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EM vs. Brics-Spiele in Russland: Aus Putins “Ohrfeige” wurde nichts


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Kolumne "Russendisko"
Für Putin ist das eine Blamage

MeinungEine Kolumne von Wladimir Kaminer

23.06.2024Lesedauer: 4 Min.
Wladimir Putin: Die russischen BRICS-Spiele sind ein mäßiger Erfolg.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Die russischen Brics-Spiele sind ein mäßiger Erfolg. (Quelle: Manan Vatsyayana/AP/dpa)
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Der EM-Ball rollt in Deutschland, sehr zum Verdruss von Wladimir Putin in Russland: Seine Brics-Spiele erweisen sich eher als Ladenhüter, meint Wladimir Kaminer.

Wie hypnotisiert beobachte ich den gravierenden Sinkflug meiner alten Heimat in die Tiefe der Isolation – und jedes Mal, wenn ich denke, der Boden sei erreicht, klopft jemand von unten an. Das Verrückteste aus Russland, was ich in den letzten Wochen gesehen habe, waren die Brics-Spiele seit dem 13. Juni in Kasan, auch als "Putins Olympia" verhöhnt und verspottet. Ja, Brics nach der Vereinigung von Staaten, bei den Russland dick dabei ist.

Weil die Russen von den Olympischen Spielen in Frankreich und etlichen anderen Sportevents ausgeschlossen sind und die Sportler, die trotzdem ohne Flagge nach Paris fahren wollen, von ihren Vereinen und sogar teils aus der Machtzentrale als Verräter gecancelt und bedroht werden, hat ihnen der Präsident, ein großer Sportsfreund, als Wiedergutmachung eigene Spiele organisiert: besagte Brics-Spiele in Kasan.

(Quelle: Frank May)

Zur Person

Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Russendisko". Sein aktuelles Buch "Gebrauchsanweisung für Nachbarn" (mit Martin Hyun) ist im März 2024 erschienen.

Darüber wird bei uns in Europa kaum berichtet. In den deutschen Medien machte bloß ein Bild die Runde, das zeigt, wie der russische Großmeister im Synchronschwimmen, Alexander Malzew, in trauriger Einsamkeit die Goldmedaille bekommt, die Plätze 2 und 3 waren leer geblieben, weil niemand außer Malzew am Synchronschwimmen-Wettbewerb teilnahm.

Es mangelte auch an Zuschauern. Ich hatte Mitleid mit den Sportlern, es sind einige sehr gute dabei, sie tragen keine Schuld an dem Krieg und der gänzlich verblödeten Führung ihres Landes. Während sich meine Nachbarn in Berlin tagaus tagein die Fußballspiele reinzogen, habe ich in Berlin vor dem Computer sitzend einige Auftritte bei den Brics-Spielen angesehen. Zwar ist russisches Fernsehen in Deutschland wegen Verbreitung von Propaganda verboten, aber das Internet funktioniert noch.

Keine Spitzenklasse

Und die Spiele in Kasan wurden bis zum letzten Tag sorgfältig im Netz übertragen: Schwimmen, Tischtennis, akrobatischer Rock 'n' Roll, Leichtathletik, Judo, Schach und auch die bei Putin neuerdings so beliebte Kampfsportart Koresh (der Gürtelkampf). Ich hatte oft das Gefühl, der einzige Zuschauer zu sein. Die gleiche Szene wie beim Synchronschwimmen beobachtete ich beim Stabhochsprung. Auch dort war der Russe sofort auf den ersten Platz gesprungen, weil niemand mit ihm mitspringen wollte. Die Tribünen blieben wieder leer. Der Sieger sprang etwa fünf Meter hoch. Weltrekord von Serhij Bubka im Stabhochspringen im vorigen Jahrhundert war 6 Meter und 14 Zentimeter. Na ja, na ja.

Dieses sonderbare Sportevent erinnerte mich stark an die Olympischen Spiele in Moskau 1980. Ich war damals als Kind im Ruderverein "Zenit" und bei jedem Spiel dabei. 1980 wurden die Spiele von Amerika und den meisten Ländern der freien Welt boykottiert, weil die Sowjets im Jahr davor in Afghanistan einmarschiert waren. Nur wenige Staaten trauten sich, trotz des Boykotts zu unseren Spielen zu kommen. Also wurden wir als Vereinskinder, die Vertreter des Jugendsports, von unserem Trainer verdonnert, die wenigen Ausländer zu begrüßen, die da waren.

Außerdem sollten wir als begeisterte Zuschauer auf den Tribunen sitzen, damit es nicht zu öde aussah. Aus heutiger Sicht scheint der Grund für den damaligen Boykott lächerlich, alle möglichen Staaten sind seitdem nach Afghanistan ein- und wieder rausmarschiert, die Taliban sind noch immer da. Nun, im Jahr 2024, ein halbes Jahrhundert später, als Russland erneut in eine Isolation geriet und überall nach neuen Freunden sucht, machen die Taliban sogar bei Putins Olympia in Kasan mit.

Ja, die Afghanen haben zwanzig Sportler zu den Spielen geschickt, alles schnurrbärtige Männer, die selbstverständlich beim Synchronschwimmen und akrobatischem Rock 'n' Roll nicht mitmachen. Die Taliban kämpfen bei Judo, Koresh und Schach mit. Kurioserweise dürfen sie nicht unter ihrer neuen Flagge auftreten, die alte Flagge wurde von der Taliban-Regierung verboten und die neue schwarze mit kleiner Schrift drauf sieht selbst der russischen Führung zu extremistisch aus.

Wer so alles dabei ist

Zwar möchten die Taliban den Brics beitreten, bleiben aber noch immer in Moskau im Register "Terroristische Organisationen" eingetragen. Die Spiele in Kasan werden von den russischen Medien als eine Geste der internationalen Unterstützung für Russlands aggressive Politik gelobt, als "eine Ohrfeige für den Westen". Aus offiziellen Quellen ließ sich jedoch nicht eindeutig herausfinden, was das genau für "90 Länder" sind, die angeblich ihre Sportler zu den Spielen nach Kasan geschickt haben.

Bei der Eröffnung wurden zum Beispiel auch die Flaggen von Großbritannien und Deutschland herumgetragen, auf der offiziellen Seite der Spiele steht jedoch, diese Länder seien mit "0 Sportlern in 0 Sparten" anwesend. Kongo und Nordkorea sind auf jeden Fall dabei. Die Republik Namibia schickte zu den Spielen nach Kasan ganze drei Sportler, sie waren aber bei keiner der Sportarten zu sehen. Möglicherweise sind Namibias Sportler unterwegs abhandengekommen. In den Wettbewerben nehmen außerdem Athleten aus drei nicht existierenden Staaten teil, Staaten, die man auf keiner Weltkarte findet, es sind Athleten aus Abchasien, Südossetien und der Republika Srpska, einem Teil Bosniens.

Auch Frankreich soll mit einer Gymnastin dabei gewesen sein, die allerdings eine Russin ist. Es fehlten noch die Hamas und der "Islamische Staat", um diese Spiele zum Sportfest des Bösen umzutaufen. Der Sieger stand noch vor der Eröffnung fest, sein Name in fünf Buchstaben, beginnend mit P wurde stets in der Berichterstattung im Zusammenhang mit den Spielen erwähnt.

Bereits lange vor dem Finale hat die russische Nationalmannschaft den ersten Platz gewonnen und beinahe alle Goldmedaillen einkassiert, das wurde in der heimischen Presse als großer Erfolg des russischen Sports gepriesen. So wollen die Rentner im Kreml es gerne haben, das Gold bleibt sicher zu Hause und die Sportler auch.

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