Schauprozess in Tunis Tunesien schaltet die Opposition aus

In Tunesien sind mehr als 40 Menschen wegen angeblicher Verschwörung gegen den Präsidenten verurteilt worden. Menschenrechtler sprechen von einem politischen Prozess.
In einem politisch aufgeladenen Prozess hat ein Gericht in der tunesischen Hauptstadt Tunis Haftstrafen zwischen 13 und 66 Jahren gegen mehr als 40 Angeklagte verhängt. Das berichteten mehrere Medien am Samstag unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft.
Laut diesen Berichten wirft das Gericht den Verurteilten unter anderem eine "Verschwörung gegen die staatliche Sicherheit" sowie die "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" vor. Zu den Betroffenen gehören zahlreiche Oppositionspolitiker, Anwälte und Geschäftsleute. Einige befinden sich seit ihrer Festnahme vor zwei Jahren in Haft, mindestens 20 Angeklagte sind ins Ausland geflohen, weitere befinden sich noch auf freiem Fuß.
Anwälte, die von der Nachrichtenagentur AFP kontaktiert wurden, erklärten, sie seien über die Urteile nicht informiert worden. Zu den Angeklagten zählen einige der bekanntesten Oppositionspolitiker des Landes, wie zum Beispiel Nejib Chebbi, der Anführer der wichtigsten Oppositionskoalition, der Front zur Nationalen Rettung. "Die Behörden wollen die Opposition kriminalisieren", sagte Chebbi am Freitag.
Ein beispielloser Prozess
Der Prozess gilt Beobachtern zufolge als beispiellos in Tunesien – sowohl wegen der Vielzahl der Anklagepunkte als auch wegen der Zahl der Angeklagten. Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Verfahren scharf. "Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Prozess wie diesen erlebt", sagte Rechtsanwalt Ahmed Souab, der die Angeklagten vertritt, vor der Urteilsverkündung. "Es ist eine Farce, die Urteile liegen vor, und was hier passiert, ist skandalös und beschämend."
Auch der ehemalige Minister und Menschenrechtsaktivist Kamel Jendoubi, der in Abwesenheit angeklagt war, äußerte sich deutlich. "Dies ist kein Urteil der Justiz, sondern ein politischer Erlass, der von Richtern auf Befehl von mitschuldigen Staatsanwälten und von einem Justizminister vollstreckt wurde", sagte er der AFP. Alle Beteiligten dienten einem "paranoiden Autokraten", sagte er mit Blick auf Präsident Kais Saied.
Nach dem Arabischen Frühling im Jahr 2011 galt Tunesien lange Zeit als demokratisches Vorbild in der arabischen Welt. Unter Präsident Saied hat sich das jedoch deutlich verändert. Er setzte eine neue Verfassung durch, die seine Macht erheblich stärkte. Seitdem geht er laut Kritikern zunehmend autoritär gegen Gegner vor. Menschenrechtsgruppen und Oppositionspolitiker warnen vor einem massiven Rückschritt bei Demokratie und Freiheit in dem nordafrikanischen Land.
- Nachrichtenagentur AFP