70 Jahre Nato in Washington Nato-Chef warnt vor Russland – USA kritisieren Deutschland
"Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg", sagt Nato-Chef Stoltenberg. Und warnt zugleich vor Russland. Die Nato will nun reagieren. US-Vizepräsident Pence holt derweil erneut gegen Deutschland aus.
Die Nato will nach den Worten von Generalsekretär Jens Stoltenberg keinen "neuen Kalten Krieg" mit Russland. "Wir wollen kein neues Wettrüsten. Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg", sagte Stoltenberg am Mittwoch in einer Rede vor dem US-Kongress zum 70. Jahrestag der Gründung des westlichen Militärbündnisses. Die Nato dürfe Russland gegenüber nicht naiv sein, sagte Stoltenberg.
Die 29 Nato-Staaten müssten sich etwa auf das drohende Ende des INF-Abrüstungsvertrags zwischen Russland und den USA vorbereiten. "Wir wollen Russland nicht isolieren", sagte Stoltenberg. "Wir streben ein besseres Verhältnis zu Russland an." Aber auch wenn dies nicht gelinge, müsse die Nato versuchen, mit einer schwierigen Beziehung zurechtzukommen.
Stoltenberg moniert Verletzung des INF-Vertrages
Im INF-Vertrag von 1987 hatten Russland und die USA ein Verbot atomarer Mittelstreckenraketen festgeschrieben. Die Vereinigten Staaten werfen Moskau allerdings Verstöße gegen den Vertrag vor und kündigten den Vertrag Anfang Februar auf. Auch Russland stieg daraufhin aus dem Abkommen aus und kündigte an, eine neue Rakete entwickeln zu wollen – wodurch sich die Nato-Mitgliedsstaaten bedroht sehen.
Stoltenberg warf Russland in seiner Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses erneut eine Verletzung des INF-Vertrags vor. Die Nato werde daher die erforderlichen Maßnahmen für eine glaubwürdige und wirksame Abschreckung ergreifen, sagte er.
Wie schon bei seinem Besuch im Weißen Haus am Dienstag stellte sich Stoltenberg hinter die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach höheren Verteidigungsausgaben der Nato-Mitgliedstaaten. Trumps Botschaft habe bereits klare Auswirkungen und stärkt die Nato, sagte Stoltenberg.
Pence: China ist vielleicht größte Nato-Herausforderung
US-Vizepräsident Mike Pence hat dagegen China als die "vielleicht größte Herausforderung" für die Nato bezeichnet und sich damit gegen die Prioritätensetzung vieler Europäer gestellt. Es gehe um die Frage, wie man sich an den Aufstieg der Volksrepublik anpasse, sagte Pence am Mittwoch vor dem Beginn eines Nato-Außenministertreffens in Washington. "Wir müssen uns anpassen." Als Beispiele für aus US-Sicht kritische Punkte nannte Pence das europäische Interesse an chinesischer Technologie für den Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes und die sogenannte Seidenstraßen-Initiative, über die China zum Beispiel in Häfen in Italien investieren will.
Von vielen Nato-Partnern wird der US-Kurs gegenüber China kritisch bewertet. Sie sehen China eher als Handelspartner denn als militärischen Rivalen und wollen eine starke Thematisierung Chinas in der Nato verhindern.
Pence machte deutlich, dass die USA das nicht von ihrer Position abbringen werde. "Chinas wachsender Einfluss wird notwendigerweise mehr amerikanische Aufmerksamkeit und Ressourcen erfordern", sagte er. "Und während wir uns dieser Herausforderung stellen, müssen die europäischen Verbündeten mehr tun, um die Stärke und Abschreckung unserer transatlantischen Allianz mit ihren Ressourcen zu erhalten."
Pence kritisiert Deutschland für Verteidigungsausgaben
Außerdem hat Pence Deutschland erneut für seine Verteidigungsausgaben und die Zusammenarbeit mit Russland beim Pipeline-Projekt Nord Stream 2 kritisiert. "Deutschland muss mehr tun", sagte Pence. "Und wir können nicht die Verteidigung des Westens gewährleisten, wenn unsere Verbündeten von Russland abhängig werden", fügte Pence mit Blick auf das Pipeline-Projekt hinzu.
US-Präsident Donald Trump kritisiert Deutschland regelmäßig wegen zu geringer Verteidigungsausgaben und fordert bis 2024 einen Anstieg auf "mindestens zwei Prozent" der Wirtschaftsleistung. Ziel der Bundesregierung sind bisher nur 1,5 Prozent.
Pence sagte, es sei "schlicht inakzeptabel", wenn Europas größte Volkswirtschaft die Bedrohung durch Russland ignoriere "und seine eigene Selbstverteidigung und unsere gemeinsame Verteidigung vernachlässigt". Pence kritisierte auch, dass Deutschland sich durch Nord Stream 2 abhängig von Russland mache. Das Pipeline-Projekt könne die deutsche Wirtschaft "buchstäblich zu einem Gefangenen Russlands" machen.
Trump hat den Ausbau der Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland in der Vergangenheit ebenfalls kritisiert und sogar Sanktionen angedroht. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 stößt vor allem in den Energie-Transitländern in Osteuropa auf Widerstand. Die Gegner warnen vor einer noch größeren Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen.
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Die Nato feiert bis Donnerstag in Washington den 70. Jahrestag ihrer Gründung. Dabei tagen auch die Außenminister des Bündnisses. Nach Stoltenbergs Rede war am Mittwoch ein Festakt in dem Saal geplant, in dem am 4. April 1949 der Nordatlantikvertrag unterzeichnet worden war.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP