"Angst des Machtapparats" Mehr als 200 Festnahmen nach Nawalny-Tod
Nach dem Tod des Kremlkritikers trauern auch Menschen in Russland. Die Polizei lässt das aber nicht überall zu.
Nach dem Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny im Straflager trauern die Menschen in Russland trotz Festnahmen und Drucks der Behörden weiter um den Oppositionellen. In Moskau und anderen Städten räumten Männer in Zivil oder Mitarbeiter der Stadtreinigung spontan errichtete Erinnerungsstätten für den 47-Jährigen, der in Haft in der Polarregion unter ungeklärten Umständen starb. Sie packten Blumen in Mülltüten, sammelten Kerzen und Bilder ein. Medien in vielen Teilen Russlands berichteten am Samstag, dass trotzdem weiter frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an Nawalny aufgestellt wurden.
Nach Angaben von Menschenrechtlern in Russland sind mittlerweile mehr als 212 Menschen festgenommen worden. Das wäre die größte Festnahmewelle in Russland seit der Arrestierung von mehr als 1.300 Personen bei Demonstrationen gegen die Teilmobilisierung für den Ukraine-Krieg im September 2022. Allein in St. Petersburg hätten die Behörden nun mindestens 109 und in Moskau mindestens 39 Menschen festgenommen, teilt die Online-Bürgerrechtsplattform OVD-Info mit. Insgesamt habe es Festnahmen in 21 russischen Städten gegeben.
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"Wie groß doch selbst die Angst des Machtapparates vor einem Toten ist, wenn sogar das Ablegen von Blumen zu seinem Andenken als Verbrechen angesehen wird", schrieb der russische Friedensnobelpreisträger und Gründer der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta", Dmitri Muratow, am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram.
Der nach vielen Tagen in immer wieder angesetzter Einzelhaft körperlich geschwächte Nawalny war laut russischen Behörden am Freitag bei einem Hofgang im Straflager bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos. Menschenrechtler werfen dem russischen Machtapparat Mord vor. Nach Angaben von Nawalnys Team ist ein Anwalt auf dem Weg zum Straflager nördlich des Polarkreises. Demnach gingen auch die Mitarbeiter des prominenten Anti-Korruptionskämpfers davon aus, dass Nawalny gezielt getötet wurde.
Nawalny habe als weltweit anerkannter russischer Oppositionsführer die Hoffnung auf eine Zukunft nach der Diktatur verkörpert, schrieb der Experte Alexander Baunow für die Denkfabrik Carnegie am Samstag. Auch im Straflager sei der Politiker für den Kreml ein Ärgernis geblieben. "Doch zeugt das Streben, selbst eine solche Reizfigur loszuwerden, auch davon, dass das Regime nicht so von sich und seiner Zukunft überzeugt ist, wie es selbst gern erscheinen mag." Russlands Machtapparat geht immer wieder mit Gewalt gegen Andersdenkende vor. Proteste werden in dem Land schon seit Jahren nicht erlaubt.
- Nachrichtenagentur dpa