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Drohungen gegen Armenier nehmen zu: Jurist warnt


Drohanrufe bei Armeniern in Deutschland
"Sie wollen wieder einen Völkermord an uns verüben"


21.04.2025 - 21:54 UhrLesedauer: 3 Min.
Eine Gedenkveranstaltung an den Genozid an den Armeniern (Archivbild): Auch heute werden Angehörige der armenischen Minderheit in Deutschland bedroht.Vergrößern des Bildes
Eine Gedenkveranstaltung zum Genozid an den Armeniern (Archivbild): Auch heute werden Angehörige der armenischen Minderheit in Deutschland bedroht. (Quelle: IMAGO/Giannis Panagopoulos / Eurokinissi)
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Mehr als 110 Jahre nach dem Völkermord an den Armeniern gibt es wieder massive Drohungen gegen Angehörige der Minderheit. Ein Jurist schlägt Alarm.

Es sind Androhungen drastischer Brutalität, die Angehörige der armenischen Minderheit in Deutschland seit März über ihre privaten Telefonanschlüsse erreichen. "Wir haben 1915 nicht vergessen, du armenische Schlampe", sagt einer der anonymen Anrufer und bezieht sich damit auf den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich. "Ich werde dich in deinem Zuhause vergewaltigen", prophezeit ein Anrufer einer Betroffenen.

Auch ein anderer Anrufer droht seinem Gegenüber am Telefon unverhohlen: "Du Armenier, ich ficke dein ganzes Volk", sagt er. "Wir werden euch noch einmal killen, ihr Hurensöhne werdet noch einen Völkermord erleben." Es sind Anrufe wie diese, die Teile der armenischen Diaspora in Deutschland einschüchtern – und die Angst vor einem neuen Krieg im Kaukasus anfachen.

Nach maximal 40 Sekunden legen die Anrufer auf

Gesammelt wurden die Berichte über die Drohungen von der Deutsch-Armenischen Juristenvereinigung (DeArJv). Seit März seien mindestens 15 solcher Drohanrufe bei in Deutschland lebenden Armenierinnen und Armeniern eingegangen, sagt Völkerrechtler Gurgen Petrossian, Vorsitzender der DeArJv im Gespräch mit t-online. Zunächst hätten sich die Bedrohten an ihre Kirchengemeinden gewandt, die wiederum die Juristenvereinigung eingeschaltet hätten. Das seien allerdings nur die bekannten Fälle, erklärt der Völkerrechtler: "Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein."

Die Anrufe laufen laut Petrossian meistens nach dem gleichen Schema ab: "Jemand meldet sich, spricht die angerufene Person mit Namen an und stellt sich als Türke oder als Aserbaidschaner vor", erklärt der Völkerrechtler. "Danach folgen in der Regel Bedrohungen und Beleidigungen. Oft erklären die Anrufer auch, dass sie nach 1915 wieder einen Völkermord an uns verüben wollen." Nach maximal 40 Sekunden legten die Anrufer dann wieder auf.

Anrufe schüchtern die Diaspora ein

Zur Meldung der Anrufe, deren Mitschriften t-online in Teilen vorliegen, hat die DeArJv eine eigene Meldestelle eingerichtet – denn sie sind kein neues Phänomen. Bereits im Jahr 2020 gab es ähnliche Drohanrufe. Hintergrund war damals der Angriff Aserbaidschans auf sein Nachbarland, infolgedessen Armenien ein Drittel seines Staatsgebiets verlor, Aserbaidschan die umstrittene Region Bergkarabach besetzte und anschließend ethnisch säuberte. 120.000 armenische Einwohner Bergkarabachs mussten ihr Zuhause verlassen. Die erneuten Drohungen per Telefon sorgten in Teilen der armenischen Community dafür, dass die Angst vor einem neuen Krieg im Kaukasus steige, erklärt Petrossian.

Die Gewaltandrohungen hätten bei einigen Mitgliedern der armenischen Diaspora tiefe Spuren hinterlassen, berichtet Petrossian weiter. "Eine Frau steht mittlerweile unter Polizeischutz, eine andere musste sich in psychologische Behandlung begeben, weil sie mit den Androhungen massiver sexueller Gewalt nicht zurechtkam."

Kriegsverbrechen per Telegram-Chat

Doch die Anrufe sind nicht der einzige Weg, auf dem anonyme Drohungen Armenierinnen und Armenier erreichen. Auch über den Kurznachrichtendienst Telegram seien Drohungen bei Mitgliedern der Diaspora eingegangen. Petrossian erklärt, einige Betroffene hätten von ebenfalls anonymen Konten sogenannte Sticker zugeschickt bekommen, also kleine Bilder, die Handynutzer selbst erstellen und weiterschicken können. "Diese Sticker zeigten Bilder ermordeter und geköpfter armenischer Soldaten aus dem Krieg 2020", erklärt Petrossian. "Sie wurden verschickt, um die Tötung oder die Misshandlung von Armeniern zu normalisieren", ist sich Petrossian sicher.

Wegen all dieser Vorkommnisse hat die DeArJv mehrere Strafanzeigen gestellt. Gurgen Petrossian hofft, dass die Ermittlungsbehörden die Täter finden und zur Verantwortung ziehen können. "Wir haben Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat", sagt er. "Wir wissen aber auch, dass die Ermittlungen aufgrund der anonymisierten Telefonnummern schleppend vorangehen können." Die zuständigen Behörden waren bis zum Donnerstagnachmittag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Hinter den Anrufen vermutet Petrossian unterdessen eine konzertierte Kampagne. "Die Anrufe erfolgen immer zur gleichen Zeit", sagt der Jurist. "Meistens zwischen 13 und 14 Uhr". Nun seien die Ermittlungsbehörden am Zug. Erfolgreiche Ermittlungen könnten der armenischen Diaspora in Deutschland dabei helfen, endlich wieder zur Ruhe zu kommen, so Petrossian.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Gurgen Petrossian
  • Schriftliche Aufzeichnungen der Drohanrufe gegen Armenierinnen und Armenier
  • Anfragen an mehrere Polizeistellen sowie an den Staatsschutz

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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