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70. Geburtstag der Nato: Wie die Presse das Treffen kommentiert


Pressestimmen zu 70 Jahren Nato
"Deutschland sieht sich als Problembär"

Von dpa, t-online, pdi

Aktualisiert am 04.04.2019Lesedauer: 5 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Truppenbesuch auf einem Übungsplatz der Bundeswehr: Deutschland wird vor allem in den USA wegen zu niedriger Verteidigungsausgaben kritisiert.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Truppenbesuch auf einem Übungsplatz der Bundeswehr: Deutschland wird vor allem in den USA wegen zu niedriger Verteidigungsausgaben kritisiert. (Quelle: imago-images-bilder)
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Zum 70-jährigen Bestehen der Nato hagelt es vor allem Kritik aus den USA. Trump nutzt das Treffen für eine Abrechnung mit Deutschland und der Türkei. So kommentiert die Presse das Jubiläum.

In der Nato herrschen zum 70. Jahrestag der Gründung Verunsicherung und Sorge. Generalsekretär Jens Stoltenberg ruft in einer umjubelten Rede vor dem US-Kongress zu Geschlossenheit auf.

Doch während der Festlichkeiten in Washington wird vor allem gestritten. Die USA nutzen das Treffen für eine Abrechnung, vor allem mit Deutschland und der Türkei. Der Streit zwischen Washington und Ankara um den Kauf eines russischen Raketenabwehrsystems durch die Türkei war am Mittwoch eskaliert. An Deutschland hagelt es Kritik wegen des vergleichsweise niedrigen Anteils seiner Verteidigungsausgaben am Haushalt.

So kommentiert die deutsche und internationale Presse die Konflikte des Militärbündnisses:

Pressestimmen aus Deutschland

"Stuttgarter Zeitung": "Das Geburtstagskind ist in Deutschland schlecht gelitten. Die meisten Politiker und Bürger nehmen zu wenig zur Kenntnis, dass die Bedrohung unseres Lebensmodells nicht ein Szenario von gestern ist, sondern hochaktuell. Die Nato ist daher heute gerade für die Deutschen genauso wichtig wie vor Jahrzehnten, ihr Wert unbezahlbar. Deshalb sind die Prioritäten der Bundesregierung in ihrer Finanzplanung verwunderlich."

"Volksstimme" (Magdeburg): "Zum 70. Nato-Jahrestag sieht sich Deutschland vom Bündnis als Problembär in die Ecke gestellt. Weil es nicht die geforderten zwei Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben will. Richtig ist, dass diese Zahl bei 1,3 Prozent liegt und nur langsam steigt. Nun verbirgt sich aber hinter der abstrakten Prozentangabe ein aktueller Wehretat von 43,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: So viel geben Italien, Spanien und Polen zusammen für Verteidigung aus. Wollte Deutschland die Zwei-Prozent-Marke erreichen, wären mehr als 80 Milliarden Euro nötig. Eine Partei, die das im nächsten Bundestagswahlkampf den Bürgern verklickern wollte, würde sich umgucken.

"Westfälischen Nachrichten": "Für Bundesaußenminister Maas wird die Party in Washington eher eine peinliche Angelegenheit. Die Deutschen als Drückeberger? Die geforderten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Verteidigungsetat sind jedenfalls nicht in Sicht. Von 1,5 Prozent bis 2024 ist offiziell die Rede. Diese Debatte zeigt, dass sich die Nato zurzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt. Und Russland heißt nicht das einzige Bedrohungsszenario.

Das Militärbündnis wird zum Beispiel klären müssen, wie es sich künftig gegenüber der Herausforderung aus Peking aufstellen will. Ja. Die Nato behält als Friedensgarant ihre Existenzberechtigung – sie wird aber globaler agieren müssen. Das Etikett 'Erfolgsmodell der Zukunft' muss sich die Allianz erst erarbeiten."

"Neue Osnabrücker Zeitung": "Doch an dem Ehrentag ist die Stimmung schlecht. Mal wieder ist es US-Präsident Trump, der das bewährte Musketier-Prinzip 'Einer für alle, alle für einen' infrage stellt. Sein Ruf nach mehr Verantwortung Deutschlands ist ja richtig. Aber pauschal mehr Geld für Verteidigung zu fordern, ist nicht sinnvoll. Wofür genau? Wie lautet die Strategie? Die Bundeswehr schafft es schon jetzt nicht, die Milliarden, die sie hat, effektiv und ohne immer neue Pannen auszugeben. Mit noch mehr Geld wird das nicht besser, solange es keine wirklichen Reformen mit einem Neuanfang auf Ministerebene gibt."

"Schwäbische Zeitung" (Ravensburg): "Das Bündnis hat sich in den vergangenen 70 Jahren immer wieder den weltpolitischen Entwicklungen angepasst, hat nach dem Ende des Kalten Krieges eine neue Rolle als Weltpolizist im Kosovo, in Afghanistan und im Kampf gegen den "Islamischen Staat" gefunden. Einer der Profiteure dieser Erfolgsgeschichte ist Deutschland, das sich vom geteilten Land in bedrohlicher Randlage am Eisernen Vorhang zur weltweit viertgrößten Volkswirtschaft entwickeln konnte. Auch deshalb sollte die Bundesregierung klar signalisieren, dass sie ihre Militärausgaben so erhöhen wird, wie sie es mehrfach versprochen hat. Wer mit dem Finger über den großen Teich auf einen wankelmütigen US-Präsidenten zeigt, sollte selbst nicht wortbrüchig sein."

Internationale Pressestimmen

"NZZ" (Schweiz): "Erstaunlich ist, dass außer von Amerikanern und den strategisch gegenüber Russland exponierten Balten kaum je Kritik am Militär-Sparmeister Deutschland laut wird. Vielleicht liegt das ja einfach daran, dass immerhin elf Nato-Länder sich die Verteidigung noch weniger kosten lassen. Vielleicht ist es aber auch so, dass manchen Europäern die Vorstellung unheimlich ist, dass die mit Abstand größte Wirtschaftsmacht des Kontinents in absehbarer Zeit auch militärisch alle anderen Staaten überflügeln könnte. ...

Wenn Deutschland in den kommenden Jahren wirklich kräftig in seine militärischen Fähigkeiten investieren will, braucht es nicht nur das entsprechende Geld. Die andere zwingende Voraussetzung ist ein staatliches Beschaffungswesen, das die Rüstungsprojekte effizient und erfolgreich abwickeln kann. Die deutsche Rüstungsbürokratie wäre in ihrem jetzigen Zustand gar nicht in der Lage, den reichen Geldsegen zu absorbieren."

"Financial Times" (Großbritannien): "Zwei Weltkriege haben die USA davon überzeugt, dass ihre nationale Sicherheit untrennbar mit jener Europas verbunden ist. Und ihre Verbündeten verstehen, dass Amerika ein lebenswichtiger Garant der europäischen Sicherheit ist. Der Kalte Krieg ist längst vorüber, aber die grundlegende Logik hat sich nicht verändert. Europa braucht die Unterstützung der USA, um Wladimir Putins Russland im Zaum zu halten. Für Washington ist die Allianz ein Stützpfeiler bei der Verteidigung seiner globalen Interessen. ...

Europa sollte mehr für seine territoriale Verteidigung tun. Die Lehre der letzten 70 Jahre besteht darin, dass die Nato ständig modernisiert und an neue Bedingungen angepasst werden muss. Die Ausbreitung der Cyberkriegsführung, die Weiterverbreitung neuer Technologien und Chinas wachsende militärische Macht stellen neue Herausforderungen dar. Dies ist nicht die Zeit für westliche Demokratien, sich von der erfolgreichsten Militärallianz der Welt zu verabschieden."

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"De Telegraaf" (Niederlande): "Die USA treten zu Recht auf die Bremse. Es ist wahrhaft grotesk, dass der Nato-Partner Türkei militärische Ausrüstung von den Russen kaufen will. Durch die Installation der S-400-Raketen würden die Russen Zugang zu den Nato-Computernetzen erhalten. Und somit könnten geheime Informationen über die F-35-Kampfjets in russische Hände gelangen.

Die Beziehungen zur Türkei sind seit einiger Zeit angespannt, auch bei der Terrorismusbekämpfung. Sowohl der IS als auch al-Qaida nutzen die Türkei als Ausgangsbasis. Möglich wird dies, weil Ankara es vorzieht, lieber die kurdische PKK zu verfolgen. ... Um es milde auszudrücken. Es ist äußerst beunruhigend, dass sich die Türkei unter Erdogan weigert, ein zuverlässiger Bündnispartner zu sein."

"Dagens Nyheter" (Schweden): "Die Nato wird 70 Jahre alt. Ohne die Verteidigungsallianz gäbe es keine Sicherheit in Europa. Die EU hat eine wichtige Rolle für den Frieden gespielt, aber ohne die Nato und deren Rückgrat USA hätten die notwendigen Muskeln gefehlt. Nach dem Fall der Mauer war es kein Zufall, dass die Osteuropäer als Allererstes in die Nato wollten. Und Trump hat recht bei den Verteidigungsausgaben Europas.

Weiterhin schaffen nur sechs Mitgliedsländer neben den USA das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Deutschland, der Riese der EU, ist dabei das große Problemkind. Nur 1,3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt gehen in die Verteidigung, versprochen sind 1,5 Prozent bis 2024. Es gibt alle möglichen Ausreden. Aber wenn Europa größere Verantwortung für seinen eigenen Schutz übernehmen soll, dann muss Deutschland mit dabei sein."


"Hospodarske noviny" (Tschechien): "Das nordatlantische Verteidigungsbündnis feiert den 70. Jahrestag seiner Gründung. Nach menschlichen Maßstäben ist das ein gesegnetes Alter, das aber angesichts des immer höheren Lebensalters noch keineswegs das Ende eines aktiven Lebens bedeutet. ... Für die Westeuropäer ist die Existenz der Nato eine Selbstverständlichkeit.

Für die Mitteleuropäer ist die Mitgliedschaft indes die Erfüllung eines Traums. Ersteres ist das Hauptgebrechen des Bündnisses, Letzteres seine größte Kraft für die künftige Entwicklung. Von sieben europäischen Mitgliedern, welche das Ziel erfüllen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, liegen fünf östlich von Deutschland – Polen, Rumänien und die drei baltischen Staaten."

Verwendete Quellen
  • mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherchen
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