergrößern des Bildes
Adolf Hitler 1933 (koloriert): Olivier Mannoni warnt vor Ähnlichkeiten zwischen dem deutschen Diktator und Donald Trump. (Quelle: Keystone/dpa)
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Adolf Hitlers "Mein Kampf" ist ein Werk des Hasses, Olivier Mannoni hat es übersetzt. Was er dabei über Hitler gelernt hat und warum ihn Trump an den Diktator erinnert, berichtet er im Interview.

"Mein Kampf" nannte Adolf Hitler seine zentrale Hetzschrift, Olivier Mannoni hat sie ins Französische übersetzt – in jahrelanger Arbeit und unter großen Mühe. Denn der Stil des deutschen Diktators sei geradezu ein Hohn, urteilt der Übersetzer. Wenn Mannoni heute Donald Trump reden hört, fühlt er sich an Hitlers Sprache erinnert.

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Worin gleichen sich Hitler und Trump? Was machte die Übersetzung von "Mein Kampf" so schwierig? Und welche Lehren der Geschichte sollten nicht vergessen werden? Diese Fragen beantwortet Olivier Mannoni, der über seine Erfahrungen das Buch "Hitler übersetzen" geschrieben hat, im Gespräch.

t-online: Herr Mannoni, Sie haben sich so intensiv wie wenige andere Menschen mit Adolf Hitlers "Mein Kampf" beschäftigt. Was ist Ihre Bilanz?

Olivier Mannoni: "Mein Kampf" ist ein ziemlich schlechtes Buch. Das war mir bereits früher klar. Aber erst nach Beginn meiner Übersetzungsarbeit wurde mir bewusst, wie fürchterlich schlecht "Mein Kampf" tatsächlich ist. Diese Sprache, dieser Schwall von Worten, die manchmal überhaupt nichts miteinander zu tun haben, ist schwer zu ertragen. Hitler trotzte der Logik, das Buch ist voller Syllogismen, scheinbaren Logikschlüssen, die aber der Logik entbehren. Dazu schwelgte Hitler in Adverbien und Adjektiven, er verhöhnte die deutsche Sprache geradezu.

Der Anspruch der kritischen Neuübersetzung von "Mein Kampf" bestand darin, Hitlers miserablen Stil ins Französische zu übertragen. Wie schwierig war das?

Es war grauenhaft. 1936 war bereits eine erste Übersetzung auf Französisch erschienen. Diese Version bereinigte allerdings Hitlers schrecklichen Stil, war insofern unzureichend. Es gibt so furchtbar lange Sätze in "Mein Kampf", die sich um sich selbst drehen und deren Aussage sich nur mit viel Mühe erschließen lassen. Manche Sätze sind geradezu zwanghaft, sie umkreisen einen Gedanken, eine Idee Hitlers, es ist wie eine braune Soße: zähflüssig. Dazu kommen diese vielen Hirngespinste, Halbwahrheiten und Lügen in diesem Machwerk.

Zur Person

Olivier Mannoni, 1960 in Tours geboren, ist einer der renommiertesten Übersetzer aus dem Deutschen ins Französische. Mannoni übersetzte unter anderem Werke von Franz Kafka, Sigmund Freud und Stefan Zweig, auch zahlreiche Bücher zur Geschichte des Nationalsozialismus. 2021 legte er nach jahrelanger Arbeit und der Zusammenarbeit mit Historikern "Historiciser le mal", eine kritische Neuübersetzung von Adolf Hitlers "Mein Kampf" vor. Über diese Arbeit schrieb Mannoni sein Buch "Hitler übersetzen", das kürzlich auf Deutsch erschienen ist. 2024 brachte Mannoni auf Französisch das Buch "Coulée brune. Comment le fascisme inonde notre langue" ("Brauner Schlamm. Wie der Faschismus unsere Sprache überschwemmt") heraus.

Rund acht Jahre haben Sie "Mein Kampf" ins Französische übersetzt, dann haben Sie das Buch "Hitler übersetzen" darüber geschrieben. Was war Ihr Antrieb?

Mein Ziel war es, Hitlers Buch so originalgetreu wie möglich zu übersetzen. Hitler war übrigens fuchsteufelswild, weil die ursprüngliche Übersetzung ins Französische 1936 ohne seine Erlaubnis geschehen ist. Warum? Er hat keinen Pfennig daran verdient.

Hitler ist durch "Mein Kampf" Millionär geworden.

Er war ein reicher Mann, ja. Am Anfang meiner Arbeit sagte ich mir, dass es sehr wichtig ist, damit meine Landsleute dieses Buch so kennenlernen können, wie es wirklich ist. Es verrät viel über Hitlers Charakter: Hitler kannte nur den Hass. Egal, worüber er sich in "Mein Kampf" auslässt, Erziehung der Kinder, Geopolitik oder "Rassenkunde", überall blitzt der Hass auf. Klare Gedanken sind im Buch Mangelware, aber Hass gibt es zuhauf. Mittlerweile gibt es aber noch einen weiteren Grund, warum ich meine Übersetzung für sinnvoll halte. Ich erkenne Hitlers Stil bei Donald Trump wieder. Das ist absolut beängstigend.

Wo gleicht Trump Hitler?

Trump schöpft immer wieder aus "Mein Kampf". Wie Hitler bezeichnet er politische Gegner als "Ungeziefer", Trump verwendet auch das furchtbare Wort "ausrotten". Er behauptet zudem, dass Migranten das "amerikanische Blut vergiften" würden. Es finden sich viele Beispiele, Trumps ganzer Stil erinnert an Hitler: diese endlosen Monologe, schwer verständlich und alles andere als gedanklich konsistent, dazu die vielen Falschbehauptungen.

Die Methoden Hitlers haben also ein Nachleben?

Es sind zeitlose Mechanismen, leider. Ich arbeite seit Jahrzehnten über den Nationalsozialismus, noch vor fünf Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass so etwas wieder hochkommt. Aber nun ist es geschehen.

In Europa wollen Rechtspopulisten und Ultrarechte Trumps Erfolg in den USA nachmachen, indem sie ihr Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft einschleusen. Wie erfolgreich sind sie?

Sie sind viel zu erfolgreich. In Frankreich hat der frühere Präsident Nicolas Sarkozy damit begonnen, Positionen von rechts zu übernehmen. Mittlerweile ist es keineswegs ausgeschlossen, dass Marine Le Pen vom Rassemblement National 2027 in den Élysée einzieht. 2015 hat sie von einer "Bakterienimmigration" gesprochen, die sie "ausmerzen" wolle. Sie können sich denken, was Le Pen wirklich meinte. Dieser Sprache, dieser Biologismen, bedienten sich auch Hitler und andere Nationalsozialisten. "Coulée brune", auf Deutsch "Brauner Schlamm", heißt mein Buch, in dem ich beschreibe, wie faschistisches Gedankengut in unsere Sprache einsickert. Solche Dinge passieren, wenn man zulässt, dass die politische Debatte kontaminiert und vergiftet wird. In Deutschland ist die AfD auch bereits die zweitstärkste Kraft.

Haben Sie einen Ratschlag?

Wir befinden uns an einem kritischen Punkt der Weltgeschichte. Kaum ein Mensch hätte sich bis vor kurzer Zeit vorstellen können, dass ein amerikanischer Präsident derart um Russland buhlt und so mit uns Europäern umspringt. Europa muss jetzt verstehen, dass es allein ist und Verantwortung für sich selbst trägt. Es ist noch nicht zu spät, weil rechte Kräfte und Autokraten nur in wenigen Ländern wie Ungarn die Macht übernommen haben, die Demokraten sind noch in der Überzahl und können zusammenarbeiten. Aber die Zeit läuft uns davon.

Politiker werden oft kritisiert, sie würden viel "reden", aber wenig "sagen". Verstehen Sie die Kritik?

Ja. Die Sprache von Politikern ist – von Ausnahmen abgesehen – oft inhaltsleer. Das merken die Zuhörer selbstverständlich und sind entsprechend frustriert. Für mich als Übersetzer ist das auf gewisse Weise faszinierend: Man spricht, um nichts zu sagen.

Woher stammt Ihr Interesse an der deutschen Sprache?

Mein Großvater fiel im Zweiten Weltkrieg. Das Schiff, auf dem er war, wurde von den Deutschen 1940 versenkt. Mein Vater wurde später Deutschlehrer, er wollte einen Beitrag zur Aussöhnung zwischen beiden Ländern leisten. Er konnte auswendig Goethe und Rilke zitieren, er interessierte sich aber auch sehr für die Geschichte des Krieges und der Konzentrationslager. Mit sechs Jahren habe ich dann angefangen, Deutsch zu lernen, später in der Schule und an der Universität ging es weiter.

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Was fasziniert Sie wiederum an Deutsch?

Ich bin immer wieder erstaunt von der Subtilität der deutschen Sprache, Deutsch hat auch diese gewisse Fähigkeit zur Abstraktion, die grammatikalisch begründet ist. Ein Philosoph wie Martin Heidegger wäre auf Französisch nahezu unmöglich.

Haben Sie es jemals bereut, die Übersetzung von "Mein Kampf" übernommen zu haben?

Was das Projekt an sich angeht, habe ich es nie bereut. Ich bin aber im braunen Morast gewatet, jahrelang. Manchmal war ich müde, sagte mir, dass man Hitlers Sätze nicht übersetzen kann. Es war furchtbar, aber notwendig.

Sie haben auch andere Nationalsozialisten übersetzt. Gibt es Unterschiede zu Hitler?

Joseph Goebbels hatte einen ganz anderen Stil als Hitler, seine Sätze waren kürzer, präziser und brutaler. Was Hitler und Goebbels allerdings verbindet, ist die inhaltliche Leere ihrer Aussagen.

Dafür ist auch Donald Trump berüchtigt.

Trump wird "Mein Kampf" nicht gelesen haben. Ich weiß nicht, ob er überhaupt etwas liest. Leute aus seiner früheren und gegenwärtigen Umgebung lesen allerdings mit Sicherheit. Sein früherer Berater Steve Bannon etwa ganz sicher. Auch diese Menschen, die hinter dem "Project 2025" zum rechten Umbau der USA stehen. Welche Pläne von Trump selbst stammen, ist allerdings unklar. Vielleicht ist er nur eine Sprechpuppe, vielleicht leiten andere Leute das Ganze. Wichtig ist aber, dass wir seine Wörter und Sätze ernst nehmen. Denn sie stammen teils aus "Mein Kampf". Wohin das führt, haben wir schon einmal erlebt.

Was ist Ihre Befürchtung?

Nehmen wir Präsident Javier Milei aus Argentinien, der kürzlich ein paar sehr hässliche Sachen über Menschen mit psychischen Erkrankungen gesagt hat. Immer mehr rechte Populisten wollen in immer mehr Ländern die Macht übernehmen, dazu reißen sie die absoluten moralischen Schranken ein, die seit 1945 aus gutem Grund eingeführt worden sind. Trump fabulierte neulich wiederum von der "Umsiedlung" der Palästinenser aus Gaza. "Umsiedlung nach Osten" nannten die Nationalsozialisten euphemistisch die Deportation der Juden zu ihrer Ermordung. Das ist doch furchtbar. Oder nehmen wir Putin und seinen Krieg gegen die Ukraine.

Dieser Krieg gilt dem Kreml eigentlich als eine "Militärische Sonderoperation".

Worte vertuschen die grausame Wirklichkeit, Putin macht das clever und gefährlich. Mittlerweile hat er überhaupt keine Moral mehr, Rücksicht kennt er nicht mehr.

Kommen wir zum Schluss noch einmal auf Adolf Hitler und Donald Trump zurück. Was verbindet diese beiden Personen?

Der Hass verbindet Trump und Hitler. Trump ist ebenso wie Hitler jemand, der hasst und anderen vermittelt: Das ist in Ordnung, wenn ihr auch hasst. So entfesselt sich diese negative Macht. Nehmen wir Hitler: Da ist so viel Hass in seinem Buch, er glaubte, das wäre die einzige Lebensweise für ihn. Schauen wir ihn in seiner frühen Zeit in Wien an: Der Mann war ein totaler Loser, er war einsam und hatte nichts. Später entdeckte er dann die Politik und merkte bei seinen hasserfüllten Reden, dass die Leute ihn bejubelten, ja, dass sie ihn liebten.

Herr Mannoni, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Olivier Mannoni via Videokonferenz
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