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Kremlregime im Ukraine-Krieg: "Das ist Putins Urangst"


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Russland gegen den Westen
"Das begreift Wagenknecht nicht"


Aktualisiert am 24.09.2024Lesedauer: 10 Min.
Sahra Wagenknecht: Die BSW-Chefin gilt als überaus freundlich gegenüber Russland eingestellt.Vergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht: Die BSW-Chefin gilt als überaus russlandfreundlich eingestellt. (Quelle: Wolfgang Maria Weber/imago-images-bilder)
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Die Ukraine ist das aktuelle Ziel von Russlands Aggression, doch die Machenschaften des Kremls richten sich auch gegen Deutschland und andere Staaten. Die Russlandexperten Gesine Dornblüth und Thomas Franke analysieren Putins Ränkespiel.

Russland attackiert die Ukraine mit Waffengewalt, doch diese befindet sich nicht allein im Visier Wladimir Putins. Deutschland, Europa und andere Staaten werden vom Kremlregime mit anderen Instrumenten manipuliert, instrumentalisiert und destabilisiert. Welche Werkzeuge setzt Moskau gegen Demokratien ein? Warum ist Russland viel schwächer, als es den Westen glauben machen will? Und worin besteht Putins größte Angst?

Diese Fragen beantworten Gesine Dornblüth und Thomas Franke, zwei Journalisten, die Russland, seine Bevölkerung und Putins Regime seit langer Zeit erkunden und kürzlich das Buch "Putins Gift. Russlands Angriff auf Europas Freiheit" veröffentlicht haben:

t-online: Frau Dornblüth, Herr Franke, warum liegt es in Deutschlands Interesse, Russlands Aggression aufzuhalten?

Thomas Franke: Russland kämpft gegen die Ukraine, es führt parallel aber auch einen Schattenkrieg gegen uns. Allein deswegen müssen wir es aufhalten. Denn unsere Zukunft und unsere Freiheit stehen auf dem Spiel. Freiheit, einmal verloren, ist sehr schwer wiederzuerlangen.

Gesine Dornblüth: Es gibt zahlreiche Gründe, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland zu unterstützen. Nicht zuletzt aus pragmatischen und rationalen Überlegungen heraus: Wenn Wladimir Putin und die russischen Truppen weiter in die Ukraine vordringen und neue Gebiete besetzen, wird es weitere Flüchtlingswellen Richtung Westen geben. Die entsprechenden Kosten für Deutschland und die Europäische Union würden steigen. Je näher Russland an uns heranrückt, desto mehr werden wir zudem in Sicherheit und Verteidigung investieren müssen.

Zugleich gibt es lautstarke Kritik an der deutschen Unterstützung für die Ukraine, Sahra Wagenknecht etwa mahnt Verhandlungen mit Russland an. Was halten Sie davon?

Dornblüth: Das ist eine ziemlich beschränkte Sichtweise der Dinge. Unterstützern der Ukraine wird oft vorgeworfen, sie würden emotional und moralisch argumentieren. Aber es ist doch gerade dieser Irrglaube, Putin sei zu Verhandlungen bereit, der emotional begründet ist. Es ist Wunschdenken. Putin wird erst zu Zugeständnissen bereit sein, wenn ihm keine andere Wahl mehr bleibt – und keinen Augenblick früher.

Gesine Dornblüth, Jahrgang 1969, ist Journalistin und promovierte Slawistin. Von 2012 bis 2017 war sie für den Deutschlandfunk Korrespondentin in Moskau. Thomas Franke, geboren 1967, ist Autor. 2023 erschien sein Erzählungsband "An den Kaukasus gekettet". Nach seinem Buch "Russian Angst" und dem mit Gesine Dornblüth veröffentlichten "Spiegel"-Bestseller "Jenseits von Putin. Russlands toxische Gesellschaft", ist nun mit "Putins Gift. Russlands Angriff auf Europas Freiheit" der dritte Band in dieser Reihe erschienen.

Franke: Russland will Angst verbreiten und Stärke demonstrieren. Es macht sich in gewisser Weise auch größer und stärker, als es in Wirklichkeit ist. Russland vergreift sich direkt nur an schwächeren Staaten. Offensichtliche Zurückhaltung und Schwäche ermutigen den Kreml, seine Aggression fortzuführen. Das begreifen Sahra Wagenknecht und andere Kritiker der Unterstützung für die Ukraine nicht.

"Putins Gift" lautet der Titel Ihres jüngst erschienen Buches. Womit vergiftet uns das Kremlregime?

Dornblüth: Bei "Putins Gift" denkt man zuerst an das russische Nervengift Nowitschok. In Putins Giftschrank gibt es aber noch andere Mittel, darunter Angst und Einschüchterung, etwa wenn Russland Richtung Westen immer wieder mit Atombomben droht. Desinformation ist wiederum ein schleichendes Gift in Putins Reservoir, ein Toxin, das auch stabile Demokratien schädigt.

Franke: Desinformation zerstört das Vertrauen von Menschen in Fakten, Institutionen und in die Politik. Sie wirkt langsam und subtil, aber nachhaltig. Fast täglich gibt es Nachrichten über Sabotage, Hackerangriffe, Desinformationskampagnen. Was wiederum nur die Spitze des Eisberges ist. Es gibt aber auch noch ein anderes bemerkenswertes Gift, das Putin gerade gegen Deutschland einsetzt.

Welches ist das?

Franke: Der Appell an die Schuld. Und zwar an die historische Schuld, die Deutschland ohne jeden Zweifel durch die Verbrechen während des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion seit 1941 trägt. Der Kreml bespielt diese Schuld sehr bewusst und überaus gekonnt, auch mithilfe prorussischer Akteure. Das Ziel ist, die Unterstützung der Ukraine und den Kampf gegen Putins Geheimdienstdiktatur in eine Reihe mit dem Krieg des Deutschen Reichs gegen die Sowjetunion zu stellen. Das ist aber überhaupt nicht vergleichbar. Auf russischer Seite findet eine immer stärkere Militarisierung des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg statt, verbunden mit Propaganda des Kremls. Es gipfelte im April 2022 in der Behauptung des russischen Militärattachés in Deutschland, dass der Zweite Weltkrieg noch nicht zu Ende gekämpft sei. Es gebe immer noch Faschisten, die einen Genozid an russischsprachigen Menschen verübten.

Der Militärattaché spielte auf die von Russland angegriffene Ukraine unter der Regierung Selenskyjs an, die von Putin als "Nazis" und "Drogensüchtige" diffamiert wird.

Franke: Exakt, also eine weitere von Putins Lügen. In Deutschland sind "Genozid" und "Faschismus" Schlüsselworte, die etwas auslösen. Ja, die Sowjetunion hatte einen gebührenden Anteil an der Niederwerfung des Nationalsozialismus. Aber die alte Sowjetunion ist nicht das heutige Russland. Und diese Sowjetunion war auch keine moralisch untadelige Siegermacht, sondern hat in ihrer Besatzungszone zahlreiche Verbrechen begangen. Mehr noch, die Rote Armee hat zwar geholfen, Europa vom Faschismus zu befreien, anschließend aber Teile Europas selbst versklavt. Das Wissen darum sollte in Deutschland – bei voller Anerkennung der deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg – weitverbreiteter sein und zu einer Resilienz gegenüber dem Kreml und dessen manipulativer Propaganda führen. Leider ist das nicht so.

Warum nicht?

Franke: Das Wissen um die Geschichte kann zur Resilienz von Gesellschaften gegen russische Propaganda führen. In Deutschland sind wir aber unseren Tabus verhaftet angesichts der Scham über die von Deutschen zwischen 1939 und 1945 begangenen Verbrechen. Andernorts ist tatsächlich Resilienz vorhanden: bei freiheitsliebenden Menschen im Baltikum zum Beispiel, in Georgien und in der Ukraine.

Dornblüth: Tatsächlich sollten wir viel mehr auf den Rat unserer osteuropäischen Partner hören, deren Geschichte und Erfahrung mit Russland lange zurückreicht und oft grausam ist. In Georgien zum Beispiel.

Was können wir da lernen?

Dornblüth: Russland schafft wirtschaftliche Abhängigkeiten. Nord Stream, dieses unsägliche Pipelineprojekt, hat demonstriert, wie stark sich die deutsche Wirtschaft mitsamt mehrerer Bundesregierungen von den Verheißungen aus Russland hat locken lassen. Kleinere und schwächere Staaten wie Georgien bekommen Russlands Macht noch viel stärker zu spüren. 2006 reduzierte Moskau die Einfuhr von Wein aus Georgien nahezu auf null. Wein ist ein sehr wichtiger Exportartikel dieses kleinen Landes. Warum tat der Kreml das? Offiziell wegen angeblicher Schadstoffe im Wein, der eigentliche Grund war aber, dass Putin dem neuen prowestlichen Präsidenten Micheil Saakaschwili schaden wollte.

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Der Kreml beendete die wirtschaftliche Eiszeit erst, als 2012 der russlandfreundliche Oligarch Bidsina Iwanischwili georgischer Regierungschef wurde.

Dornblüth: Die georgische Gesellschaft ist in ihrer ganz großen Mehrheit generationsübergreifend proeuropäisch. Bei einigen Älteren herrscht aber eine gewisse Sowjetnostalgie. Und die Regierungspartei hat erfolgreich Kriegsangst geschürt und präsentiert sich als Garant für Frieden mit Russland. Damit kann der Kreml arbeiten. Am Beispiel Georgiens hätte Deutschland studieren können, wie skrupellos Russland jedes Druckmittel einsetzt. Niemand hätte davon überrascht sein müssen, dass Russland auch gegen Deutschland Energie als Waffe benutzt.

Franke: Georgien bestätigt noch eine weitere Lehre aus dem Umgang mit Putin: 2008 hat Georgien zwar einen Krieg gegen seinen abtrünnigen und vom Kreml unterstützten Landesteil Südossetien begonnen, aber Russland hat die Gelegenheit genutzt, Georgien flächendeckend anzugreifen und sich mit Südossetien und Abchasien gleich zwei umstrittene georgische Gebiete quasi einzuverleiben. Möglich wurde das, weil die Nato Georgien kurz zuvor den Membership Action Plan, die Fahrkarte ins Bündnis, verweigert hatte. Russland nutzt jede Schwäche – und wird es immer wieder tun.

Solange, bis wir aus dem Westen Putin und dem Kreml eine rote Linie aufzeigen?

Franke: Putins Propaganda hämmert der russischen Bevölkerung eine zentrale Botschaft ein: Die Russen seien ein "Siegervolk", das stecke "in ihren Genen", wie Putin einmal sagte. Das erinnert an den ideologischen Unsinn von einer auserwählten Rasse, die sich das Recht herausnimmt, andere Nationen unterjochen zu dürfen. Für ein friedliches Miteinander auf diesem Kontinent ist es sehr wichtig, dass diese pathetische Behauptung Putins als Lüge entlarvt wird und die russische Bevölkerung begreift, dass sie nicht besser und nicht schlechter als andere ist.

Dornblüth: Deswegen ist auch die ukrainische Offensive in das Gebiet Kursk so ungeheuer wichtig. Denn diese Region ist ohne jeden Zweifel offizielles Staatsgebiet der Russischen Föderation. Es ist zwar nur ein winziger Landstrich im Vergleich zum Rest dieses riesigen Landes, aber es zeigt, dass Russland verletzbar ist. Es wurden von russischer Seite auch sofort Verhandlungen aufgenommen, die sehr schnell in weitere Gefangenenaustausche mündeten. Wenn man also aktiv wird und Russland damit zu einer Reaktion zwingt, dann tritt auch seitens des Regimes eine Gesprächsbereitschaft ein.

Bräuchte die Ukraine nicht viel größere militärische Erfolge, um Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen?

Dornblüth: Ja, nur in Bedrängnis ist Russland zu konstruktiven Gesprächen bereit. Eine Besetzung von Teilen der Ukraine durch Russland bedeutet keinen Frieden, auch ein Waffenstillstand nicht. Das hätte weiterhin Tod, Vernichtung und Vertreibung zur Folge. Und zwar auch für diejenigen, die weder ihre ukrainische Staatsbürgerschaft aufgeben noch ihre ukrainischen Wurzeln verleugnen wollen. Genau genommen für alle, die frei leben und denken wollen.

Sie haben Desinformation als wichtiges Instrumentarium aus Putins Giftschrank erwähnt. Wie frei denken wir in Deutschland eigentlich noch?

Franke: Putin ist derzeit auf Expansionskurs, überall in Europa versucht das russische Regime, seine Leute zu installieren. Diese greifen entweder die jeweilige Ordnung in den betreffenden Ländern an oder sorgen anderweitig für Probleme. Das macht bei uns Sahra Wagenknecht, das erledigt auch die AfD. Putin und seine Geheimdienstclique betrachten das Ganze als ein Spiel um Einflusszonen: Je größer der Einfluss auf Demokratien wird, desto zerstörerischer sind die eingesetzten Instrumente. Deshalb: Ja, wir haben hierzulande ein Problem: Diese verschiedenen Kommunikationspannen, die wir immer wieder beobachten, sind nicht aus Moskau organisiert, werden aber von dort orchestriert und unterstützt.

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Was meinen Sie mit Kommunikationspannen?

Franke: In unserem Buch sezieren wir die letzten Minuten einer Folge der ARD-Talkshow "Maischberger": Sahra Wagenknecht verbreitet darin ganz klar falsche Narrative – und das in den letzten Minuten der Sendung. Wagenknecht nennt Details aus Verhandlungen, die verkürzt, verfälscht oder aus dem Zusammenhang gerissen sind, und eins zu eins der russischen Propaganda und dem entsprechen, was Trolle und Bots im Internet zu diesem Zeitpunkt verbreitet haben. Bei all dem setzt Wagenknecht erkennbar darauf, dass die Sendezeit abläuft und ihr niemand mehr inhaltlich entgegentreten kann. Ihre Lügen bleiben am Ende der Sendung so stehen.

Was treibt Wagenknecht an?

Franke: Sahra Wagenknecht ist die profilierteste und bekannteste Marionette Putins in Deutschland. Ich weiß nicht, wie steuerbar sie ist, ob sie das freiwillig macht oder wie sehr sie überzeugt von dem ist, was sie anstellt. Fakt ist, dass Wagenknecht und andere die deutschen Debatten mit Lügen, Halbwahrheiten und Verzerrungen füttern, getarnt als Meinung. Auch bei der AfD stimmen die Argumente oft nicht. Wir brauchen als Gesellschaft aber eine solide Faktenbasis, um diskutieren zu können. Das weiß der Kreml genau; Wagenknecht und andere spielen Putin in die Hände, indem sie die faktischen Grundlagen der Diskussion infrage stellen.

Vor allem in Ostdeutschland haben das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD mit ihrer russlandfreundlichen Politik Erfolg. Warum dort?

Franke: Wir haben es im Osten Deutschlands mit einer Bevölkerung zu tun, die ihre Vergangenheit nur unzureichend aufgearbeitet hat. Das ist aber ein gesamtdeutsches Problem. Den Nachwendegenerationen fehlen häufig elementare Kenntnisse über die Berliner Mauer und die Grenze, über die Abhängigkeit der DDR von der Sowjetunion. Der Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953? Weitgehend unbekannt. Unterdrückung von Kritikern durch die Stasi? Vielen nicht wichtig genug. Der November 1989? Häufig irgendwas Diffuses. Dieses Unwissen oder Halbwissen ist sowohl die Grundlage für ein falsches Geschichtsbild als auch ein Einfallstor für Desinformation. Die DDR war eine Diktatur und zudem ein Staat, der in Teilen gescheitert war. Dementsprechend schwierig gestaltete sich die Überführung in die demokratischen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland. Die heutigen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme im Osten sind aber nicht die Schuld des Westens. Auch wenn allzu viele Leute in Ostdeutschland das anders sehen möchten. Es sind die Nachwirkungen der SED-Diktatur.

Dornblüth: Es existiert in Ostdeutschland ein Fremdeln mit der Demokratie, den Mühen des politischen Alltags und der schwierigen Kompromissfindung. Es ist halt einfacher, wenn jemand von oben Entscheidungen trifft.

Deshalb die Verklärung Putins als starken Anführer?

Dornblüth: Wer auch immer Putin und seine Herrschaft verklärt, hat wenig Ahnung davon, wie schwierig das alltägliche Leben für normale Menschen in Russland ist. Die Realität ist dort überaus hart.

Franke: Es herrscht auch wenig Bewusstsein dafür, wie gut es den Menschen der früheren DDR nach der Wende im Vergleich zu anderen Staaten des Ostblocks erging. Für diesen Satz werden mich viele kritisieren, aber er ist die Wahrheit. Wolf Biermann hat es neulich auf den Punkt gebracht: Diejenigen, die sich in der DDR nicht getraut haben, protestieren jetzt gegen die Demokratie, weil sie da nichts zu befürchten haben.

Glauben Sie eigentlich, dass auch Putin Angst empfindet?

Franke: Putin hat durchaus Angst. Wir beschreiben das in einem kleinen Exkurs am Anfang des Buches. Putin hat immer an die Allmacht des Geheimdienstes geglaubt und wollte ein Teil dessen sein. Dann saß er im Winter 1989 in Dresden und erlebte, wie sein einst allmächtiger KGB und dessen Tochterorganisation, die Stasi, plötzlich machtlos waren. Menschen, die er zutiefst ablehnt – also jene, die nach Freiheit und Demokratie dürsten – übernahmen das Ruder. Ähnliche Situationen erlebte er später noch mehrmals. Daraus zog Putin seine Schlüsse.

Dornblüth: In unserem Buch haben wir ein Kapitel "Wer Demokratie sät, wird Krieg ernten" genannt. Wir beschreiben, dass Putin überall, wo es ihm möglich ist, demokratische Reformen sabotiert.

Franke: Putin fürchtet sich vor selbst denkenden, freiheitlichen Menschen, weil sie seine Geschäfte und perversen Machtgelüste gefährden. Das ist seine Urangst. Gegenwärtig wird viel über Putins angebliche imperiale Gelüste geredet. Tatsächlich wollte Putin mit dem Krieg in der Ukraine aber demokratischen Umbruch und Wohlstand verhindern. Denn ein demokratisches und prosperierendes Nachbarland könnte für die Menschen in Russland das Beispiel sein, dem sie nacheifern wollen.

Dazu müsste die Ukraine nun zunächst diesen Krieg überstehen.

Franke: Die Ukraine ist stark, das hat sie 2014 nach der russischen Invasion im Donbass bewiesen und auch 2022 nach der Vollinvasion. Russland hingegen ist schwach, das ist es immer gewesen. Nun muss die Nato endlich in die Vorhand kommen, gemeinsam mit der Ukraine. Waffen müssen in ausreichender Zahl konsequent geliefert werden. Zudem sind harte Maßnahmen gegen jede Art von Kremleinfluss in den westlichen Gesellschaften einzuleiten. Diese Leute wollen unser System – unsere Demokratie – zerstören! Da sollten wir nicht zimperlich sein.

Dornblüth: Die Ukraine muss überleben. Dazu werden Verhandlungen notwendig sein. Tatsächlich unternimmt die Ukraine dafür bereits Anstrengungen, die bei uns in Deutschland zu wenig beachtet werden. Wie kann aber ein Russland, das Putin zufolge weiterhin unverdrossen an seinen radikalen Kriegszielen festhält, an den Verhandlungstisch gebracht werden? Kriege werden erst dann beendet, wenn eine Partei oder alle beteiligten Parteien der Meinung sind, dass eine Fortsetzung des Krieges nicht mehr sinnvoll oder möglich ist. Dahin müssen wir Russland kriegen.

Frau Dornblüth, Herr Franke, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Gesine Dornblüth und Thomas Franke via Videokonferenz
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