Währungsstreit immer schärfer Erdogan nennt USA "Kraftmeier des globalen Systems"
Die Türkei am Rand der Zahlungskrise – wer solche Befürchtung in sozialen Netzwerken äußert, dem drohen in der Türkei jetzt Strafen. Staatschef Erdogan dreht derweil weiter an der Eskalationsschraube.
Inmitten der massiven Währungskrise um die türkische Lira wächst offenbar die Nervosität der Führung in Ankara. Während Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seine verbalen Angriffe auf die USA noch einmal verschärft, kündigt das Innenministerium an, negative Kommentare zur Lira-Krise bestrafen zu wollen. Die Bundesregierung äußerte sich derweil zurückhaltend.
Ohne die USA direkt zu erwähnen, nannte Erdogan die Vereinigten Staaten vor Botschaftern aus aller Welt in Ankara die "Kraftmeier des globalen Systems". An US-Präsident Donald Trump gerichtet, sagte er: "Du kannst nicht einfach aufwachen und sagen 'ich führe diese Zölle auf Stahl und Aluminium ein. Das kannst Du nicht sagen'."
Er verwies darauf, dass der Türkei als Nato-Partner damit "in den Rücken und die Füße geschossen" worden sei. Erdogan deutete sogar an, dass die Türkei bereit zu einem Krieg sei. Staaten, die Frieden wollten, müssten bereit zum Krieg sein, sagte er. "Wir sind bereit, mit allem, was wir haben."
Strafen für negative Kommentare im Netz
Im seit Wochen eskalierenden Streit um den US-Pastor Andrew Brunson, der in der Türkei festgehalten wird, hatte Trump am Freitag die Verdoppelung von Strafzöllen gegen die Türkei verkündet. Die Lira brach danach auf einen neuen Tiefststand ein. Nach kämpferischen Reden des türkischen Präsidenten am Wochenende und dem Inkrafttreten der ersten Zölle fiel die Landeswährung am Morgen weiter. Die Nation werde belagert, sagte Erdogan. Aber die Wirtschaft der Türkei sei stark und werde das auch bleiben.
Das Innenministerium in Ankara kündigte an, gegen negative Kommentare zur Wirtschaft in sozialen Netzwerken vorgehen zu wollen. Entsprechende rechtliche Maßnahmen gegen solche Mitteilungen würden eingeleitet, hieß es. Seit dem 7. August seien 346 Nutzerkonten auf sozialen Netzwerken ausgemacht worden, in denen der Verfall der Landeswährung Lira auf provozierende Art und Weise kommentiert wurde.
Der Präsident verteidigte das harsche Vorgehen im Netz. "Falsche Berichte und Spekulationen" würden die "wirtschaftliche Sicherheit" bedrohen, sagte Erdogan nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Staatsanwälte und Ermittler anderer Behörden würden nun gegen die "Wirtschaftsterroristen" vorgehen, die "Verrat" begangen hätten.
Lira so billig wie nie
Im asiatischen Handel war der Wert der türkischen Währung am frühen Morgen zum Euro und US-Dollar zeitweise erneut zweistellig gefallen. Ein Dollar kostete 7,24 Lira – so viel wie nie zuvor. Grund war das Inkrafttreten neuer Strafzölle der USA gegen die Türkei. Die Börsen fürchten nun eine Zahlungskrise in dem Land: Mit dem Absturz der Lira werden Importe teurer, was die ohnehin hohe Inflation in der Türkei treibt. Auch Schulden von Banken in ausländischen Währungen steigen.
Die Lira hat in diesem Jahr bereits mehr als 40 Prozent an Wert verloren. Der Streit mit den USA um das Schicksal des US-Pastors Andrew Brunson, der in der Türkei wegen Terrorvorwürfen festgehaltenen wird, hatte sie in den freien Fall befördert. Am Freitag hatte Präsident Donald Trump dann die Verdoppelung der Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der Türkei verkündet.
Notenbank lockert Auflagen
Der Finanzminister und die Zentralbank ergriffen am Montag Notfallmaßnahmen. Die Notenbank, die in der Krise lange unsichtbar geblieben war, ließ unter anderem verlauten, dass Banken sich zusätzliche Mittel in Fremdwährung leihen könnten. Es würden alle Schritte ergriffen, um die Finanzstabilität zu sichern. Der Lira-Kurs erholte sich daraufhin etwas.
- Neue US-Strafzölle: Türkische Lira fällt und fällt – und zieht den Euro mit sich
- USA vs. Türkei: Der Pastor, der die Krise auslöste
Der türkische Finanzminister Berat Albayrak wiederum versuchte, mit einer Serie von Tweets und Interviews Vertrauen zu schaffen. Er versprach einen "Aktionsplan". Zudem sagte er laut Anadolu, dass Einlagen nicht beschlagnahmt und Devisen auf Bankkonten nicht in Lira umgewandelt würden.
Berlin: Beobachten die Lage "durchaus aufmerksam"
Die Bundesregierung äußerte sich derweil zurückhaltend zum Absturz der türkischen Lira und der Sorge vor einer Finanzkrise in dem Land. Die Bundesregierung habe selbstverständlich Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Man beobachte die Lage "durchaus aufmerksam". Eine Sprecherin von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) betonte, ihr sei keine besondere Kommunikation oder mögliche Krisentreffen zwischen den G20-Staaten bekannt. Die Türkei ist Mitglied der Gemeinschaft der Industrie- und Schwellenländer.
Auf die Frage, ob die Verschärfung der Strafzölle auf Stahl und Aluminium durch US-Präsident Donald Trump den Absturz der Lira verschärft habe, sagte die Sprecherin: Solche Spekulationen werden wir hier nicht kommentieren." Auch zum Risiko für deutsche Banken und ihr Engagement in der Türkei wollte sie sich nicht äußern. In den vergangenen drei Handelstagen hatten die Papiere der türkischen Banken im Schnitt rund 17 Prozent an Wert verloren.
- Reuters, dpa