Kurz vor Kriegsjahrestag Selenskyj bereit für Rücktritt im Tausch gegen Nato-Mitgliedschaft
Auf einer Pressekonferenz bringt Selenskyj überraschend seinen Rücktritt ins Spiel. Im Austausch fordert er dafür den Nato-Beitritt der Ukraine.
Kurz vor dem dritten Jahrestag des russischen Angriffskriegs hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zum sofortigen Rücktritt bereit erklärt, wenn sein Land im Gegenzug in die Nato aufgenommen wird. Er sei bereit, seinen Posten gegen die Nato-Mitgliedschaft "einzutauschen", sagte Selenskyj am Sonntag in Kiew. Er reagierte damit offenbar auf Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, der ihn als "Diktator ohne Wahlen" bezeichnet hatte.
Weil laut der ukrainischen Verfassung wegen des Krieges keine Wahl abgehalten werden darf, ist Selenskyj bereits länger im Amt als sein eigentlich auf fünf Jahre begrenztes Mandat vorsieht.
"Wenn es Frieden für die Ukraine gibt, wenn Sie wirklich wollen, dass ich meinen Posten aufgebe, bin ich bereit – ich kann ihn gegen die Nato (-Mitgliedschaft) eintauschen", sagte Selenskyj bei einer Pressekonferenz in Kiew. Er würde "sofort" gehen, falls das nötig sei, betonte er.
Selenskyj will Trump treffen
Eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine wird von Washington allerdings als unrealistisch betrachtet, wie US-Verteidigungsminister Pete Hegseth Mitte Februar bei einem Besuch in Brüssel gesagt hatte.
Selenskyj richtete bei seiner Pressekonferenz auch Appelle an Trump, der einen Annäherungskurs gegenüber dem russischen Staatschef Wladimir Putin eingeschlagen hat. Vom US-Präsidenten wünsche er sich gegenseitiges "Verständnis" und konkrete Sicherheitsgarantien für die Ukraine, betonte er.
Bevor es ein Treffen zwischen Trump und Putin gebe, wolle er selbst mit dem US-Präsidenten zusammenkommen, um mit diesem über ein geplantes Abkommen über einen US-Zugang zu ukrainischen Rohstoffen zu beraten, sagte Selenskyj. Allerdings sei er nicht bereit, ein Abkommen zu unterzeichnen, "für das zehn Generationen von Ukrainern bezahlen müssen".
Trump macht Selenskyj für Krieg verantwortlich
Trump hatte in den vergangenen Wochen eine Kehrtwende in der Ukraine-Politik der USA vollzogen. Nach einem langen Telefonat mit Putin entsandte er seinen Außenminister Marco Rubio und andere Regierungsvertreter zu Gesprächen mit einer hochrangigen russischen Delegation über die Ukraine.
An dem Treffen am in der saudiarabischen Hauptstadt Riad waren keine Vertreter der Ukraine oder der EU beteiligt. In der Ukraine wie auch in der EU besteht deshalb die Sorge, dass Trump und Putin über ihre Köpfe hinweg über die Zukunft der Ukraine entscheiden könnten.
Trump machte Selenskyj zuletzt auch für den Krieg verantwortlich – obwohl es Russland war, das am 24. Februar 2022 das Nachbarland überfallen hatte. Zum dritten Jahrestag des Kriegsbeginns legten die USA bei der UNO einen Resolutionsentwurf vor, in dem Russland nicht als Aggressor benannt wird und die Forderung nach territorialer Integrität der Ukraine fehlt – im Gegensatz zu einem Entwurf der Ukraine und europäischer Verbündeter.
Treffen zwischen Russland und USA angekündigt
Die russische Regierung kündigte am Sonntag ein weiteres Treffen mit US-Vertretern an. Die Gespräche auf Ebene der Abteilungsleiter der Außenministerien würden "Ende der Woche" stattfinden, erklärte Vize-Außenminister Sergej Riabkow laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass.
Selenskyj forderte indes den Zusammenhalt des Westens in der Ukraine-Frage. Einen "dauerhaften und gerechten Frieden für die Ukraine" zu erreichen, sei nur mit der "Einigkeit aller Partner" möglich, schrieb er im Onlinedienst Telegram. "Wir brauchen die Stärke ganz Europas, die Stärke Amerikas, die Stärke all jener, die nachhaltigen Frieden wollen."
Die EU ist derzeit intensiv bemüht, in der Ukraine-Frage wieder mehr Gewicht zu erlangen. So kündigte Ratspräsident Antonio Costa für den 6. März einen EU-Sondergipfel zur Ukraine an. Der französische Präsident Emmanuel Macron trifft am Montag in Washington mit Trump zusammen.
Von der Leyen in Kiew erwartet
Im Vorfeld hatte Macron unter anderen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dem britischen Premierminister Keir Starmer und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan gesprochen. Er und seine Gesprächspartner sähen sich einem "gerechten, stabilen und dauerhaften Frieden" in der Ukraine verpflichtet, schrieb Macron am Sonntag im Onlinedienst X.
Von der Leyen reist derweil am Montag nach Kiew. Laut Selenskyj nehmen am Kriegs-Jahrestag insgesamt 13 Staats- und Regierungschefs an einem Treffen in der ukrainischen Hauptstadt teil, weitere 24 würden per Video zugeschaltet.
Auch die EU-Außenminister beraten am Montag gemeinsam mit ihrem ukrainischen Kollegen Andrij Sybiha per Videokonferenz über den Ukraine-Konflikt. Zudem soll es nach Angaben aus Paris auf Initiative Frankreichs und Estlands eine Video-Beratung von rund einem Dutzend europäischen Verteidigungsministern geben.
- Nachrichtenagentur AFP